Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BVerwG - Entscheidung vom 16.01.2024

1 WNB 7.22

Normen:
WBO § 22a Abs. 2 Nr. 1
SG § 22 S. 1

BVerwG, Beschluss vom 16.01.2024 - Aktenzeichen 1 WNB 7.22

DRsp Nr. 2024/2351

Darlegen der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache; Begründung eines Dienstausübungsverbots mit dem Ansehen des Dienstherrn in der Öffentlichkeit

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Truppendienstgerichts Süd vom 18. Januar 2022 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Normenkette:

WBO § 22a Abs. 2 Nr. 1 ; SG § 22 S. 1;

Gründe

Die fristgerecht eingelegte und begründete Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO ) kommt der Beschwerdesache nicht zu.

Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerde entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. November 2011 - 1 WNB 5.11 - Rn. 2 und vom 12. April 2018 - 2 WNB 1.18 - juris Rn. 5, jeweils m. w. N.). Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - ggf. erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern mit dieser Klärung im angestrebten Rechtsbeschwerdeverfahren zu rechnen ist und hiervon eine Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus zu erwarten steht (BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 2017 - 8 B 16.16 - ZIP 2017, 463 Rn. 16).

a) Die vom Antragsteller aufgeworfene Frage

"Genügt der Beschluss eines Gerichts in einer existentiellen Angelegenheit bei einer Aussage zu Aussage-Konstellation rechtsstaatlichen Anforderungen und insbesondere der Unschuldsvermutung, wenn mögliche Motive des einzigen Belastungszeugen nicht ausreichend hinterfragt werden?"

betrifft die Rechtsanwendung im Einzelfall und legt keine Rechtsfrage dar, die einer allgemeinen Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren zugänglich wäre. Sie dient dem Antragsteller, wie aus der weiteren Begründung ersichtlich ist, auch nur dazu, den Beschluss des Truppendienstgerichts nach Art einer Berufungsbegründung anzugreifen. Auf diese Weise wird ein gesetzlicher Zulassungsgrund nicht dargelegt; die Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung im Einzelfall rechtfertigt nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 11. Oktober 2016 - 1 WNB 2.16 - juris Rn. 9 m. w. N.).

b) Auch die Frage

"Verstößt es gegen das Beweisverwertungsverbot, wenn eine Begründung auch aufgrund von Indizien erfolgt, die materiell-rechtswidrig gewonnen wurden, weil ein Durchsuchungsbeschluss bei der Sachlage nicht hätte erlassen werden dürfen?"

führt nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde, weil sie im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht entscheidungserheblich wäre. Die Entscheidung des Truppendienstgerichts beruht nicht auf Indizien, die auf der Grundlage eines Durchsuchungsbeschlusses gewonnen wurden. Der angefochtene Beschluss bezieht sich an keiner Stelle auf einen Durchsuchungsbeschluss oder auf die vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung angeführte Auswertung von Handydaten.

c) Der weiteren Frage

"Verstößt es gegen das Willkürverbot, wenn gegen einen Soldaten aus der Dienstgradgruppe der Portepeeunteroffiziere ein Dienstausübungsverbot verfügt wird, obwohl ein Straftatbestand nicht erfüllt ist, während der Kommandeur aus der Dienstgradgruppe der Generale dieses Verbandes bei dringendem Verdacht einer Verkehrsstraftat weiterhin im Dienst verbleibt und ehrenhaft trotz dieser Tat aus seinem Verband verabschiedet wird?"

fehlt es ebenfalls an der Entscheidungserheblichkeit in einem Rechtsbeschwerdeverfahren. Für die Rechtmäßigkeit der Verhängung eines Dienstausübungsverbots gegen den Antragsteller kommt es grundsätzlich nicht darauf an, wie in anders gelagerten Fällen anderer Soldaten verfahren wurde. Da es den vom Antragsteller gegenübergestellten Fällen schon an der Vergleichbarkeit mangelt, besteht auch kein Ansatzpunkt für einen Verstoß gegen das Willkürverbot.

d) Schließlich führt auch die Frage

"Verstößt die Begründung eines Dienstausübungsverbots mit dem Ansehen des Dienstherrn in der Öffentlichkeit gegen rechtsstaatliche Grundsätze, wenn aus der Sphäre des Dienstherrn selbst erst die Öffentlichkeit informiert wurde?"

nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung. Zum einen hat das Truppendienstgericht das Vorliegen von "zwingenden dienstlichen Gründen" im Sinne von § 22 Satz 1 SG doppelt bzw. alternativ begründet, nämlich sowohl mit einer Schädigung des Ansehens der Bundeswehr als auch mit einer Gefährdung bzw. Störung des Dienstbetriebs; insofern würde sich auch dann, wenn die Frage zu bejahen wäre, nichts am Ergebnis der Entscheidung ändern (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 144 Abs. 4 VwGO ; zur entsprechenden Anwendbarkeit von § 144 Abs. 4 VwGO im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2022 - 1 WNB 4.22 - NZWehrr 2022, 261 m. w. N.). Zum anderen enthält die Entscheidung keine tatsächlichen Feststellungen dahingehend, dass die Öffentlichkeit selbst erst aus der Sphäre des Dienstherrn informiert worden wäre. Im Übrigen hängt auch die Beantwortung dieser Frage von den Umständen des Einzelfalls ab; sie ist deshalb keine Rechtsfrage, die einer allgemeinen Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren zugänglich wäre.

2. Die mit der Divergenzrüge (§ 22a Abs. 2 Nr. 2 WBO ) außerdem geltend gemachte Abweichung von dem (Kammer-)Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2002 - 1 BvR 232/97 - (NJW 2003, 660 ) ist nicht prozessordnungsgemäß dargelegt.

Nach der Rechtsprechung des Senats setzt der Zulassungsgrund der Divergenz voraus, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, den angefochtenen Beschluss tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in einer genau bezeichneten Entscheidung eines Wehrdienstgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz, der sich auf dieselbe Rechtsvorschrift bezieht, widersprochen hat (vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2023 - 1 WNB 4.23 - juris Rn. 9 m. w. N.).

Die Beschwerdebegründung entnimmt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die für die Überprüfung zivil- und strafrechtlicher Sanktionen geltende Auslegungsregel, dass es das Grundrecht der Meinungsfreiheit verletze, wenn ein Gericht bei mehrdeutigen Äußerungen die zu einer Verurteilung führende Bedeutung zugrunde lege, ohne vorher andere mögliche Deutungen, die nicht völlig fern liegen, mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen zu haben, und macht geltend, dass diese Auslegungsregel auch auf Disziplinarverfahren und auf die dem Antragsteller vorgeworfene Tathandlung anzuwenden sei. Die Beschwerde benennt jedoch keinen bestimmten, den angefochtenen Beschluss tragenden abstrakten Rechtssatz, mit dem das Truppendienstgericht der Auslegungsregel des Bundesverfassungsgerichts widersprochen hätte. Soweit sich der Antragsteller im Übrigen gegen die Deutung der Arm- und Handbewegung als "Hitlergruß" wendet, betrifft dies die Rechtsanwendung im Einzelfall, deren (behauptete) Fehlerhaftigkeit nicht mit der Divergenzrüge geltend gemacht werden kann (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. September 2012 - 1 WNB 1.12 - juris Rn. 8 und vom 17. Februar 2020 - 1 WNB 4.19 - juris Rn. 12).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO .