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BGH - Entscheidung vom 23.03.2017

X ZR 129/14

Normen:
PatG § 121 Abs. 2

BGH, Urteil vom 23.03.2017 - Aktenzeichen X ZR 129/14

DRsp Nr. 2017/6666

Streitpatent betreffend einen Kletterschuh einer Kletterschalung zur Befestigung an einem Betonierabschnitt eines Bauwerks; Nichtigkeitsgrund der mangelnden Ausführbarkeit

In welchem Umfang und mit welcher Konkretisierung der Fachmann Anregungen im Stand der Technik benötigt, um eine bekannte Lösung in bestimmter Weise weiterzuentwickeln, ist eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung eine Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Sachverhaltselemente erfordert. Dabei können auch Eigenarten des in Rede stehenden technischen Fachgebiets, die übliche Vorgehensweise bei der Entwicklung von Neuerungen oder technische Bedürfnisse, die sich aus der Konstruktion oder der Anwendung des betreffenden Gegenstands ergeben, eine Rolle spielen.

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des 7. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 4. Dezember 2014 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Normenkette:

PatG § 121 Abs. 2 ;

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des am 29. Juni 2005 angemeldeten deutschen Patents 10 2005 030 333 (Streitpatents), das einen teilbaren Kletterschuh einer Kletterschalung zum Gegenstand hat und fünf Ansprüche umfasst.

Patentanspruch 1, auf den die weiteren Ansprüche unmittelbar oder mittelbar rückbezogen sind, lautet in der erteilten Fassung wie folgt:

"Kletterschuh einer Kletterschalung zur Befestigung an einem Betonierabschnitt (14) eines Bauwerks, wobei der Kletterschuh (10) einen Gleitschuhteil (16) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass an dem Gleitschuhteil (16) Klauen (50) vorgesehen sind, die eine zwischen den Klauen (50) verschiebbar angeordnete Kletterschiene (20) geführt halten, indem die Klauen (50) Teilabschnitte der Kletterschiene (20) umgreifen, wobei mindestens eine Klaue (50) verschwenkbar und/oder teleskopierbar am Gleitschuhteil (16) vorgesehen ist."

Die Klägerin hat das Streitpatent insgesamt angegriffen und fehlende Patent fähigkeit geltend gemacht. Ferner hat sie die Auffassung vertreten, das Merkmal "teleskopierbar" in Anspruch 1 sei nicht ausreichend offenbart.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, soweit mit ihr eine Nichtigerklärung des Streitpatents über die nachfolgend wiedergegebene beschränkte Fassung hinaus begehrt wird, nach der Patenanspruch 1 wie folgt lautet (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung hervorgehoben):

"Kletterschuh einer Kletterschalung zur Befestigung an einem Betonierabschnitt (14) eines Bauwerks, wobei der Kletterschuh (10) einen Gleitschuhteil (16) und einen Wandschuhteil (18) aufweist, wobei das Gleitschuhteil (16) mit dem Wandschuhteil (18) über eine horizontal ausgerichtete Steckwelle (34) lösbar verbunden ist, und wobei an dem Gleitschuhteil (16) Klauen (50) vor gesehen sind, die eine zwischen den Klauen (50) verschiebbar angeordnete Kletterschiene (20) geführt halten, indem die Klauen (50) Teilabschnitte der Kletterschiene (20) umgreifen, wobei mindestens eine Klaue (50) verschwenkbar und/oder teleskopierbar am Gleitschuhteil (16) vorgesehen ist."

Hilfsweise hat sie das Streitpatent in einer weiter beschränkten Fassung verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit die Beklagte es nicht mehr verteidigt. Im Übrigen hat es die Nichtigkeitsklage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren Antrag auf Nichtigerklärung des Streitpatents weiter verfolgt.

Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt das Streitpatent hilfsweise in weiter beschränkten Fassungen.

Entscheidungsgründe

I. Das Streitpatent betrifft einen Kletterschuh einer Kletterschalung.

1. Bei einer Kletterschalung werden die für den Betoniervorgang erforderlichen Elemente, etwa Schaltafeln, nach Erstellung eines Betonierabschnitts, etwa einer Wand, weiter befördert, um für das Betonieren des nächsten, noch zu erstellenden Betonierabschnitts zur Verfügung zu stehen. Dabei können Kletterschienen Verwendung finden. Bei einem Kletterschuh handelt es sich um eine Vorrichtung, die an dem bereits erstellten Betonierabschnitt befestigt ist und die Kletterschiene derart umgreift, dass sie einerseits im Kletterschuh verschiebbar ist und andererseits an der Wandung des Bauwerks geführt gehalten wird.

