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BSG - Entscheidung vom 10.01.2024

B 5 R 42/23 BH

Normen:
SGG § 73a Abs. 1 S. 1
ZPO § 114

BSG, Beschluss vom 10.01.2024 - Aktenzeichen B 5 R 42/23 BH

DRsp Nr. 2024/5804

Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung; Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhillfe

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. September 2023 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 73a Abs. 1 S. 1; ZPO § 114 ;

Gründe

I

Der 1969 geborene Kläger begehrt im zugrunde liegenden Rechtsstreit eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte lehnte seinen erneuten Rentenantrag vom 31.5.2018 nach Einholung eines Gutachtens beim Psychiater und Psychotherapeuten L ab (Bescheid vom 27.11.2018; Widerspruchsbescheid vom 25.2.2019). Das SG hat ein Gutachten beim Neurologen und Psychiater H vom 17.5.2021 mit ergänzender Stellungnahme vom 31.8.2021 eingeholt. Auf dessen Grundlage hat es die Beklagte zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1.12.2021 bis zum 30.11.2024 verurteilt (Gerichtsbescheid vom 1.2.2022). Im dagegen von der Beklagten angestrengten Berufungsverfahren hat das LSG ein Gutachten beim Psychiater und Psychotherapeuten B vom 3.5.2023 mit ergänzender Stellungnahme vom 13.7.2023 eingeholt. Mit Urteil vom 27.9.2023 hat es die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Beim Kläger bestehe trotz seiner seelischen Erkrankung ein Leistungsvermögen für mindestens sechs Stunden täglich. Das ergebe sich überzeugend aus den insoweit übereinstimmenden Gutachten des Sachverständigen B und des L. Der abweichenden Einschätzung des Sachverständigen H sei nicht zu folgen.

Das Berufungsurteil ist dem Kläger am 5.10.2023 zugestellt worden. Am 6.11.2023, einem Montag, hat er beim BSG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und sinngemäß auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse liegt vor.

II

1. Der PKH-Antrag des Klägers ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs 1 Satz 1 Zivilprozessordnung ( ZPO ) kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dies ist hier nicht der Fall. Die angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde verspricht keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Es ist nicht zu erkennen, dass ein vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter 73 Abs 4 SGG ) zur erfolgreichen Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde in der Lage wäre. Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die angegriffene Entscheidung von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein bestimmter Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach summarischer Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Verfahrensakten auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht ersichtlich. Damit entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (vgl § 73a Abs 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 121 Abs 1 ZPO ).

a) Dass dem Verfahren eine grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zukommt, ist nicht zu erkennen. Es stellt sich keine Rechtsfrage, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer weiteren Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es existiert bereits eine umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Voraussetzungen einer teilweisen bzw vollen Erwerbsminderung iS des § 43 Abs 1 Satz 1 Nr 1 i.V.m. Satz 2 bzw Abs 2 Satz 1 Nr 1 i.V.m. Satz 2 SGB VI (vgl zB ausführlich BSG Urteil vom 11.12.2019 - B 13 R 7/18 R - BSGE 129, 274 = SozR 4-2600 § 43 Nr 22, RdNr 14 ff mwN).

b) Dass das LSG in dem angefochtenen Urteil vom 27.9.2023 iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG in entscheidungserheblicher Weise von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen ist, ist nicht zu erkennen.

c) Es ist kein rügefähiger Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG , auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, ersichtlich. Insbesondere begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das LSG durch den Berichterstatter als Einzelrichter 155 Abs 3 und 4 SGG ) und durch Urteil ohne mündliche Verhandlung 153 Abs 1 i.V.m. § 124 Abs 2 SGG ) über die Berufung entschieden hat. Die Beteiligten haben mit Erklärungen vom 23.5.2023 und 14.8.2023 zu beidem das erforderliche Einverständnis erteilt. Umstände, unter denen eine Entscheidung durch den sog konsentierten Einzelrichter ermessensfehlerhaft sein könnte (vgl hierzu grundlegend BSG Urteil vom 8.11.2007 - B 9/9a SB 3/06 R - BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, RdNr 22; differenzierend zB BSG Urteil vom 29.6.2023 - B 1 KR 23/22 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, juris RdNr 9 f), sind hier nicht zu erkennen. Ebenso wenig gibt es Anhaltspunkte dafür, dass der Verzicht des Klägers auf eine mündliche Verhandlung durch eine nachfolgende wesentliche Änderung der Prozesssituation (vgl hierzu zB BSG Beschluss vom 31.8.2021 - B 5 R 151/21 B - juris RdNr 16 mwN) unwirksam geworden sein könnte.

Der Kläger wendet sich im Kern gegen die Beweiswürdigung im Einzelfall, indem er vorbringt, er sei nicht annähernd so leistungsfähig, wie vom LSG angenommen. Die Beweiswürdigung ist jedoch einer Rüge im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ausdrücklich entzogen 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ).

Vorinstanz: SG Berlin, vom 01.02.2022 - Vorinstanzaktenzeichen 17 R 798/19
Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 27.09.2023 - Vorinstanzaktenzeichen 2 R 58/22