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BGH - Entscheidung vom 12.10.2022

XII ZB 450/21

Normen:
FamFG § 38 Abs. 3 S. 3
FamFG § 117 Abs. 1 S. 4
FamFG § 253
FamFG § 256 S. 2
ZPO § 522 Abs. 1 S. 4
RPflG § 11 Abs. 2
FamFG § 38 Abs. 3 S. 3
FamFG § 117 Abs. 1 S. 4
FamFG § 253
FamFG § 256 S. 2
ZPO § 522 Abs. 1 S. 4
RPflG § 11 Abs. 2
FamFG § 38 Abs. 3 S. 3
FamFG § 117 Abs. 1 S. 4
FamFG § 253
FamFG § 256 S. 2
ZPO § 522 Abs. 1 S. 4
RPflG § 11 Abs. 2

Fundstellen:
FamRB 2023, 48
FamRZ 2023, 212
FuR 2023, 148
MDR 2023, 455
NJW 2023, 152

BGH, Beschluss vom 12.10.2022 - Aktenzeichen XII ZB 450/21

DRsp Nr. 2022/17984

Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde gegen eine Entscheidung betreffend die Verwerfung einer Beschwerde in einem vereinfachten Unterhaltsverfahren; Unterhaltsfestsetzungsbeschluss nach § 253 FamFG ; Erlass einer nicht verkündeten Entscheidung mit der Übergabe des unterzeichneten Beschlusses an die Geschäftsstelle

a) Gegen eine Entscheidung, mit der in einem vereinfachten Unterhaltsverfahren eine Beschwerde verworfen wird, ist die Rechtsbeschwerde zulassungsfrei statthaft.b) Ein Unterhaltsfestsetzungsbeschluss nach § 253 FamFG bedarf, sofern er ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, nicht der Verkündung (Abgrenzung zu Senatsbeschluss vom 25. Januar 2017 - XII ZB 504/15 - FamRZ 2017, 821 ).c) Eine nicht verkündete Entscheidung ist mit der Übergabe des unterzeichneten Beschlusses an die Geschäftsstelle erlassen (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 4. Juli 2018 - XII ZB 240/17 - FamRZ 2018, 1593 und vom 3. November 2021 - XII ZB 289/21 - FamRZ 2022, 189 ).d) Zur (hier verneinten) Frage, ob die durch eine verspätete Geltendmachung von Einwendungen bedingte Unzulässigkeit einer Beschwerde nach § 256 Satz 2 FamFG zur Statthaftigkeit der Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG gegen einen Unterhaltsfestsetzungsbeschluss nach § 253 FamFG führt.

Tenor

Dem Antragsgegner wird gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg vom 20. August 2021 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Die Rechtsbeschwerde gegen den vorgenannten Beschluss wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Wert: 4.630 €

Normenkette:

FamFG § 38 Abs. 3 S. 3; FamFG § 117 Abs. 1 S. 4; FamFG § 253 ; FamFG § 256 S. 2; ZPO § 522 Abs. 1 S. 4; RPflG § 11 Abs. 2 ;

Gründe

A.

Der Antragsgegner wendet sich in einem vereinfachten Unterhaltsverfahren gegen die Verwerfung seiner Beschwerde.

Er ist der Vater der im Juli 2012 geborenen Antragstellerin. Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts hat den vom Antragsgegner für die Antragstellerin zu zahlenden rückständigen und laufenden Kindesunterhalt ohne mündliche Verhandlung mit Beschluss vom 10. März 2021, der am 11. März 2021 an die Geschäftsstelle übergeben worden ist, festgesetzt. Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt und diese allein auf Einwendungen gestützt, die von ihm erstmals am 17. März 2021 geltend gemacht worden sind. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde verworfen. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Rechtsbeschwerde.

B.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

I.

Sie ist allerdings zulässig.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 112 Nr. 1 , 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG , §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auch ohne Zulassung statthaft.

