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BGH - Entscheidung vom 20.12.2023

XII ZB 258/23

Normen:
FamFG a.F. § 277 Abs. 3 S. 1
BGB a.F. § 1835 Abs. 1 S. 3
FamFG a.F. § 277 Abs. 3 S. 1

Fundstellen:
MDR 2024, 331
FamRZ 2024, 547
NJW 2024, 1418

BGH, Beschluss vom 20.12.2023 - Aktenzeichen XII ZB 258/23

DRsp Nr. 2024/1775

Ausschlussfrist von 15 Monaten für einen Anspruch des berufsmäßigen Verfahrenspflegers auf einen festen Geldbetrag nach § 277 Abs. 3 Satz 1 FamFG a.F.

Der Anspruch des berufsmäßigen Verfahrenspflegers auf einen festen Geldbetrag nach § 277 Abs. 3 Satz 1 FamFG aF unterliegt einer Ausschlussfrist von 15 Monaten.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 19. Juni 2023 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert: 145 €

Normenkette:

FamFG a.F. § 277 Abs. 3 S. 1; BGB a.F. § 1835 Abs. 1 S. 3;

Gründe

I.

Die Rechtsbeschwerde betrifft die Frage, ob für einen Verfahrenspfleger, der das Amt berufsmäßig führt, bei der Abrechnung eines festen Geldbetrages eine Ausschlussfrist von 15 Monaten gilt.

Mit Beschluss vom 16. November 2019 ordnete das Amtsgericht die vorläufige Unterbringung des Betroffenen an, bestellte den Beteiligten zu 1, einen Rechtsanwalt, zum berufsmäßigen Verfahrenspfleger und billigte ihm einen "Pauschalbetrag" in Höhe von 144,79 € zu. Der Beschluss wurde dem Verfahrenspfleger am 18. November 2019 und dem Betroffenen am 21. November 2019 zugestellt.

Mit Schreiben vom 27. Oktober 2022, beim Amtsgericht eingegangen am 28. November 2022, hat der Verfahrenspfleger die Festsetzung und Zahlung des "pauschalen Betrages" beantragt. Das Amtsgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen. Die zugelassene Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Verfahrenspfleger seinen Vergütungsantrag weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass für den Pauschalvergütungsanspruch des Beschwerdeführers die 15-monatige Ausschlussfrist gemäß § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB aF entsprechend anzuwenden und der Anspruch mangels rechtzeitiger Geltendmachung erloschen sei.

2. Dies hält der rechtlichen Überprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.

a) Auf die Vergütungsansprüche des am 16. November 2019 bestellten Verfahrenspflegers für die von ihm im Zeitraum vom 16. bis zum 28. November 2019 entfalteten Tätigkeiten ist das bis zum 31. Dezember 2022 geltende Recht anzuwenden (§ 18 VBVG ; vgl. Senatsbeschluss vom 1. Februar 2023 - XII ZB 104/22 - FamRZ 2023, 793 Rn. 7 mwN; s. auch Senatsbeschluss vom 23. August 2023 - XII ZB 470/21 - juris Rn. 5 mwN zur Betreuervergütung).

b) Gemäß § 318 i.V.m. § 277 Abs. 1 FamFG aF erhält der Verfahrenspfleger Ersatz seiner Aufwendungen nach § 1835 Abs. 1 bis 2 BGB . Nach § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB aF erlöschen die Ersatzansprüche, wenn sie nicht binnen 15 Monaten nach ihrer Entstehung gerichtlich geltend gemacht werden (vgl. Senatsbeschluss vom 1. Februar 2023 - XII ZB 104/22 - FamRZ 2023, 793 Rn. 8 f. mwN).

Neben seinen Aufwendungen erhält der Verfahrenspfleger gemäß § 318 i.V.m. § 277 Abs. 2 Satz 2 FamFG aF eine Vergütung in entsprechender Anwendung der §§ 1 , 2 und 3 Abs. 1 und 2 VBVG aF, wenn die Verfahrenspflegschaft ausnahmsweise berufsmäßig geführt wird. Gemäß § 2 Satz 1 VBVG aF erlischt auch der Vergütungsanspruch, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung beim Familiengericht geltend gemacht wird.

Sowohl der Aufwendungsersatz- als auch der Vergütungsanspruch des berufsmäßig tätigen Verfahrenspflegers erlöschen somit einheitlich, wenn sie nicht binnen 15 Monaten nach ihrer Entstehung bei Gericht geltend gemacht worden sind.

c) Diese Ausschlussfristen erfassen auch einen nach §§ 318 , 277 Abs. 3 FamFG aF zugebilligten festen Geldbetrag.

aa) Nach § 277 Abs. 3 Satz 1 FamFG aF kann das Gericht dem Verfahrenspfleger anstelle des Aufwendungsersatzes und der Vergütung nach § 277 Abs. 1 und 2 FamFG aF einen festen Geldbetrag zubilligen. Anders als die Rechtsbeschwerde meint (im Ergebnis ebenso Prütting/Helms/Fröschle FamFG 6. Aufl. § 277 Rn. 53 f.; Jox/Fröschle/Bartels Praxiskommentar Betreuungs- und Unterbringungsverfahren 4. Aufl. § 277 FamFG Rn. 25; MünchKommFamFG/Schmidt-Recla 3. Aufl. § 277 Rn. 18; Haußleiter/Heidebach FamFG 2. Aufl. § 277 Rn. 5), ist dieser Anspruch (vgl. auch § 277 Abs. 3 Satz 1 FamFG nF: "Pauschale") nicht qualitativ von demjenigen auf Zahlung von Aufwendungsersatz oder Vergütung verschieden. Vielmehr handelt es sich lediglich um eine pauschalierende Zusammenfassung der ansonsten einzeln bestehenden Aufwendungs- und Vergütungsansprüche zwecks Verringerung des Arbeits- und Verwaltungsaufwands für Gerichte und Verfahrenspfleger (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Februar 2021 - XII ZB 485/20 - FamRZ 2021, 886 Rn. 19 mwN).

