Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 19.02.2024

B 10 ÜG 4/23 BH

Normen:
SGG § 202 S. 1
ZPO § 78b Abs. 1

BSG, Beschluss vom 19.02.2024 - Aktenzeichen B 10 ÜG 4/23 BH

DRsp Nr. 2024/5944

Nichtzulassung der Revision in einem Verfahren wegen der Forderung einer höheren Geldentschädigung für die Dauer eines beim SG geführten Verfahrens

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 9. Mai 2023 einen Notanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 202 S. 1; ZPO § 78b Abs. 1 ;

Gründe

I

Der Kläger begehrt in der Hauptsache eine höhere Geldentschädigung für die Dauer eines beim SG geführten Verfahrens.

Das LSG als Entschädigungsgericht hat dem Kläger nach § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 198 GVG eine Entschädigung iH von 5100 Euro zugesprochen und die weitergehende Klage abgewiesen. Das SG sei während 63 von 83 Kalendermonaten des Ausgangsverfahrens inaktiv gewesen. Abzüglich der dem SG zuzubilligenden regelhaften zwölfmonatigen Vorbereitungs- und Bedenkzeit seien 51 Kalendermonate entschädigungspflichtig (Urteil vom 9.5.2023).

Gegen das ihm am 30.6.2023 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31.7.2023 (Montag) beim BSG einen Antrag auf Rechtsanwaltsbeiordnung für die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde gestellt, weil er sich zuvor erfolglos um einen Anwalt bemüht habe.

II

1. Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Entschädigungsgerichts vom 9.5.2023 einen Notanwalt beizuordnen, ist abzulehnen. Nach § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 78b Abs 1 ZPO hat das Prozessgericht, insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, einem Beteiligten auf seinen Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen, wenn er einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Der Senat lässt dahingestellt, ob im Fall des Klägers die von der Rechtsprechung zum Tatbestandsmerkmal des "Nicht-Findens" entwickelten Voraussetzungen erfüllt sind (vgl hierzu BSG Beschluss vom 23.3.2016 - B 1 KR 14/16 B - juris RdNr 6 mwN). Eine Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin gegen das Urteil des Entschädigungsgerichts erscheint bei der gebotenen summarischen Prüfung ähnlich dem Verfahren der Prozesskostenhilfe (PKH; vgl § 73a Abs 1 Satz 1 SGG , § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO ) jedenfalls aussichtslos.

Im Unterschied zur PKH ist der Entscheidungsmaßstab für die Beiordnung eines Notanwalts allerdings nicht eine hinreichende Erfolgsaussicht, sondern "Aussichtslosigkeit" als solche (siehe zu dieser Differenzierung Keller jurisPR-SozR 9/2018 Anm 5). Aussichtslosigkeit besteht, wenn ein günstiges Ergebnis auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden kann. Diese Einschränkung der gerichtlichen Beiordnung eines Notanwalts soll einen Rechtsanwalt, der die Verantwortung für den Inhalt und die Fassung seiner Schriftsätze trägt, vor einer ihm nicht zumutbaren Vertretung in von vornherein aussichtslosen Sachen bewahren. Bei einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Urteil des LSG liegt eine solche Aussichtslosigkeit vor, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen der in § 160 Abs 2 SGG enumerativ aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung (Divergenz), Verfahrensmangel - offenbar nicht vorliegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 16.2.2023 - B 7 AS 146/22 B - juris RdNr 3 mwN). Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat, ist im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zulässig und kann daher nicht deren Erfolgsaussichten begründen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 13.7.2018 - B 9 V 19/18 B - juris RdNr 8 mwN).

Nach summarischer Prüfung liegt offenbar keiner der in § 160 Abs 2 SGG genannten Gründe für die Zulassung der Revision vor. Die Revision darf danach nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat 160 Abs 2 Nr 1 SGG ), das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann 160 Abs 2 Nr 3 SGG ). Es stellen sich im vorliegenden Verfahren keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Anhaltspunkte dafür, dass eine Divergenzrüge 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) Aussicht auf Erfolg versprechen könnte, bestehen ebenso wenig.

Vielmehr hat das Entschädigungsgericht seinem Urteil ausdrücklich und konsequent die Rechtsprechung des BSG zum Anspruch auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer nach § 198 GVG zugrunde gelegt (vgl zB BSG Urteil vom 24.3.2022 - B 10 ÜG 4/21 R - BSGE 134, 32 = SozR 4-1720 § 198 Nr 21, RdNr 15 ff mwN). Zwar ist das Entschädigungsgericht damit hinter dem Begehren des Klägers zurückgeblieben. Diese Abweichung ergibt sich indes allein aus der Bestimmung der "aktiven" und "inaktiven" Monate des Ausgangsverfahrens durch das Entschädigungsgericht und damit aus dessen Rechtsanwendung gerade im Einzelfall des Klägers. Diese kann aber von vornherein nicht zulässig mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen werden (vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 9.5.2022 - B 9 SB 75/21 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 26.1.2017 - B 9 V 72/16 B - juris RdNr 14).

Ebenso wenig ersichtlich ist ein Verfahrensfehler des Entschädigungsgerichts, der nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Revisionszulassung führen könnte.

2. Die Entscheidung ergeht kostenfrei ( BSG Beschluss vom 9.3.2021 - B 1 KR 9/20 BH - juris RdNr 22 mwN).

Vorinstanz: LSG Schleswig-Holstein, vom 09.05.2023 - Vorinstanzaktenzeichen L 12 SF 37/21