Die Vorschrift des § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG , die mit dem darin enthaltenen Verweis auf § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO bei der Verwerfung einer Beschwerde eine zulassungsfrei statthafte Rechtsbeschwerde anordnet (Senatsbeschluss vom 20. Juni 2018 - XII ZB 285/17 - FamRZ 2018, 1347 Rn. 14), kommt auch in einem vereinfachten Unterhaltsverfahren nach den §§ 249 ff. FamFG - wie dem vorliegenden - zur Anwendung (vgl. OLG Dresden FamRZ 2017, 1244 ; OLG Frankfurt [4. Senat für Familiensachen] Rpfleger 2018, 84 ; OLG Frankfurt [5. Senat für Familiensachen] FamRZ 2018, 115 ; OLG Brandenburg [4. Senat für Familiensachen] FamRZ 2017, 230 ; OLG Jena FamRZ 2015, 1513 ; OLG Saarbrücken [1. Senat für Familiensachen] Beschluss vom 29. Oktober 2020 - 6 WF 140/20 - juris Rn. 3; Zöller/Lorenz ZPO 34. Aufl. § 256 FamFG Rn. 7; BeckOK FamFG/Weber [Stand: 1. April 2022] § 117 Rn. 1; Bahrenfuss/Blank FamFG 3. Aufl. § 117 Rn. 2; Prütting/Helms/Bömelburg FamFG 5. Aufl. § 256 Rn. 34; Langheim in Dutta/Jacoby/Schwab FamFG 4. Aufl. § 256 Rn. 19; aA OLG Brandenburg [5. Senat für Familiensachen] FamRZ 2014, 681 ; MünchKommFamFG/Macco 3. Aufl. § 256 Rn. 10; Wendl/Dose/Schmitz Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 10 Rn. 685; wohl auch OLG Saarbrücken [2. Senat für Familiensachen] FamRZ 2011, 49 ). Denn § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG gilt nach seinem Wortlaut für alle Ehe- und Familienstreitsachen (vgl. Senatsbeschluss vom 27. November 2013 - XII ZB 464/13 - NZFam 2014, 141 Rn. 4). Bei dem vereinfachten Unterhaltsverfahren nach den §§ 249 ff. FamFG handelt es sich gemäß § 231 Abs. 1 Nr. 1 FamFG um eine Unterhaltssache und damit gemäß § 112 Nr. 1 FamFG um eine Familienstreitsache. § 257 FamFG , der besondere Verfahrensvorschriften für das vereinfachte Unterhaltsverfahren vorsieht, enthält keine den § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG modifizierenden Regelungen.

Teleologische oder sich aus der Gesetzgebungsgeschichte ergebende Gründe (vgl. dazu BT-Drucks. 16/6308 S. 372, 412) dafür, dass es in einem vereinfachten Unterhaltsverfahren abweichend von § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG im Fall der Verwerfung einer Beschwerde der Zulassung der Rechtsbeschwerde bedarf, liegen nicht vor. Mit dem in dieser Vorschrift enthaltenen Verweis auf § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO wollte der Gesetzgeber einen Gleichklang mit der Berufung erreichen. Ebenso wie die Verwerfung der Berufung sollte damit auch die entsprechende Entscheidung des Beschwerdegerichts in Ehe- und Familienstreitsachen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden können, ohne dass diese zugelassen sein muss (Senatsbeschluss vom 9. Dezember 2015 - XII ZB 614/14 - FamRZ 2016, 452 Rn. 8). Der Grund dafür, dass bei einer Verwerfung der Berufung (in Ehe- und Familienstreitsachen im Sinne des § 117 Abs. 1 FamFG der Beschwerde) als unzulässig die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde (§§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ) eröffnet ist, ist dabei im Wesentlichen darin zu sehen, dass eine das Rechtsmittel als unzulässig verwerfende Entscheidung der revisions- bzw. rechtsbeschwerdegerichtlichen Nachprüfung stets zugänglich sein soll, damit sich das Berufungs- bzw. Beschwerdegericht nicht unberechtigt einer Sachentscheidung über das Rechtsmittel entziehen kann. Zudem soll damit der Bundesgerichtshof als Revisions- und Rechtsbeschwerdegericht die Möglichkeit erhalten, Einfluss auf die Anwendung und Auslegung der formalen Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Berufung oder Beschwerde zu nehmen (Senatsbeschluss vom 23. Juni 2021 - XII ZB 588/20 - FamRZ 2021, 1729 Rn. 16). Diese Erwägungen gelten auch für das vereinfachte Unterhaltsverfahren.

2. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO liegen wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache vor (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2018 - XII ZB 641/17 - FamRZ 2019, 229 Rn. 16).

II.

In der Sache hat die Rechtsbeschwerde aber keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Die Beschwerde des Antragsgegners sei unzulässig. Sie sei ausschließlich auf Einwendungen nach § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG gestützt. Damit sei der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren jedoch gemäß § 256 Satz 2 FamFG ausgeschlossen. Denn er habe seine Einwendungen trotz der ihm vom Amtsgericht eingeräumten Möglichkeit nicht vor Erlass des Festsetzungsbeschlusses geltend gemacht.

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Nach § 256 Satz 2 FamFG ist eine Beschwerde in einem vereinfachten Unterhaltsverfahren unzulässig, wenn sie sich auf Einwendungen nach § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG stützt, die nicht erhoben waren, bevor der Festsetzungsbeschluss erlassen war. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, dass der Antragsgegner seine Einwendungen rechtzeitig im Sinne von § 256 Satz 2 FamFG , nämlich vor Erlass des Festsetzungsbeschlusses, erhoben habe, weil es mangels Verkündung des Festsetzungsbeschlusses bereits an einem wirksamen Beschlusserlass fehlte. Denn im vorliegenden Fall ist, wovon das Beschwerdegericht zutreffend ausgegangen ist, der Erlass des Festsetzungsbeschlusses mit dessen Übergabe an die Geschäftsstelle am 11. März 2021 erfolgt.

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde war für den Erlass des Festsetzungsbeschlusses dessen Verkündung nicht erforderlich. Zwar geht die Rechtsbeschwerde im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass Entscheidungen in einer - hier vorliegenden - Familienstreitsache grundsätzlich nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 311 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu verkünden sind (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Januar 2017 - XII ZB 504/15 - FamRZ 2017, 821 Rn. 9 mwN). Dies gilt aber nicht für einen Festsetzungsbeschluss nach § 253 FamFG , sofern er - wie hier - ohne mündliche Verhandlung ergangen ist. Dieser Beschluss kann vielmehr durch Übergabe an die Geschäftsstelle erlassen werden (vgl. OLG Bamberg FamRZ 2018, 116 ; Wendl/Dose/Schmitz Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 10 Rn. 671, 674; Schwamb in Bumiller/Harders/Schwamb FamFG 12. Aufl. § 252 Rn. 16; Keidel/Giers FamFG 20. Aufl. § 252 Rn. 13; Zöller/Lorenz ZPO 34. Aufl. § 252 FamFG Rn. 11 und § 253 FamFG Rn. 3; MünchKommFamFG/Macco 3. Aufl. § 252 Rn. 26 und § 256 Rn. 4; Langheim in Dutta/Jacoby/Schwab FamFG 4. Aufl. § 252 Rn. 22).

aa) Das vereinfachte Unterhaltsverfahren, das eine dem Mahnverfahren ähnliche Ausgestaltung hat (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Mai 2008 - XII ZB 34/05 - FamRZ 2008, 1428 Rn. 25), wurde durch das Gesetz zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts minderjähriger Kinder vom 6. April 1998 ( KindUG ; BGBl. I S. 666) mit den Vorschriften der §§ 645 ff. ZPO eingeführt. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte damit ein schnelles Verfahren geschaffen werden, mit dem minderjährige Kinder im Beschlusswege einen Vollstreckungstitel erlangen können (BT-Drucks. 13/7338 S. 36). § 649 Abs. 2 ZPO regelte, dass der Festsetzungsbeschluss ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. In diesem Fall bedurfte er gemäß § 329 ZPO auch nicht der Verkündung (vgl. Zöller/Philippi ZPO 22. Aufl. [2001] § 649 Rn. 3; vgl. auch Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 23. Aufl. [2001] § 649 Rn. 1).

