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BGH - Entscheidung vom 13.02.2024

5 StR 443/23

Normen:
StGB a.F. § 241
StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1

BGH, Beschluss vom 13.02.2024 - Aktenzeichen 5 StR 443/23

DRsp Nr. 2024/3754

Begehung der räuberischen Erpressung unter Einsatz eines Messers als Tatmittel; Beschränkung des Verfahrens aus prozessökonomischen Gründen auf den Vorwurf der versuchten Nötigung

1. Wird eine räuberische Erpressung unter Einsatz eines Messers begangen, liegt eine besonders schwere räuberische Erpressung vor. 2. Eine Gesetzeseinheit in Form der Konsumtion ist grundsätzlich nur anzunehmen, wenn der Unrechtsgehalt einer Handlung durch einen der anzuwendenden Straftatbestände bereits erschöpfend erfasst wird. Nicht klar ist, ob eine Bedrohung auch hinter einer nur versuchten Nötigung zurücktritt, wenn die Nötigungshandlung in einer Bedrohung mit einem gegen den Genötigten gerichteten Verbrechen besteht. Denn für die Bedrohung mit einem Verbrechen wurde die Strafrahmenobergrenze erhöht, und es werden unterschiedliche Rechtsgüter geschützt, nämlich die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung bei § 240 StGB und der subjektive Rechtsfrieden des Einzelnen bei § 241 StGB .

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 6. Juni 2023 wird

a)

das Verfahren im Fall II.2 der Urteilsgründe auf den Vorwurf der versuchten Nötigung beschränkt;

b)

der Schuldspruch des vorgenannten Urteils dahin geändert, dass der Angeklagte der besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung sowie der versuchten Nötigung schuldig ist.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Normenkette:

StGB a.F. § 241 ; StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung und mit schwerer räuberischer Erpressung sowie der versuchten Nötigung in Tateinheit mit Bedrohung schuldig gesprochen, deswegen auf eine Jugendstrafe von vier Jahren erkannt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO .

1. Der Senat hat den Schuldspruch im Fall II.1 der Urteilsgründe dahin berichtigt, dass der Angeklagte der besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung schuldig ist, weil er - wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat - die räuberische Erpressung unter Einsatz eines Messers und damit eines Tatmittels im Sinne von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB beging (vgl. zur nach ständiger Rechtsprechung zutreffenden Tenorierung in diesen Fällen etwa BGH, Beschluss vom 3. September 2009 - 3 StR 297/09, NStZ 2010, 101 mwN).

2. Im Fall II.2 der Urteilsgründe hat der Senat das Verfahren aus prozessökonomischen Gründen mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf den Vorwurf der versuchten Nötigung beschränkt.

a) Der vom Landgericht insoweit ausgesprochenen Verurteilung wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Bedrohung lag zugrunde, dass der Angeklagte durch einen gesondert Verfolgten einem Zeugen einer von ihm und einem Mittäter begangenen gefährlichen Körperverletzung (in Tateinheit mit Bedrohung und besonders schwerer räuberischer Erpressung) eine von dem gesondert Verfolgten auf dessen Mobiltelefon gespeicherte Nachricht zeigen ließ, in der der Angeklagte den Zeugen aufforderte, zu der von ihm beobachteten Tat keine Angaben bei der Polizei zu machen, andernfalls es ihm jedenfalls im Hinblick auf die erlittene gefährliche Körperverletzung so ergehen werde, wie dem Opfer. Der Zeuge ließ sich davon indes nicht beeindrucken.

b) Der Generalbundesanwalt hatte hierzu in seiner Antragsschrift beantragt, den Schuldspruch dahin zu ändern, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen Bedrohung entfalle, weil die Annahme einer tateinheitlichen Bedrohung neben der versuchten Nötigung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum strafrechtlichen Konkurrenzverhältnis dieser beiden Delikte widerstreite.