Nach der Beschreibung des Klagepatents wird der Kletterschuh bereits dann nicht mehr im Einsatz für die vorgesehene Kletterschalung benötigt, wenn ein Betonierabschnitt abgeschlossen ist und ein neuer Betonierabschnitt erstellt werden soll (Abs. 5). Die für eine Kletterschalung verwendete Kletterschiene kann jedoch eine Länge aufweisen, die größer ist als die Höhe von zwei zu erstellenden Betonierabschnitten. Im Stand der Technik könne der Kletterschuh erst dann von der Wandung abgenommen werden, wenn die Kletterschiene aus ihm herausgefahren worden sei (Abs. 3, 5). Deshalb könne der Kletterschuh nicht bereits dann entfernt und etwa an anderer Stelle wieder verwendet werden, wenn er nicht mehr benötigt werde. Dies sei nachteilig, weil in der Regel Hilfsbühnen oder Nachlaufbühnen notwendig seien, um die Kletterschuhe zu entfernen. Zudem sei ein größerer Vorrat an Kletterschuhen erforderlich.

2. Das Patentgericht hat angenommen, das technische Problem bestehe darin, einen Kletterschuh bereitzustellen, der von einer ortsfesten Befestigung an einem Betonierabschnitt auch dann abgenommen werden kann, wenn er von einer Kletterschiene durchgriffen wird. Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich jedoch, dass im Stand der Technik aus der koreanischen Patentschrift 10 2002 0062259 (K1a) bereits ein Kletterschuh bekannt ist, der schon dann von der Betonwandung abgenommen werden kann, wenn er noch von der Kletterschiene durchgriffen ist. Danach besteht das technische Problem darin, einen Kletterschuh mit verbesserter Handhabung bereitzustellen, der insbesondere leicht montiert und demontiert werden kann.

3. Zur Lösung dieses Problems beschreibt Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung einen Kletterschuh mit folgenden Merkmalen (abweichende Gliederung des Patentgerichts in eckigen Klammern):

1.

Der Kletterschuh dient dem Einsatz in einer Kletterschalung zur Befestigung an einem Betonierabschnitt eines Bauwerks; [1.0]

2.

der Kletterschuh weist einen Gleitschuhteil und einen Wandschuhteil auf; [1.1 und 1.2]

3.

Gleitschuhteil und Wandschuhteil sind über eine horizontal ausgerichtete Steckwelle lösbar verbunden; [1.3]

4.

an dem Gleitschuhteil sind Klauen vorgesehen;

-

a) die Klauen halten geführt eine zwischen ihnen verschiebbar angeordnete Kletterschiene, indem sie Teilabschnitte der Kletterschiene umgreifen; [1.4]

-

b) mindestens eine der Klauen ist verschwenkbar und/oder teleskopierbar am Gleitschuhteil vorgesehen. [1.5]

4. Zum Verständnis des Anspruchs sind folgende Bemerkungen veranlasst:

a) Wie sich aus Absatz 8 der Beschreibung, den Figuren 1 bis 3 einerseits und Figur 4 andererseits sowie aus den Erläuterungen dieser Figuren (Absatz 23 einerseits und Absatz 33 andererseits) ergibt, ist unter einem Wandschuhteil im Sinne des Streitpatents ein Teil zu verstehen, der an einer Wand und damit an einer im Wesentlichen parallel zur Kletterschiende verlaufenden Fläche befestigt ist. Das Streitpatent bestimmt im Unterschied dazu einen Deckenschuhteil dahin, dass er an einer Decke, also einer im Wesentlichen senkrecht zur Kletterschiende verlaufenden Fläche befestigt ist. Nach diesem funktionalen Verständnis handelt es sich mithin bei einem Teil, das zur Befestigung auf der nach oben weisenden Fläche einer Wand dient, um einen Deckenschuhteil, dagegen bei einem Teil, das an der senkrecht verlaufenden Stirnwand einer Decke befestigt ist, um einen Wandschuhteil. Die mit dem Hauptantrag verteidigte Fassung von Patentanspruch 1 greift diese Unterscheidung auf und schützt nur Vorrichtungen mit einem Wandschuhteil.