§ 649 Abs. 2 ZPO wurde durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887 , 1905 ) zwar aufgehoben. Als Grund dafür hat der Gesetzgeber aber angegeben, es handle sich hierbei (lediglich) um eine Folgeänderung zur neu geschaffenen Regelung des § 128 Abs. 4 ZPO , die nunmehr als Generalklausel eine fakultative mündliche Verhandlung für alle Entscheidungen vorsehe, die - wie der Festsetzungsbeschluss nach § 649 ZPO - keine Urteile seien (BT-Drucks. 14/4722 S. 69, 120). Auch nach dieser Gesetzesänderung konnte der Festsetzungsbeschluss im vereinfachten Unterhaltsverfahren somit weiterhin - nunmehr nach § 128 Abs. 4 ZPO - ohne mündliche Verhandlung ergehen (vgl. dazu auch Senatsbeschluss vom 2. November 2011 - XII ZB 458/10 - FamRZ 2012, 110 Rn. 33). Eine Entscheidung nach § 128 Abs. 4 ZPO wird, sofern tatsächlich keine mündliche Verhandlung stattfindet, ebenfalls gemäß § 329 ZPO nicht verkündet (vgl. Zöller/Greger ZPO 34. Aufl. § 128 Rn. 18; Saenger/Wöstmann ZPO 9. Aufl. § 128 Rn. 15).

Mithin war nach zivilprozessualen Grundsätzen der Festsetzungsbeschluss nach § 649 ZPO nicht zu verkünden, sofern er ohne mündliche Verhandlung ergangen war.

bb) Daran hat sich durch das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586 ) nichts geändert. Mit diesem Gesetz wurde das vereinfachte Unterhaltsverfahren zwar aus der Zivilprozessordnung herausgelöst und in den §§ 249 ff. FamFG neu geregelt. Ausweislich der Gesetzesbegründung entspricht die Vorschrift des § 253 FamFG , die nunmehr den Festsetzungsbeschluss regelt, aber dem bisherigen § 649 ZPO (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 261).

Gleiches gilt für das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts und des Unterhaltsverfahrensrechts sowie zur Änderung der Zivilprozessordnung und kostenrechtlicher Vorschriften vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2018 ). Mit diesem Gesetz wurden die §§ 252 Abs. 5 , 256 Satz 2 FamFG an die Terminologie des § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG angepasst, um klarzustellen, dass hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit von Einwendungen im vereinfachten Unterhaltsverfahren auf den Zeitpunkt des Erlasses des Festsetzungsbeschlusses abzustellen ist (vgl. BT-Drucks. 18/5918 S. 21). Änderungen hinsichtlich der Verlautbarungsform des Festsetzungsbeschlusses selbst gingen damit aber nicht einher.

