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BSG - Entscheidung vom 05.03.2018

B 1 KR 44/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 05.03.2018 - Aktenzeichen B 1 KR 44/17 B

DRsp Nr. 2018/4075

Krankenversicherung Grundsatzrüge Klärungsbedürftige Rechtsfrage Fehlender Klärungsbedarf

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. 2. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage fehlt, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt" ist.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 30. Mai 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3865,09 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Die Klägerin, Trägerin eines für die Behandlung Versicherter zugelassenen Krankenhauses, behandelte die bei der beklagten Krankenkasse versicherte B (im Folgenden: Versicherte) stationär vom 16. bis 17.5.2013 und berechnete hierfür ausgehend von der Hauptdiagnose C34.9 (Bösartige Neubildung der Bronchien und der Lunge, nicht näher bezeichnet) die Fallpauschale (Diagnosis Related Group 2013 [DRG]) E71B (Neubildungen der Atmungsorgane, ein Belegungstag oder ohne äußerst schwere CC, ohne starre Bronchoskopie oder ohne komplexe Biopsie der Lunge) zuzüglich eines Zusatzentgeltes (ZE) 53.04 (Gabe von Pemetrexed, parenteral; 900 mg bis unter 1000 mg) in Höhe von 3035,60 Euro (insgesamt 3865,09 Euro). Die Versicherte hatte zuvor vier Zyklen einer palliativen Chemotherapie (Cisplatin und Pemetrexed; 14.2. bis 19.4.2013) erhalten, die komplikationslos verlaufen waren. Die Beklagte beglich die Rechnung, rechnete jedoch später in Höhe des Rechnungsbetrages gegen andere Forderungen der Klägerin auf, da die Behandlung auch ambulant hätte durchgeführt werden können. Das SG hat die Klage abgewiesen. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen: Die vollstationäre Behandlung der Versicherten sei nicht im Sinne von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich gewesen. Die Gabe von Pemetrexed hätte aus medizinischer Sicht auch ambulant erfolgen können. Unerheblich sei, ob die stationäre Krankenhausbehandlung im Einzelfall - etwa aufgrund von Kostenvorteilen bei der Arzneimittelversorgung durch eine Krankenhausapotheke - kostengünstiger sei. Zwar sei der in § 39 Abs 1 S 2 SGB V verankerte Vorrang der ambulanten Behandlung eine Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs 1 SGB V ). Der Gesetzgeber gehe in typisierender Weise davon aus, dass ambulante Behandlungen preisgünstiger seien. Ob dies im konkreten Fall zutreffe, sei aber ohne Belang. Die Klägerin habe auch keinen Zahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, da sie die Leistung unter Verstoß gegen das Leistungserbringerrecht der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht habe (Urteil vom 30.5.2017).

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ).

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die Klägerin richtet ihr Vorbringen hieran nicht aus.

Die Klägerin formuliert als Rechtsfragen:

"1. Folgt aus dem in § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V normierten Vorrang der ambulanten Krankenbehandlung vor einer stationären Krankenhausbehandlung zwangsläufig, dass die ambulante Variante auch dann gegenüber dem stationären Krankenhausaufenthalt Vorrang hat, wenn die stationäre Versorgung kostengünstiger ist?

2. Muss nicht aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V geschlussfolgert werden, dass bei medizinisch gleichwertigen Alternativen immer die kostengünstigere Alternative zu wählen ist, selbst wenn dies dem in § 39 SGB V normierten Vorrang der ambulanten vor der stationären Versorgung widerspricht?"

