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BGH - Entscheidung vom 04.10.2022

VIII ZA 9/22

Normen:
ZPO § 114
ZPO § 115
BGB § 1360
BGB § 1360a Abs. 4

BGH, Beschluss vom 04.10.2022 - Aktenzeichen VIII ZA 9/22

DRsp Nr. 2022/16428

Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe; Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegen den Ehemann

Tenor

Der Antrag der Kläger, ihnen für eine beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim - 4. Zivilkammer - vom 13. April 2022 Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird abgelehnt.

Normenkette:

ZPO § 114 ; ZPO § 115 ; BGB § 1360 ; BGB § 1360a Abs. 4 ;

Gründe

Die Voraussetzungen, unter denen nach §§ 114 , 115 ZPO die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung zu bestreiten, liegen nicht vor.

1. Im Hinblick auf den Kläger zu 1 übersteigen die voraussichtlichen Kosten der Prozessführung nicht die Summe von vier Monatsraten, die er nach § 115 Abs. 1 , 2 ZPO aufzubringen hätte (§ 115 Abs. 4 ZPO ).

2. Die Klägerin zu 2 erfüllt die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aber deshalb nicht, weil ihr gemäß §§ 1360 , 1360a Abs. 4 BGB ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegen ihren Ehemann, den Kläger zu 1, zusteht. Dieser Anspruch geht - da seiner alsbaldigen Realisierbarkeit nach den obigen Berechnungen und mangels anderweitig erkennbarer Umstände nichts entgegensteht - der Prozesskostenhilfe des Staates vor (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2008 - VII ZB 25/08, FamRZ 2008, 1842 Rn. 8; vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. März 2011 - V ZB 177/10, FamRZ 2011, 967 Rn. 22; BAG, NJW 2013, 493 Rn. 14).

a) Der vorliegende Rechtsstreit, mit dem die Kläger als Mieter ihrer gemeinsam genutzten Ehewohnung Ansprüche gegen den Vermieter auf Schadensersatz, Aufwendungsersatz, Mangelbeseitigung sowie Feststellung einer Mietminderung geltend machen, betrifft eine "persönliche Angelegenheit" im Sinne von § 1360a Abs. 4 BGB .

aa) Dass auch eine vermögensrechtliche Streitigkeit eine persönliche Angelegenheit betreffen kann, ist in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt. Bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten eines Ehegatten mit einem Dritten kommt es darauf an, ob der Rechtsstreit eine genügend enge Verbindung zur Person dieses Ehegatten aufweist. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich eine allgemeingültige begriffliche Formel, wann eine solche genügend enge Verbindung zwischen dem Rechtsstreit und der Person des betreffenden Ehegatten besteht, schwerlich finden lassen wird, die richtige Einordnung vielmehr fallgruppenbezogen vorgenommen werden muss (vgl. BGH, Beschluss vom 27. August 2019 - VI ZB 8/18, NJW 2020, 55 Rn. 8 mwN).

bb) Der vorliegende Rechtsstreit weist eine genügend enge Verbindung zur Person der Klägerin zu 2 auf. In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit der gemeinsamen Ehewohnung oder mit ehelichen Haushaltsgegenständen stehen, auch wenn sie sich gegen Dritte (hier: den Vermieter) richten, eine solche (ausreichend enge) Verbindung zu dem betreffenden Ehegatten aufweisen (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 1982, 606 , OVG Lüneburg, FamRZ 1973, 145 ; LG München I, FamRZ 1970, 84 ; Lissner/Dietrich/Schmidt, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 4. Aufl., Rn. 468; MünchKommZPO/Wache, 6. Aufl., § 115 Rn. 100, 102; MünchKommBGB/Weber-Monecke, 9. Aufl., § 1360a Rn. 27). Um einen solchen Rechtsstreit handelt es sich hier, zumal insbesondere die hier geltend gemachte Mietminderung nach Aktenlage bereits zu einem aus Sicht des Beklagten bestehenden Mietrückstand und einer darauf gestützten Kündigung des Mietverhältnisses durch den Beklagten geführt hat, es daher mittelbar auch um das Recht der Kläger auf Beibehaltung der derzeit genutzten Ehewohnung geht.

b) Die Vorschusspflicht des Klägers zu 1 entspricht auch der Billigkeit (§ 1360a Abs. 4 Satz 1 letzter Halbs. BGB ). Der Kläger zu 1 hat, wie schon seine eigene Beteiligung an dem Rechtsstreit zeigt, das gleiche Interesse an dessen Ausgang wie die Klägerin zu 2. Aus den obigen Berechnungen ergibt sich ferner die uneingeschränkte Leistungsfähigkeit des Klägers zu 1 unter Berücksichtigung der gesamten Prozesskosten, namentlich unter Einschluss der infolge der Streitgenossenschaft der Kläger zusätzlich anfallenden Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG . Da dem Kläger zu 1 selbst ein Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht, auch nicht mit Ratenzahlungsanordnung, zusteht, scheidet eine - andernfalls in Betracht kommende (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2004 - XII ZA 6/04, NJW-RR 2004, 1662 unter IV 2 mwN) - Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit einer entsprechenden Ratenzahlungsanordnung für die Klägerin zu 2 ebenfalls aus.

Vorinstanz: AG Schwetzingen, vom 28.05.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 4 C 143/20
Vorinstanz: LG Mannheim, vom 13.04.2022 - Vorinstanzaktenzeichen 4 S 45/21