cc) Mithin kann der in einem vereinfachten Unterhaltsverfahren ergehende Festsetzungsbeschluss nach § 253 FamFG gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 128 Abs. 4 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergehen (vgl. BeckOK FamFG/Weber [Stand: 1. April 2022] § 253 Rn. 3; Prütting/Helms/Bömelburg FamFG 5. Aufl. § 253 Rn. 5; Fuhrmann/Forbriger in Schulz/Hauß Familienrecht 3. Aufl. § 253 Rn. 4; Haußleiter/Eickelmann FamFG 2. Aufl. § 253 Rn. 7; Langheim in Dutta/Jacoby/Schwab FamFG 4. Aufl. § 253 Rn. 6) und bedarf in diesem Fall auch nicht der Verkündung. Eine nicht verkündete Entscheidung ist nach der Vorschrift des § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG , die nach § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG auch in der vorliegenden Familienstreitsache zur Anwendung kommt (vgl. dazu auch BT-Drucks. 18/5918 S. 21), mit der Übergabe des unterzeichneten Beschlusses an die Geschäftsstelle erlassen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. Juli 2018 - XII ZB 240/17 - FamRZ 2018, 1593 Rn. 9 und vom 3. November 2021 - XII ZB 289/21 - FamRZ 2022, 189 Rn. 10).

Das Beschwerdegericht ist somit zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsgegner seine erstmals am 17. März 2021 bei Gericht eingegangenen Einwendungen nach § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG nicht vor Erlass des Festsetzungsbeschlusses, der bereits am 11. März 2021 erfolgt war, erhoben hat. Aus diesem Grund war die Beschwerde des Antragsgegners, wie das Beschwerdegericht ebenfalls zutreffend erkannt hat, gemäß § 256 Satz 2 FamFG bereits unzulässig (vgl. dazu BT-Drucks. 18/5918 S. 21; OLG Frankfurt [4. Senat für Familiensachen] Rpfleger 2018, 84 ; OLG Dresden FamRZ 2017, 1244 ; OLG Frankfurt [5. Senat für Familiensachen] FamRZ 2018, 115 ).

b) Ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde auch dagegen, dass das Beschwerdegericht die unzulässige Beschwerde des Antragsgegners nicht als Rechtspflegererinnerung im Sinne von § 11 Abs. 2 RPflG behandelt hat.

aa) Allerdings ist streitig, ob eine - wie hier - nach § 256 Satz 2 FamFG unzulässige Beschwerde zur Statthaftigkeit der Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG führt.

Teilweise wird dies unter Verweis auf die Entscheidung des Senats vom 28. Mai 2008 ( XII ZB 104/06 - FamRZ 2008, 1433 ) befürwortet. Die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG gebiete auch in Fällen wie dem vorliegenden, eine richterliche Kontrolle der Entscheidung des Rechtspflegers zu ermöglichen (vgl. OLG Frankfurt [6. Senat für Familiensachen] FamRZ 2015, 1993 ; OLG Naumburg Beschluss vom 31. Mai 2013 - 3 WF 132/13 - juris; OLG Brandenburg [4. Senat für Familiensachen] FamRZ 2012, 1894 ; OLG Köln Beschluss vom 30. März 2012 - 26 UFH 3/12 - juris; OLG Frankfurt [3. Senat für Familiensachen] FamRZ 2012, 465 ; Schwamb in Bumiller/Harders/Schwamb FamFG 12. Aufl. § 256 Rn. 3; Maurer FamRZ 2014, 1053 , 1054).

Überwiegend wird hingegen im Fall der Unzulässigkeit einer Beschwerde nach § 256 Satz 2 FamFG die Rechtspflegererinnerung als nicht statthaft erachtet. Die Vorschrift des § 11 Abs. 2 RPflG erfasse nicht den Fall eines unzulässigen Rechtsmittels infolge einer vom Rechtsmittelführer selbst versäumten Frist. Dies sei auch verfassungsrechtlich nicht geboten (vgl. OLG Frankfurt [8. Senat für Familiensachen] Beschluss vom 27. Februar 2018 - 8 UF 12/18 - juris Rn. 14; OLG Frankfurt [5. Senat für Familiensachen] FamRZ 2018, 115 ; OLG Frankfurt [4. Senat für Familiensachen] Rpfleger 2018, 84 ; OLG Dresden FamRZ 2017, 1244 ; OLG Jena FamRZ 2015, 1513 ; OLG Brandenburg [5. Senat für Familiensachen] FamRZ 2014, 681 ; OLG Bremen FamRZ 2013, 560 ; Wendl/Dose/Schmitz Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 10 Rn. 685; Hintzen in Arnold/Meyer-Stolte/Rellermeyer/Hintzen/Georg RPflG 9. Aufl. § 11 Rn. 128; Keidel/Giers FamFG 20. Aufl. § 256 Rn. 13; Prütting/Helms/Bömelburg FamFG 5. Aufl. § 256 Rn. 32; BeckOK FamFG/Weber [Stand: 1. April 2022] § 252 Rn. 30 und § 256 Rn. 12b; Borth/Grandel in Musielak/Borth FamFG 6. Aufl. § 256 Rn. 4; Bahrenfuss/Blank FamFG 3. Aufl. § 117 Rn. 2; Langheim in Dutta/Jacoby/Schwab FamFG 4. Aufl. § 256 Rn. 21; Zöller/Lorenz ZPO 34. Aufl. § 256 FamFG Rn. 13).