Die Klägerin zeigt schon die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfragen nicht hinreichend auf. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage fehlt, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rspr keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt" ist (vgl zB BSG Beschluss vom 21.10.2010 - B 1 KR 96/10 B - RdNr 7 mwN). Die Klägerin hätte sich deshalb in der Beschwerdebegründung näher damit auseinandersetzen müssen, wieso unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rspr noch Klärungsbedarf verblieben ist. Die Beschwerdebegründung genügt diesen Anforderungen nicht. Die Klägerin betont lediglich die besondere Bedeutung des Wirtschaftlichkeitsgebotes und benennt hierzu Rspr des erkennenden Senats (BSGE 121, 87 = SozR 4-2500 § 109 Nr 54; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 28, auch für BSGE vorgesehen; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 61, auch für BSGE vorgesehen; BSG Beschluss vom 25.1.2017 - B 1 KR 8/16 BH - Juris). Dieser Rspr - so die Klägerin - könne nicht entnommen werden, ob das Wirtschaftlichkeitsgebot auch für die Entscheidung zwischen den Versorgungssektoren ambulant und stationär anzuwenden sei und damit dazu führe, dass einzelfallbezogen die jeweils günstigere Versorgung der Versicherten zu wählen sei. Die Klägerin setzt sich jedoch schon nicht hinreichend damit auseinander, dass nach dem Wortlaut des § 39 Abs 1 S 2 SGB V (idF durch Art 5 Nr 1 Buchst a Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen [PsychVVG] vom 19.12.2016, BGBl I 2986, mWv 1.1.2017) Anspruch auf vollstationäre Behandlung nur besteht, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- oder nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (zum Vorrang der vertragsärztlichen Versorgung vor der stationären Versorgung vgl beispielhaft BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 28 RdNr 27, auch für BSGE vorgesehen; BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 18; zur - hier nicht einschlägigen - mWv 1.1.2017 eingeführten, mit der stationären Behandlung gleichrangigen stationsäquivalenten psychiatrischen Behandlung im häuslichen Umfeld vgl §§ 39 Abs 1 S 3 und 4, 115d SGB V sowie BT-Drucks 18/9528 S 46). Sie räumt diesen gesetzlich vorgegebenen Vorrang in den von ihr formulierten Fragen selbst ein. Die Klägerin setzt sich zudem nicht mit der dazu ergangenen ständigen höchstrichterlichen Rspr auseinander, nach der sich der Anspruch auf vollstationäre Krankenhausbehandlung allein nach den medizinischen Erfordernissen richtet (vgl BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 15; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 17; BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 19 f; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 33; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 59 RdNr 23; vgl auch BSGE 120, 82 = SozR 4-2500 § 39 Nr 26, RdNr 13 ff zum Entlassmanagement). Hieran fehlt es umso mehr, als die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung selbst nicht in Abrede stellt, dass die stationäre Aufnahme der Versicherten medizinisch nicht indiziert war. Die Klägerin zeigt auch nicht auf, ob sich aus dieser Rspr Antworten auf die von ihr aufgeworfenen Rechtsfragen nicht hinreichend deutlich ableiten lassen und insoweit noch ein Klärungsbedarf besteht. Schließlich geht die Klägerin nicht auf die Rspr des BSG zur Konkretisierung der Systemgrenzen zwischen den verschiedenen Formen der stationären Behandlung und der vertragsärztlichen Versorgung ein (vgl BSGE 121, 94 = SozR 4-2500 § 115b Nr 6, RdNr 13 ff; BSGE 114, 209 = SozR 4-2500 § 115a Nr 2, RdNr 19 ff zur nachstationären Behandlung; BSGE 121, 87 = SozR 4-2500 § 109 Nr 54 RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 28 RdNr 27, auch für BSGE vorgesehen, zur teilstationären Behandlung; BSGE 114, 199 = SozR 4-2500 § 115a Nr 4, RdNr 18 ff; BSG Urteil vom 17.9.2013 - B 1 KR 67/12 R - USK 2013-86; BSG SozR 4-2500 § 115a Nr 5 RdNr 12 ff zur vorstationären Behandlung; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 116 Nr 9, RdNr 13 ff [6. Senat] zur Ermächtigung eines Krankenhausarztes für Leistungen, die als nachstationäre Leistungen mit der Fallpauschale abgegolten wären). Sie erwähnt zwar die Entscheidung des erkennenden Senats zur teilstationären Behandlung ( BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 28), eine inhaltliche Auseinandersetzung hiermit erfolgt jedoch nicht.

2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO , diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3 , § 47 Abs 1 und 3 GKG .

Vorinstanz: LSG Sachsen, vom 30.05.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 KR 233/16
Vorinstanz: SG Chemnitz, vom 10.08.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 30 KR 2389/15