b) Der Gleitschuhteil ist der Teil des Kletterschuhs, in dem die Kletterschiene verschiebbar geführt wird.

c) Gleitschuhteil und Wandschuhteil, die zusammen den Kletterschuh bilden, sind lösbar verbunden, der Kletterschuh ist also zweistückig ausgebildet. Die Verbindung von Gleitschuhteil und Wandschuhteil erfolgt über eine horizontal angeordnete Steckwelle. Unter einer Steckwelle ist dabei ein längliches Bauteil zu verstehen, das in Öffnungen eingeführt werden kann, um zwei andere Bauteile miteinander zu verbinden. In Abgrenzung zu einer Schraubverbindung liegt eine Steckwelle nur vor, wenn auf dieses Bauteil keine nennenswerten axialen Zugkräfte einwirken. Weitere Einzelheiten, etwa die Art und Weise, wie die Steckwelle gegen eine unbeabsichtigte Entfernung gesichert ist, legt Patentanspruch 1 nicht fest.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Ausführbarkeit liege nicht vor. Der Fachmann, ein Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau oder Bauingenieur mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von Gerüsten und Schalungen, insbesondere Kletterschalungen, verstehe unter einem teleskopierbaren Gegenstand, dass dieser über konzentrische, ineinander geschobene Rohre in Achsrichtung linear herausziehbar sei. Da er erkenne, dass die Klaue außer Eingriff von der Kletterschiene gebracht werden solle, sei er auch ohne nähere Beschreibung in der Lage, die Lehre des Streitpatents auszuführen.

Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 sei patentfähig. Es sei unstreitig, dass er im Stand der Technik nicht vorweggenommen sei. Er sei ferner durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.

Der Fachmann gelange ausgehend von der koreanischen Patentanmeldung 10 2002 0062259 (K1a) nicht zum Gegenstand von Patentanspruch 1. Der dort in den Figuren 1 bis 4 gezeigte Kletterschuh weise alle Merkmale außer Merkmal 1.3 auf. Bei dem dort vorgestellten Kletterschuh, bei dem der der Kletterschiene benachbarte Teil keine lösbare Verbindung mit einem Wandschuhteil aufweise, sondern mit diesem einstückig ausgebildet sei, sei ein Abnehmen des Kletterschuhs auch dann möglich, wenn er noch von der Kletterschiene durchgriffen werde. Dazu könnten die Klauen einseitig weggedreht und der Kletterschuh seitlich zwischen Kletterschiene und Wandung herausgezogen bzw. - gedrückt werden. Der Fachmann erhalte daher aus K1a keine Anregung, den Kletterschuh mit Wandschuhteil und Gleitschuhteil zweistückig auszugestalten und diese beiden Teile über einen horizontal ausgerichteten Zapfen lösbar zu verbinden.

Eine Anregung in diese Richtung sei auch der französischen Patentanmeldung 2 487 892 (K5) nicht zu entnehmen, die einen bereits freien Wandschuh zeige.

Aus der französischen Patentanmeldung 2 298 662 (K7) sei zwar ein geteilt ausgeführter Kletterschuh mit einer schnell lösbaren Steckbolzenverbindung bekannt. Eine Zusammenschau von K1a mit K7 komme aber wegen der in diesen beiden Entgegenhaltungen gezeigten unterschiedlichen Konstruktionsprinzipien nicht in Betracht.

Wähle man als Ausgangspunkt die internationale Anmeldung WO 03/097493 (K1), deren Priorität die K1a beanspruche, rechtfertige dies keine andere Beurteilung.

Nichts anderes ergebe sich, wenn man die internationale Anmeldung WO 2004/020766 (K2) als Ausgangspunkt nehme. Die dort für eine Hebevorrichtung für eine Sicherheitsabschirmung verwendeten Kletterschuhe seien denen einer Kletterschalung vergleichbar. Sie wiesen Scharniereinrichtungen zum Aufschwenken einer Klaue auf, die zur Erleichterung der Montage/Demontage an den Kletterschienen dienten. Der Kletterschuh sei über einen vertikalen Steckbolzen mit einem auf der Geschossdecke befestigten Tragbalken verbunden. Danach unterscheide sich der in K2 vorgestellte Kletterschuh vom Gegenstand des Streitpatents dadurch, dass er einstückig ausgestaltet und der Steckbolzen vertikal angeordnet sei. Da der Kletterschuh problemlos nach oben vom Tragbalken abgenommen werden könne, stelle sich das streitpatentgemäße Problem hier nicht, so dass der Fachmann keinen Anlass habe, die aus K2 bekannte Konstruktion so zu verändern, dass sie sämtliche Merkmale von Patentanspruch 1 aufweise.