bb) Die letztgenannte Auffassung ist jedenfalls für den hier zu entscheidenden Fall zutreffend.

(1) Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG findet die Erinnerung gegen Entscheidungen des Rechtspflegers, gegen die ein Rechtsmittel nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften nicht eingelegt werden kann, statt. Die Rechtspflegererinnerung ist danach immer dann eröffnet, wenn die Entscheidung, hätte sie ein Richter erlassen, im konkreten Fall unanfechtbar wäre, etwa weil von vornherein kein statthaftes Rechtsmittel gegeben oder ein statthaftes Rechtsmittel aus anderen Gründen unzulässig ist (Senatsbeschluss vom 22. März 2017 - XII ZB 391/16 - FamRZ 2017, 979 Rn. 8).

Die letztgenannte Voraussetzung liegt nach allgemeiner und zutreffender Ansicht nicht vor, wenn die Unzulässigkeit des Rechtsmittels auf die Nichtbeachtung von Form- und Fristerfordernisse durch den Rechtsmittelführer zurückzuführen ist (vgl. OLG Dresden FamRZ 2017, 1244 ; OLG Nürnberg MDR 2005, 534 ; OLG Bremen FamRZ 2013, 560 ; Hintzen in Arnold/Meyer-Stolte/Herrmann/Rellermeyer/Hintzen RPflG 9. Aufl. § 11 Rn. 54; Zöller/Herget ZPO 34. Aufl. § 104 Rn. 15; Musielak/Voit/Flockenhaus ZPO 19. Aufl. § 104 Rn. 22; MünchKommZPO/Schulz 6. Aufl. § 104 Rn. 123; Anders/Gehle/Bünnigmann ZPO 80. Aufl. § 104 Rn. 44).

(2) Gemessen hieran findet die Rechtspflegererinnerung im vorliegenden Fall nicht statt.

Wäre der Festsetzungsbeschluss von einem Richter erlassen worden, hätte es hiergegen nicht von vornherein an einem statthaften Rechtsmittel gefehlt. Denn nach den §§ 256 , 58 FamFG findet gegen den Festsetzungsbeschluss die Beschwerde statt.

Auch die Voraussetzungen, unter denen die Rechtspflegererinnerung eröffnet ist, weil das an sich statthafte Rechtsmittel aus anderen Gründen unzulässig ist, liegen nicht vor. Denn im vorliegenden Fall beruht die Unzulässigkeit der vom Antragsgegner eingelegten Beschwerde ausschließlich darauf, dass er die Ausschlussfrist der §§ 252 Abs. 5 , 256 Satz 2 FamFG für die Geltendmachung von Einwendungen nicht eingehalten hat.

(3) Aus Art. 19 Abs. 4 GG ergibt sich im vorliegenden Fall nichts anderes.

