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BVerwG - Entscheidung vom 24.01.2024

11 A 8.23

Normen:
VwGO § 50 Abs. 1 Nr. 6

Fundstellen:
NVwZ-RR 2024, 262

BVerwG, Beschluss vom 24.01.2024 - Aktenzeichen 11 A 8.23

DRsp Nr. 2024/2179

Bestimmen der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts i.R.e. Planfeststellungsverfahrens

Tenor

Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Entscheidung des Rechtsstreits sachlich zuständig.

Normenkette:

VwGO § 50 Abs. 1 Nr. 6 ;

Gründe

I

Der Kläger wendet sich gegen eine Anordnung zur Duldung von Vorarbeiten für die Planung einer Höchstspannungsleitung. Er ist Eigentümer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke, die im von der Bundesnetzagentur festgelegten Trassenkorridor für die Bundesbedarfsplanvorhaben Nr. 3 und 4 (Brunsbüttel - Großgartach und Wilster - Bergrheinfeld/West) liegen. Die Vorhabenträgerin kündigte dem Kläger an, auf seinen Grundstücken Baugrunduntersuchungen für die weitere Planung durchzuführen. Nachdem der Kläger mehrfach das Betreten der Grundstücke verweigert hatte, gab die Beklagte dem Kläger mit Anordnung vom 28. März 2023 auf der Grundlage von § 18 Abs. 5 NABEG i. V. m. § 44 Abs. 2 Satz 2 EnWG auf, die vorgesehenen Arbeiten zu dulden. Der Kläger legte Widerspruch ein und verweigerte weiterhin das Betreten seiner Grundstücke. Ab dem 17. Mai 2023 duldete der Kläger die Durchführung der angeordneten Maßnahmen unter Aufrechterhaltung seines Widerspruchs. Die Baugrunduntersuchungen wurden spätestens am 22. Juni 2023 abgeschlossen. Mit Bescheid vom 29. Juni 2023 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Duldungsanordnung zurück. Am 28. Juli 2023 hat der Kläger Klage gemäß der Rechtsbehelfsbelehrung zum Bundesverwaltungsgericht erhoben.

II

Die Vorabentscheidung über die sachliche Zuständigkeit ergeht auf der Grundlage des § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 3 Satz 1 GVG .

Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich aus § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO . Hiernach entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren für Vorhaben betreffen, die im Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) bezeichnet sind. Die Höchstspannungsleitungen Brunsbüttel - Großgartach und Wilster - Bergrheinfeld/West sind in § 1 Abs. 1 des BBPlG i. V. m. der Anlage zu § 1 Abs. 1 des Bundesbedarfsplans unter Nr. 3 und 4 genannt.

Der Rechtsstreit betrifft in diesem Sinne das Planfeststellungsverfahren für die genannten Vorhaben. Im Hinblick auf den Zweck der Zuständigkeitsregelung, die Verwirklichung von Infrastrukturvorhaben zu beschleunigen und divergierende Entscheidungen zu vermeiden, werden von dieser Vorschrift alle Verfahren erfasst, die einen unmittelbaren Bezug zu konkreten Planfeststellungsverfahren oder Plangenehmigungsverfahren für Vorhaben nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO haben (BVerwG, Beschlüsse vom 9. Oktober 2012 - 7 VR 10.12 - NVwZ 2013, 78 Rn. 5 und vom 9. Mai 2019 - 4 VR 1.19 - Buchholz 310 § 44a VwGO Nr. 17 Rn. 13) und damit Teil der genehmigungsrechtlichen Bewältigung des Vorhabens sind. Das ist etwa dann der Fall, wenn um Maßnahmen gestritten wird, die zeitlich und sachlich der späteren Planfeststellung oder Plangenehmigung vorausgehen, indem sie der Vorbereitung eines solchen Verfahrens dienen oder einen Ausschnitt der Probleme darstellen, die in einem laufenden Planfeststellungsverfahren zu lösen sind (BVerwG, Beschlüsse vom 12. Juni 2007 - 7 VR 1.07 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 25 Rn. 8 und vom 9. Oktober 2012 - 7 VR 10.12 - NVwZ 2013, 78 Rn. 5 m. w. N.). Dazu gehören auch Duldungsanordnungen gemäß § 18 Abs. 5 NABEG i. V. m. § 44 Abs. 2 Satz 2 EnWG (BVerwG, Beschlüsse vom 17. Februar 2020 - 4 VR 1.20 - Buchholz 451.17 § 44 EnWG Nr. 2 und vom 4. Dezember 2020 - 4 VR 4.20 - juris Rn. 6; vgl. auch Beschluss vom 21. März 2022 - 7 VR 1.22 - juris Rn. 4 zu entsprechenden eisenbahnrechtlichen Regelungen).

Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - das gerichtliche Streitverfahren erst eingeleitet wird, nachdem die zu duldenden Maßnahmen bereits durchgeführt sind und die angegriffene Duldungsanordnung nur noch Bedeutung als Grundlage für einen Kostenbescheid etwa nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, Abs. 3a Satz 2 NABEG (Titelfunktion) hat. Für die Frage der sachlichen Zuständigkeit ist maßgeblich, dass nach der gesetzlichen Vorgabe in § 18 Abs. 5 NABEG i. V. m. § 44 EnWG solche Maßnahmen generell zur Vorbereitung der Planung und der Baudurchführung eines Vorhabens notwendig und bereits deshalb als Teil seiner genehmigungsrechtlichen Bewältigung anzusehen sind. Eine weitere Unterscheidung danach, ob im konkreten Fall die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts noch der Beschleunigung der Verwirklichung des Vorhabens dienen kann, ist in § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO nicht angelegt. Sie würde wegen Abgrenzungsproblemen auch dem Grundsatz widersprechen, dass Zuständigkeitsregelungen klar und eindeutig sein sollen.

Fundstellen
NVwZ-RR 2024, 262