III. Diese Beurteilung hält den Berufungsangriffen der Klägerin stand.

1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist im Stand der Technik nicht vorweggenommen.

a) Die koreanische Patentanmeldung 10 2002 0062259 (K1a) trifft den Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht neuheitsschädlich. Dies gilt unabhängig davon, ob man hierbei das von der Klägerin im ersten Rechtszug entwickelte Verständnis dieser Entgegenhaltung zugrunde legt oder ihre hiervon abweichende Darstellung im zweiten Rechtszug.

aa) K1a betrifft einen Kletterschuh, der ein Baugerüst vertikal sicher in Bewegung führt. Die nachstehend wiedergegebene Figur 1 der K1a zeigt einen Kletterschuh (10), der mit Führungselementen (20) versehen ist, die in ihrem vorderen, von der Wand abgewandten Bereich Führungsrillen (26) aufweisen, die einen senkrecht verlaufenden Stützpfeiler (100) eines Gerüsts umgreifen.

Wie die nachfolgend eingeblendete Figur 2 der K1a verdeutlicht, können die Führungselemente verschwenkt werden.

bb) Nach dem Vortrag der Klägerin im ersten Rechtszug ist die T-förmige Platte (16) als Wandschuhteil anzusehen, während der sich anschließende Teil des Kletterschuhs, an welchem die Führungselemente angeordnet sind, den Gleitschuhteil darstellt.

Legt man dieses Verständnis zugrunde, nimmt der in K1a gezeigte Kletterschuh, wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, zwar die Merkmale 1, 2 und 4, nicht aber das Merkmal 3 vorweg, denn Gleitschuhteil und Wandschuhteil sind danach einstückig ausgebildet, entsprechend fehlt es auch an einer lösbaren Verbindung dieser Teile durch eine horizontal ausgerichtete Steckwelle.

cc) Im zweiten Rechtszug sieht die Klägerin dagegen die mit dem Bezugszeichen (10) bezeichnete Vorrichtung insgesamt als Gleitschuhteil an. Dagegen handele es sich bei den in der nachstehend wiedergegebenen Figur 5a mit den Bezugsziffern (40) und (42) versehenen, in K1a als Erweiterungsteile bezeichneten Elementen um einen Wandschuhteil. Dieser sei mit dem Gleitschuhteil über den aus Figur 5a ersichtlichen, mit einer Mutter gesicherten Bolzen (auf den der in die Figur 5a nachträglich eingefügte Pfeil weist) mit dem Gleitschuhteil lösbar verbunden.

Legt man diese Sichtweise zugrunde, fehlt es an einer Vorwegnahme der Merkmale 2 und 3. Die Erweiterungsteile stellen keinen Wandschuhteil im Sinne des Streitpatents dar, weil sie nicht an einer Wandung, sondern an einer Decke befestigt werden. Nach K1a umgreifen die Erweiterungsteile eine sich horizontal erstreckende Struktur konstanter Dicke (Übers. K1a, S. 11, 3. Abs.). Zudem fehlt es an einer Verbindung der Erweiterungsteile und des Kletterschuhs (10) über eine horizontal ausgerichtete Steckwelle. Das aus Figur 5a ersichtliche, der Verbindung der Erweiterungsteile mit dem Kletterschuh dienende Element wird in der Beschreibung der K1a nicht behandelt. Handelt es sich entsprechend der Darstellung der Klägerin um einen durch eine Mutter gesicherten Bolzen, ist darin eine Schraubverbindung zu sehen. Da auf die mit dem Bezugszeichen (10) bezeichnete Vorrichtung vertikal Kräfte einwirken, muss diese Verbindung axial wirkende Kräfte aufnehmen. Der Bolzen kann danach nicht als Steckwelle im Sinne des Streitpatents angesehen werden.

b) Auch die koreanische Patentschrift 10-0483898 (K8) nimmt den Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht vorweg.