Zwar hat der Senat aus der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG in bestimmten Fällen trotz Fehlens einer ausdrücklichen Regelung die Statthaftigkeit der Rechtspflegererinnerung hergeleitet (vgl. Senatsbeschluss vom 22. März 2017 - XII ZB 391/16 - FamRZ 2017, 979 Rn. 11 ff. mwN; vgl. dazu auch BT-Drucks. 13/10244 S. 7). Diese Notwendigkeit ergibt sich in der vorliegenden Konstellation, anders als die Rechtsbeschwerde meint, jedoch nicht.

(a) Die grundgesetzliche Garantie des Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG umfasst den Zugang zu den Gerichten, die Prüfung des Streitbegehrens in einem förmlichen Verfahren sowie die verbindliche gerichtliche Entscheidung (BVerfGE 107, 395 = FamRZ 2003, 995 , 996). Mit Art. 19 Abs. 4 GG steht es daher nicht im Einklang, wenn hinsichtlich einer Entscheidung des Rechtspflegers einem Beteiligten im Ergebnis jede Möglichkeit einer richterlichen Überprüfung verwehrt wird (vgl. BVerfG FamRZ 2001, 828 ).

Die Rechtsschutzgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG erfordert aber keine voraussetzungslose Zugänglichkeit des Rechtswegs. Die Ausgestaltung der Voraussetzungen und Bedingungen des Zugangs zum Gericht bleibt vielmehr den jeweils geltenden Prozessordnungen überlassen. Dabei kann der Gesetzgeber auch Regelungen treffen, die für ein Rechtsschutzbegehren besondere formelle Voraussetzungen aufstellen und sich dadurch für den Rechtsuchenden einschränkend auswirken. Der Anspruch des Einzelnen auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle darf lediglich nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (BVerfGE 101, 397 = FamRZ 2000, 731 , 733).

(b) Nach diesen Grundsätzen gebietet Art. 19 Abs. 4 GG im vorliegenden Fall nicht die Eröffnung der Rechtspflegererinnerung.

(aa) Die Vorschrift des § 256 Satz 2 FamFG beinhaltet keinen generellen Rechtswegausschluss. Denn sie verwehrt dem Antragsgegner nicht jede Möglichkeit einer richterlichen Überprüfung des Festsetzungsbeschlusses auf Einwendungen nach § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG , sondern schränkt den Zugang zum Beschwerdegericht lediglich dadurch ein, dass die Einwendungen erhoben sein müssen, bevor der Feststellungsbeschluss erlassen war.

Insoweit unterscheidet sich der hier zu entscheidende Fall auch maßgeblich von dem vom Senat am 28. Mai 2008 ( XII ZB 104/06 - FamRZ 2008, 1433 ) entschiedenen, auf den sich die Rechtsbeschwerde stützt. In diesem Fall hatte der Senat die Statthaftigkeit der Rechtspflegererinnerung mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG deshalb bejaht, weil der dortige Antragsteller eines vereinfachten Unterhaltsverfahrens von Anfang an keine Möglichkeit hatte, gegen den Festsetzungsbeschluss eine Beschwerde in zulässiger Weise einzulegen, da ihm mit seinen erhobenen Einwänden von vornherein keine Anfechtungsgründe nach § 652 Abs. 2 ZPO (jetzt: § 256 FamFG ) zur Seite gestanden haben (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Mai 2008 - XII ZB 104/06 - FamRZ 2008, 1433 Rn. 14 ff.). Im vorliegenden Fall hingegen hatte der Antragsgegner die Möglichkeit, eine Beschwerde in zulässiger Weise einzulegen. Denn die Beschwerde kann grundsätzlich auch auf die vom Antragsgegner erhobenen Einwendungen nach § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG gestützt werden. Unzulässig war das Rechtsmittel lediglich deshalb, weil der Antragsgegner seine Einwendungen verspätet im Sinne von § 256 Satz 2 FamFG geltend gemacht hat.

(bb) Die mit der Vorschrift des § 256 Satz 2 FamFG einhergehende Rechtswegerschwerung als solche hat den Anspruch des Antragsgegners auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle auch nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert.

