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BGH - Entscheidung vom 20.11.2019

XII ZB 222/19

Normen:
StGB § 63
BGB § 1906 Abs. 1 Nr. 1

BGH, Beschluss vom 20.11.2019 - Aktenzeichen XII ZB 222/19

DRsp Nr. 2020/1642

Beschwerde gegen die Genehmigung einer Unterbringung und gegen die Genehmigung der Einwilligung in ärztliche Zwangsmaßnahmen; Vorliegen einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis (paranoide Schizophrenie)

Eine ärztliche Zwangsmaßnahme ist nur dann zulässig, wenn zuvor ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks versucht worden ist, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 10. Mai 2019 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.

Normenkette:

StGB § 63 ; BGB § 1906 Abs. 1 Nr. 1 ;

Gründe

I.

Die Betroffene wendet sich gegen die Genehmigung ihrer Unterbringung und gegen die Genehmigung der Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme. Sie leidet an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis (paranoide Schizophrenie).

Das Amtsgericht hat die geschlossene Unterbringung der Betroffenen bis zum 14. Mai 2019 genehmigt. Ferner hat es die Einwilligung der Betreuerin in die Untersuchung und Heilbehandlung der Betroffenen ebenfalls bis zum 14. Mai 2019 genehmigt. Das Landgericht hat die Beschwerden des Verfahrenspflegers und der Betroffenen mit Beschluss vom 10. Mai 2019 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Das nach der - in der Rechtsbeschwerdeinstanz entsprechend anwendbaren - Vorschrift des § 62 Abs. 1 FamFG zulässigerweise auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des durch Zeitablauf erledigten Gerichtsbeschlusses gerichtete Rechtsmittel (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2017 - XII ZB 195/17 - FamRZ 2018, 121 Rn. 5 mwN) ist auch im Übrigen zulässig.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält in der Sache aber rechtlicher Nachprüfung noch stand.

a) Das Landgericht, das wegen der weiteren Einzelheiten auch hinsichtlich der Genehmigung der Zwangsbehandlung auf den amtsgerichtlichen Beschluss Bezug genommen hat, hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Betroffene wende sich mit ihrer Beschwerde gegen die Genehmigung der Unterbringung. Sie könne in Folge ihrer Erkrankung in ihrem Zustand nicht selbstständig und eigenverantwortlich leben. Sie könne nicht zwischen Wahn und Wirklichkeit unterscheiden. Daraus resultierten Fehlhandlungen, die die Betroffene erheblich gefährden könnten. Insbesondere ihre Vorstellung, ohne Nahrung und Flüssigkeitszufuhr nur mit Licht und Sonne leben zu können, stelle für sie eine erhebliche und gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben dar. Diese Gefahr könne nicht durch andere Maßnahmen als die Unterbringung abgewendet werden. Im Falle einer sofortigen Entlassung sei mit einem lebensbedrohenden Zustand in kurzer Zeit zu rechnen. Seit rund sechs Wochen sei von den Klinikärzten und der Betreuerin erfolglos versucht worden, die Betroffene von der Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung zu überzeugen.

b) Auf der Grundlage dieser Feststellungen waren die erteilten Genehmigungen rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Soweit es die Genehmigung der geschlossenen Unterbringung anbelangt, hält der landgerichtliche Beschluss der rechtlichen Nachprüfung schon deshalb stand, weil nach den getroffenen Feststellungen jedenfalls die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB gegeben sind, wonach aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr bestehen muss, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt.

bb) Ebenso hält die unter Bezugnahme auf den Beschluss des Amtsgerichts (vgl. insoweit BGH Beschluss vom 18. Oktober 2018 - V ZB 178/17 - juris Rn. 7 mwN; Senatsbeschluss vom 27. August 2014 - XII ZB 266/13 - NJW-RR 2014, 1531 Rn. 10) erfolgte Zurückweisung der Beschwerde gegen die Genehmigung der Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme einer rechtlichen Prüfung gerade noch stand.

Die Rechtsbeschwerde rügt hinsichtlich der Genehmigung der Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme allein das Fehlen eines hinreichenden Überzeugungsversuchs. Die hierzu vom Landgericht in Bezug genommene Begründung des amtsgerichtlichen Beschlusses genügt indes den Anforderungen des § 1906 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BGB .

(1) Eine Zwangsmaßnahme ist nur dann gemäß § 1906 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BGB zulässig, wenn zuvor ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks versucht worden ist, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen. Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat das Gericht in jedem Einzelfall festzustellen und in seiner Entscheidung in nachprüfbarer Weise darzulegen (Senatsbeschluss vom 13. September 2017 - XII ZB 185/17 - FamRZ 2017, 2056 Rn. 6 mwN).

(2) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung gerecht. Nach den in Bezug genommenen Ausführungen des Amtsgerichts wurde über Wochen erfolglos versucht, die Betroffene von Sinn und Zweck der Heilbehandlung zu überzeugen. Dies sei nicht gelungen. Die Betroffene habe sich bereits rund sechs Wochen in der Klinik aufgehalten. Seither sei von den Klinikärzten und der Betreuerin häufig versucht worden, die Betroffene von einer Behandlung zu überzeugen. Das sei bis zur Anhörung am 3. April 2019 nicht erfolgreich gewesen.

cc) Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen, § 74 Abs. 7 FamFG .

Vorinstanz: AG Chemnitz, vom 03.04.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 4 XVII 353/18
Vorinstanz: LG Chemnitz, vom 10.05.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 3 T 187/19