c) Infolge der mit Zustimmung des Generalbundesanwalts durchgeführten Beschränkung der Strafverfolgung auf den Vorwurf der versuchten Nötigung braucht der Senat nicht mehr zu entscheiden, ob an der zu § 241 StGB in der bis zum 2. April 2021 geltenden Fassung ergangenen Rechtsprechung festzuhalten ist, nach der die Bedrohung auch hinter einer nur versuchten Nötigung zurücktrat, wenn die Nötigungshandlung in einer Bedrohung mit einem gegen den Genötigten gerichteten Verbrechen bestand (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. November 2005 - 1 StR 455/05, NStZ 2006, 342 ; vom 11. März 2014 - 5 StR 20/14 Rn. 4; vom 12. Januar 2022 - 4 StR 389/21 Rn. 7). Er neigt indes - wie zuletzt der 4. Strafsenat (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juli 2022 - 4 StR 220/22, NStZ-RR 2022, 341 ) - zur Annahme von Tateinheit (vgl. auch BGH, Beschluss vom 28. Dezember 2023 - 5 StR 400/23). Das ergibt sich aus Folgendem:

Gesetzeseinheit in Form der Konsumtion ist im Grundsatz nur anzunehmen, wenn der Unrechtsgehalt einer Handlung durch einen der anzuwendenden Straftatbestände bereits erschöpfend erfasst wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 1992 - GSSt 1/92, BGHSt 39, 100 , 108; vom 27. November 2018 - 2 StR 481/17, BGHSt 63, 253 , 258 f. zur Konkurrenz von versuchtem Einbruchdiebstahl und Sachbeschädigung; Urteil vom 24. September 1998 - 4 StR 272/98, BGHSt 44, 196 , 198 zur Konkurrenz von versuchtem Tötungsdelikt und vorsätzlicher Körperverletzung). Dass diese Voraussetzung gegeben ist, erscheint dem Senat aus folgenden Gründen zweifelhaft: Zum einen ist durch das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vom 30. März 2021 (BGBl. I S. 441 ) für die Bedrohung mit einem Verbrechen gemäß § 241 Abs. 2 StGB die Strafrahmenobergrenze auf zwei Jahre erhöht worden. Zum anderen werden von den Tatbeständen unterschiedliche Rechtsgüter geschützt, nämlich die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung bei § 240 StGB einerseits (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 1991 - 1 StR 3/90, BGHSt 37, 350 , 353; BVerfG, Urteil vom 11. November 1986 - 1 BvR 713/83, BVerfGE 73, 206 , 237; so schon RGSt 64, 113, 115) und der subjektive Rechtsfrieden des Einzelnen bei § 241 StGB andererseits (BT-Drucks. 19/17741 S. 37; BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 - 4 StR 419/14, NStZ 2015, 394 , 395; vgl. BverfG, Beschluss vom 19. Dezember 1994 - 2 BvR 1146/94, NJW 1995, 2776 , 2777; vgl. auch LK/Schluckebier, StGB , 13. Aufl., § 241 Rn. 1: seit der Erweiterung des Tatbestandes sei seit dem 3. April 2021 mittelbar auch der offene Diskurs in der demokratischen Gesellschaft und die Bereitschaft zum bürgerschaftlichen Engagement geschützt).

Einer Änderung der Rechtsprechung hätte aber möglicherweise eine Entscheidung des 3. Strafsenats (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2022 - 3 StR 161/22 Rn. 4) entgegengestanden. Der Senat hat deshalb aus prozessökonomischen Gründen zur Vermeidung eines aufwändigen Anfrageverfahrens die Verfahrensbeschränkung angeregt.

d) Der Rechtsfolgenausspruch bleibt von der Schuldspruchänderung unberührt. Der Senat schließt aus, dass die Jugendkammer bei einer Verurteilung im Fall II.2 nur wegen versuchter Nötigung auf eine niedrigere Jugendstrafe erkannt hätte, zumal diese auch für Fall II.1 (besonders schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung) einheitlich verhängt wurde, ihre Höhe ohnehin primär am Erziehungsgedanken ausgerichtet ist und der Angeklagte den Tatbestand der Bedrohung tatsächlich verwirklichte.

3. Die weitergehende Revision erweist sich als unbegründet. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung hat auch mit Blick auf die Revisionsrechtfertigung - insoweit aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen - keinen (weiteren) Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Vorinstanz: LG Zwickau, vom 06.06.2023 - Vorinstanzaktenzeichen 243 Js 11180/23 243 Js 21495/22