§ 256 Satz 2 FamFG beruht auf dem sachlichen Grund, einem minderjährigen Kind einen einfachen und schnellen Vollstreckungstitel über den Unterhalt zu verschaffen (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Mai 2008 - XII ZB 34/05 - FamRZ 2008, 1428 Rn. 20; Senatsurteil vom 2. Oktober 2002 - XII ZR 346/00 - FamRZ 2003, 304 , 305; BT-Drucks. 16/6308 S. 261 i.V.m. BT-Drucks. 13/7338 S. 36; BT-Drucks. 14/7349 S. 26). Dem Antragsgegner eines vereinfachten Unterhaltsverfahrens, auf den die Rechtswegerschwerung vorwiegend abzielt, steht dabei nach § 253 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 251 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 FamFG vor Erlass des Festsetzungsbeschlusses auch ein ausreichender Zeitraum von jedenfalls einem Monat (vgl. dazu BVerfGE 61, 82 = NJW 1982, 2173 , 2177) zur Verfügung, um Einwendungen nach § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG geltend machen zu können, die er sodann auch in einem richterlichen Rechtsmittelverfahren in zulässiger Weise erheben kann (vgl. dazu OLG Hamburg FamRZ 2021, 1138 ; OLG Celle FamRZ 2012, 141 ). Diese Frist ist vorliegend von der Rechtspflegerin des Amtsgerichts beachtet worden. Ein unverschuldetes Fristversäumnis seitens des Antragsgegners wird mit der Rechtsbeschwerde nicht geltend gemacht.

Daneben stand bzw. steht dem Antragsgegner auch die Möglichkeit zur Verfügung, richterlichen Rechtsschutz gegen den Festsetzungsbeschluss im Wege eines sogenannten Korrekturverfahrens nach § 240 FamFG (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2015 - XII ZB 150/15 - FamRZ 2016, 115 Rn. 4) zu erlangen. Der Gegenstand dieses Korrekturverfahrens ist dabei nicht auf die Abänderung der Entscheidung wegen einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse beschränkt (vgl. Senatsurteil vom 2. Oktober 2002 - XII ZR 346/00 - FamRZ 2003, 304 zu § 654 ZPO ). Vielmehr findet in diesem Verfahren eine Anpassung des vom Rechtspfleger titulierten Unterhalts an den nach den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls geschuldeten Betrag statt (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 258 f. i.V.m. BT-Drucks. 13/7338 S. 43; Keidel/Meyer-Holz FamFG 20. Aufl. § 240 Rn. 2; Prütting/Helms/Bömelburg FamFG 5. Aufl. § 256 Rn. 32). Wird der Antrag auf Herabsetzung des Unterhalts von einem Unterhaltsschuldner innerhalb eines Monats nach Rechtskraft der Unterhaltsfestsetzung erhoben, kann diese gemäß § 240 Abs. 2 Satz 1 FamFG auch rückwirkend abgeändert werden (vgl. Senatsurteil vom 2. Oktober 2002 - XII ZR 346/00 - FamRZ 2003, 304 zu § 654 ZPO ).

In dieser Gesamtschau (vgl. OLG Frankfurt [5. Senat für Familiensachen] FamRZ 2018, 115 ; OLG Frankfurt [4. Senat für Familiensachen] Rpfleger 2018, 84 ; Wendl/Dose/Schmitz Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 10 Rn. 685) ist der Rechtsweg für den Antragsgegner im vorliegenden Fall nicht unzumutbar erschwert. Mithin ist auch die Eröffnung der Rechtspflegererinnerung nicht geboten.

Vorinstanz: AG Halle-Saalkreis, vom 10.03.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 22 FH 1533/20
Vorinstanz: OLG Naumburg, vom 20.08.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 3 WF 62/21
Fundstellen
FamRB 2023, 48
FamRZ 2023, 212
FuR 2023, 148
MDR 2023, 455
NJW 2023, 152