(1) Dass der feste Geldbetrag nach § 277 Abs. 3 Satz 1 FamFG aF keinen andersartigen Rechtsgrund hat als der Aufwendungsersatz- oder der Vergütungsanspruch und diese lediglich pauschaliert, ergibt bereits die am Gesetzeswortlaut ausgerichtete Auslegung. § 277 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 FamFG aF schließt für den Fall der Gewährung eines festen Geldbetrages "weitergehende Aufwendungsersatz- und Vergütungsansprüche" aus. Dies legt bereits begrifflich nahe, dass der feste Geldbetrag vom Gesetzgeber seinem Rechtsgrund nach als ein Aufwendungsersatz- und/oder Vergütungsanspruch konzipiert ist und diese vollständig abgilt. Der feste Geldbetrag wird daher zu Recht auch als "pauschale Vergütung" bezeichnet (Haußleiter/Heidebach FamFG 2. Aufl. § 277 Rn. 5; ähnlich Sternal/Giers FamFG 21. Aufl. § 277 Rn. 8).

(2) Die systematische und die teleologische Auslegung stützen dieses Ergebnis. Nach § 277 Abs. 5 Satz 1 FamFG aF (jetzt: § 277 Abs. 4 Satz 1 FamFG ) sind "der Aufwendungsersatz und die Vergütung des Verfahrenspflegers [...] stets aus der Staatskasse zu zahlen". Träte der Anspruch aus § 277 Abs. 3 FamFG aF nicht an die Stelle der Ansprüche nach § 277 Abs. 1 und 2 FamFG aF und gälten für ihn nicht die gleichen allgemeinen Regeln, fehlte es für den festen Geldbetrag schon an einer gesetzlichen Schuldnerbestimmung.

bb) Da somit nach der gesetzlichen Konzeption die allgemeinen Regelungen zur Geltendmachung des Aufwendungs- oder Vergütungsanspruchs auch für den festen Geldbetrag nach § 277 Abs. 3 FamFG aF zur Anwendung kommen, gilt dies auch für die einheitliche Ausschlussfrist nach § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB aF, § 2 Satz 1 Halbsatz 1 VBVG aF (ebenso Jurgeleit/Maier Betreuungsrecht 5. Aufl. § 277 FamFG Rn. 20). Alle gerichtlich zu bestellenden Personen wie Vormund, Betreuer, Verfahrenspfleger in Unterbringungs- und Betreuungssachen sowie Umgangspfleger haben bei der Geltendmachung ihrer Aufwendungs- und/oder Vergütungsansprüche eine Ausschlussfrist von 15 Monaten zu beachten. Dies gilt unabhängig sowohl davon, ob sie ihre Tätigkeit berufsmäßig oder ehrenamtlich ausüben, als auch davon, ob sie ihre Ansprüche zunächst gegen den Mündel - bei Ersatzhaftung der Staatskasse - oder direkt gegen die Staatskasse geltend machen (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2016 - XII ZB 464/15 - FamRZ 2017, 231 Rn. 20), und unbeschadet des Umstands, dass bei der Zubilligung eines festen Geldbetrags Darlegungen bzw. Prüfungen zur Zahlungshöhe obsolet sind.

d) Der Anspruch des Verfahrenspflegers auf Festsetzung des ihm zugebilligten festen Geldbetrags für die zwischen dem 16. und dem 28. November 2019 erbrachten Tätigkeiten entstand spätestens mit der Beendigung des Rechtszuges, für den er bewilligt wurde (vgl. auch Senatsbeschluss vom 1. Februar 2023 - XII ZB 104/22 - FamRZ 2023, 793 Rn. 13 ff.). Nachdem der Verfahrenspfleger im ersten Rechtszug mit der die Instanz abschließenden Entscheidung bestellt worden war, endete der für seinen Anspruch maßgebliche Rechtszug mit Ablauf der Beschwerdefrist gemäß § 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG . Der Beschluss des Amtsgerichts vom 16. November 2019 wurde dem Verfahrenspfleger am 18. November 2019 und dem Betroffenen am 21. November 2019 zugestellt. Somit endete die Beschwerdefrist am 5. Dezember 2019. Die spätestens zu dem Zeitpunkt beginnende Frist von 15 Monaten für die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs war bei Eingang des Antrags des Verfahrenspflegers am 28. November 2022 bereits verstrichen.

Vorinstanz: AG Wiesbaden, vom 24.04.2023 - Vorinstanzaktenzeichen 43 XIV 572/19
Vorinstanz: LG Wiesbaden, vom 19.06.2023 - Vorinstanzaktenzeichen 4 T 140/23
Fundstellen
MDR 2024, 331
FamRZ 2024, 547
NJW 2024, 1418