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BGH - Entscheidung vom 12.01.2024

AnwZ (Brfg) 37/23

Normen:
VwGO § 55d S. 1

BGH, Beschluss vom 12.01.2024 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 37/23

DRsp Nr. 2024/3674

Elektronische Antragstellung der Zulassung der Berufung; Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

Nach § 55d Satz 1 VwGO ist auch der Antrag auf Zulassung der Berufung durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts als elektronisches Dokument zu übermitteln. Dem genügt die Übermittlung durch Telefax nicht.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das am 3. Juli 2023 verkündete Urteil des 1. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 55d S. 1;

Gründe

I.

Der Kläger ist im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Urteil vom 19. Mai 2021 verurteilte das Landgericht L. den Kläger wegen Parteiverrats zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist rechtskräftig. Die Beklagte widerrief mit Bescheid vom 20. Oktober 2022 die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft, weil er infolge der strafgerichtlichen Verurteilung die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter verloren hat (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 BRAO , § 45 Abs. 1 StGB ). Die hiergegen gerichtete Klage hat der Bayerische Anwaltsgerichtshof mit Urteil vom 3. Juli 2023, dem Kläger zugestellt am 26. August 2023, als unbegründet abgewiesen. Mit per Telefax eingereichtem Schriftsatz vom 26. September 2023 beantragt der Kläger nunmehr die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

Der Senat hat den Kläger mit Verfügung vom 17. Oktober 2023 auf Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags auf Zulassung der Berufung hingewiesen, weil der Kläger den Zulassungsantrag nicht als elektronisches Dokument eingereicht hat. Er, der Kläger, erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 13. November 2023. Mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2023 hat der Kläger sodann beantragt, die Frist zur Begründung des Zulassungsantrags bis zum 27. November 2023 zu verlängern. Der Senat hat diesem Antrag unter Hinweis darauf, dass es sich dabei um eine nicht verlängerbare Frist handelt, nicht entsprochen. Auch insoweit erhielt der Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist gemäß § 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1, § 55d Satz 1 VwGO sowie § 124a Abs. 5 Satz 1, § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO als unzulässig zu verwerfen, da der Kläger seinen Antrag auf Zulassung der Berufung nicht elektronisch gestellt hat.

a) Nach § 55d Satz 1 VwGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen - wie der hiesige Antrag auf Zulassung der Berufung (vgl. Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO , 5. Aufl., § 124a Rn. 151 mwN) -, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Dem genügte die Übermittlung durch Telefax am 26. September 2023 nicht.

Soweit der Kläger insoweit eine Verletzung des Art. 6 EMRK rügt, reicht sein Recht auf ein faires Verfahren jedenfalls nicht so weit, dass verhältnismäßige (vgl. BVerfG, NJW 2018, 288 Rn. 8 ff.) zwingende nationale Formvorschriften unangewendet zu bleiben hätten. Auch der Umstand, dass eine aktive Nutzungspflicht des Elektronischen Gerichts- und Behördenpostfachs - analog zur aktiven Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs - für Gerichte (jedenfalls noch) nicht besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juli 2023 - AnwZ (Brfg) 31/22, juris Rn. 26), rechtfertigt - entgegen der Auffassung des Klägers - keine abweichende Beurteilung.

b) Selbst wenn man den Schriftsatz vom 26. Oktober 2023, in dem der Kläger auf seinen formunwirksamen Zulassungsantrag vom 26. September 2023 verwiesen hat, als konkludente Wiederholung dieses Antrags verstehen wollte, vermochte dies den Formverstoß nach § 55d VwGO bereits deshalb nicht zu heilen, weil die Frist, innerhalb derer die Zulassung der Berufung zu beantragen gewesen wäre, bereits am 26. September 2023 abgelaufen ist.

Die Monatsfrist zur Beantragung der Zulassung der Berufung nach § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 1 VwGO ist durch die Zustellung des vollständigen Urteils am 26. August 2023 in Gang gesetzt worden, weil - entgegen der Auffassung des Klägers - die Rechtsmittelbelehrung im angegriffenen Urteil nicht unrichtig war (vgl. § 112e Satz 2 BRAO , § 125 Abs. 1 Satz 1, § 58 Abs. 1 , 2 Satz 1 VwGO ). Anders als der Kläger meint, muss die Rechtsmittelbelehrung auf die Nutzungspflicht nach § 55d VwGO nicht hinweisen. So ist etwa auch auf die Formvorschrift, den Widerspruch schriftlich oder zur Niederschrift zu erheben (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO ), nicht zwingend hinzuweisen (BVerwG, NJW 1979, 1670 ). Für andere Formvorschriften gilt nichts anderes (vgl. BeckOK VwGO/Kimmel, 67. Edition, § 58 Rn. 19). Eine Hinweispflicht ergibt sich auch nicht aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 , Art. 20 Abs. 3 GG bzw. Art. 6 EMRK ), zumal § 55d VwGO nur auf Rechtsanwälte, Behörden und vertretungsberechtigte Personen - und damit nicht auf den juristischen Laien - Anwendung findet.

Auch eine - nicht beantragte - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 112e Satz 2 BRAO , § 125 Abs. 1 Satz 1, § 60 VwGO kommt hier nicht in Betracht, da der Kläger jedenfalls nicht ohne Verschulden daran gehindert war, den Zulassungsantrag rechtzeitig formgerecht einzureichen.

2. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wäre indes auch unbegründet. Soweit der Kläger rügt, das Urteil des Anwaltsgerichtshofs verletze ihn in Grund- und Menschenrechten, und damit offenbar den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 5 Satz 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) anspricht, liegt dieser nicht vor.

Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 5 Satz 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 24. Oktober 2022 - AnwZ (Brfg) 20/22, juris Rn. 3 mwN). Entsprechende Zweifel legt der Kläger nicht dar.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 154 Abs. 2 VwGO , die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO .

Vorinstanz: AnwGH Bayern, vom 03.07.2023 - Vorinstanzaktenzeichen BayAGH I - 1 - 16/22