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BSG - Entscheidung vom 18.01.2024

B 8 SO 47/23 BH

Normen:
SGG § 73a Abs. 1 S. 1
ZPO § 114

BSG, Beschluss vom 18.01.2024 - Aktenzeichen B 8 SO 47/23 BH

DRsp Nr. 2024/3687

Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Nichtzulassungsbeschwerde

Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG stattzugeben, sofern die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Dies ist zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführte Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Verfahrensbevollmächtigten erfolgreich geltend gemacht werden könnte, da lediglich diese Gründe die Zulassung der Revision herbeiführen können.

Tenor

Die Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. Juli 2023 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 73a Abs. 1 S. 1; ZPO § 114 ;

Gründe

I

Der Kläger begehrt die Fortführung eines Berufungsverfahrens mit der Begründung, bei Abschluss eines Vergleichs, mit dem die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen zu sein.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger im Jahr 2014 die Übernahme von Bestattungskosten nach § 74 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ( SGB XII ) in Höhe von 1813 Euro und zahlte diesen Betrag aus. In der Folge hob er diese Bewilligung auf und forderte 1813 Euro vom Kläger zurück (Bescheid vom 22.10.2015; Widerspruchsbescheid vom 26.4.2016). Die Klage hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des Sozialgerichts <SG> Berlin vom 16.2.2018). Im Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg führten schriftliche Vergleichsverhandlungen zu einem Vergleichsvorschlag der Berichterstatterin in Form eines Beschlusses, den die Beteiligten, der Kläger vertreten durch einen Rechtsanwalt, annahmen (Beschluss vom 19.4.2022; Annahmeerklärungen vom 20.4.2022 und vom 25.4.2022). Im Ergebnis dieses Vergleichs war ua die Rückforderung auf 1513 Euro reduziert worden. Nachdem der Beklagte den Kläger zur Zahlung aufgefordert hatte, beantragte der Kläger beim LSG sinngemäß die Feststellung, dass das Berufungsverfahren nicht durch Vergleich beendet und das Verfahren mit dem bisherigen Antrag fortzusetzen sei. Das LSG hat festgestellt, dass der ursprünglich anhängige Rechtsstreit durch den angenommenen Prozessvergleich vom 19.4.2022 beendet ist (Urteil vom 20.7.2023).

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und beantragt zugleich die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung eines anderen Anwalts.

II

Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG> i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung <ZPO>); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten 73 Abs 4 SGG ) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen.

Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu 160 Abs 2 Nr 1 SGG ); denn sie wirft keine Rechtsfrage auf, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Wegen der Voraussetzungen für das Zustandekommen eines gerichtlichen Vergleichs nach § 101 Abs 1 Satz 2 SGG (in der Fassung des Gesetzes zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze vom 19.10.2013 <BGBl I 3836>) wirft der vorliegende Fall keine Fragen auf, die sich nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lassen (im Einzelnen dazu Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, 14. Aufl 2023, § 101 RdNr 9; Stäbler in jurisPK- SGG , 2. Aufl 2022, Stand 5/2023, § RdNr 19); im Übrigen liegt wegen der Beurteilung der Wirkungen und der Möglichkeiten der Anfechtung eines gerichtlichen Vergleichs umfangreiche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ( BSG ) vor (zusammenfassend etwa BSG vom 7.7.2020 - B 12 KR 18/18 R - RdNr 12 ff). Das LSG ist dieser Rechtsprechung im Einzelnen gefolgt, sodass auch nicht ersichtlich ist, dass eine Divergenzrüge 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) Aussicht auf Erfolg haben könnte.

Es ist auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte. Nach Aktenlage und auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers erweist sich die Entscheidung des LSG, die Erledigung des ursprünglichen Rechtsstreits durch Vergleich festzustellen und nicht in der Sache zu entscheiden, als zutreffend. Wie das LSG dargelegt hat, kann sich aufgrund der Doppelnatur eines gerichtlichen Vergleichs dessen Unwirksamkeit entweder daraus ergeben, dass der materiell-rechtliche Vertrag nichtig oder wirksam angefochten ist oder die zum Abschluss des Vergleichs notwendigen Prozesshandlungen nicht wirksam vorgenommen sind. Es ergeben sich indes keine Hinweise, dass der Vergleich nicht wirksam zustande gekommen sein könnte und insbesondere keine wirksame Zustimmungserklärung des Klägers durch eine entsprechende Erklärung seines Rechtsanwalts vorliegt. Auch der Kläger zweifelt nicht an, dass er durch den Prozessbevollmächtigten bei Abgabe der Willenserklärung vertreten war. Er macht vielmehr geltend, der Rechtsanwalt habe seine Vorgaben, dem Vergleich nur zuzustimmen, wenn ihm - dem Kläger - keine Kosten entstehen, nicht zutreffend umgesetzt. Hierauf kann er sich nicht mit Erfolg berufen; denn der Prozessbevollmächtigte hat auf Grundlage der Feststellungen des LSG innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht gehandelt (vgl § 164 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>). Dass der Prozessbevollmächtigte sich über die Bedeutung und Tragweite der Erklärung für den Kläger geirrt hätte, ist nicht erkennbar. Selbst wenn der Prozessbevollmächtigte fälschlich davon ausgegangen sein sollte, im Sinne des Klägers zu handeln, führt ein solcher Motivirrtum nicht zur Möglichkeit der Anfechtung.

Mit der Ablehnung der PKH entfällt auch die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten im Rahmen der PKH 73a Abs 1 SGG i.V.m. § 121 Abs 1 ZPO ).

Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen, folglich nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach § 73 Abs 4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach § 160a Abs 4 Satz 1 SGG i.V.m. § 169 Satz 3 SGG ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: SG Berlin, vom 16.02.2018 - Vorinstanzaktenzeichen S 146 SO 2235/15
Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 20.07.2023 - Vorinstanzaktenzeichen L 15 SO 210/22 WA