K8 betrifft eine Vorrichtung, mit der ein Baugerüst sicher und einfach an einer bereits betonierten Bodenplatte befestigt und nach Bedarf versetzt werden kann. Die nachfolgend eingeblendete Figur 6 der K8 zeigt die vorderen Pfeiler (25, 25') eines Baugerüsts, die in K8 auch als Schiene bezeichnet werden. Das rechts der Schiene dargestellte Element, das an einem bereits betonierten Abschnitt eines Bauwerks befestigt werden kann, umfasst eine T-förmige Verbindungsplatte (2) sowie untere und obere Öffnungs- und Verbindungsplatten (4, 4', 5, 5') mit Aussparungen (8, 8', 9, 9'), die die Schiene umgreifen, aber auch um die Bewegungszapfen (6, 6', 7, 7') nach außen verschwenkt werden können.

Die nachstehend wiedergegebene Figur 5 der K8 zeigt, wie dieses Bauteil über Montagebolzen (14, 14') mit einer Verbindungsplatte (19) verbunden werden kann. Die Verbindungsplatte (19) ist mit den Stützträgern (18, 18') verschweißt. Diese werden durch Befestigungsbolzen (21, 21') mit der Betonbodenplatte (39) verbunden.

Eine solche Vorrichtung kann nicht nur zur Befestigung und Sicherung eines Baugerüsts, sondern auch für eine Kletterschalung verwendet werden. K8 zeigt jedoch keinen Wandschuhteil im Sinne des Streitpatents, denn die Stützträger (18, 18') und die Verbindungsplatte (19) sind nicht an der Wand, sondern auf einer Boden- oder Deckenplatte befestigt. Damit fehlt es an einer Vorwegnahme von Merkmal 2. Zudem sind der in Figur 6 gezeigte Teil der Vorrichtung, den die Klägerin als Gleitschuhteil ansieht, und der auf dem Boden oder der Decke befestigte, im Wesentlichen aus den Stützträgern und der Verbindungsplatte (19) bestehende zweite Teil der Vorrichtung nicht über eine horizontal ausgerichtete Steckwelle lösbar verbunden. Nach K8 handelt es sich bei den mit dem Bezugszeichen 14 versehenen Elementen um Montagebolzen (K8a, S. 6, 10) bzw. Verbindungsbolzen (K8a, S. 8), die jeweils durch eine Mutter gesichert sind. Da diese Verbindung axial wirkende Kräfte aufnehmen muss, handelt es sich nicht um eine Steckwelle im Sinne des Streitpatents.

c) Schließlich nimmt auch die deutsche Auslegeschrift 1 016 919 (K9) den Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht vorweg.

K9 beschreibt ein Klettergerüst mit einem Hebezeug, das vom Gerüst aus bedienbar ist. Dieses Gerüst weist eine Arbeitsbühne auf, die dem jeweils fertig gestellten Bauwerksabschnitt vorauseilt und an Stützvorrichtungen, die an dem Bauwerksabschnitt lösbar befestigt sind, gleitend angeordnet ist. Nach den Erläuterungen in K9 ist die Stützvorrichtung im Bauwerk lösbar verankert, etwa an im Bauwerk eingelassenen Zugankern in bekannter Weise befestigt, zum Beispiel angeschraubt. Die nachfolgend eingeblendeten Figuren 3 und 4 der K9 zeigen ein Ausführungsbeispiel von der Seite und von oben.

Eine lösbare Verbindung zwischen dem Zuganker und der Stützvorrichtung durch eine horizontal ausgerichtete Steckwelle ist durch K9 nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.

Die Entgegenhaltung spricht zunächst allgemein davon, dass die Verbindung "in bekannter Weise" erfolge (Sp. 1, Z. 52 f.). Sie erwähnt dann, dass die Stützvorrichtung angeschraubt werde (Sp. 1, Z. 54) bzw. dass die beiden waagerechten Arme der Stützvorrichtung beim Einbau mit den im Bauwerk befindlichen Ankern miteinander verschraubt werden (Sp. 2, Z. 26 ff.). Weder der oben wiedergegebenen Figur 4 noch der Beschreibung kann der Fachmann, ohne weitere Überlegungen anzustellen, entnehmen, dass es sich bei dem in Figur 4 gestrichelt dargestellten, sich durch den Wandanker und die waagerechten Arme der Stützvorrichtung erstreckenden Teil um eine Steckwelle im Sinne des Streitpatents handelt. Danach fehlt es an einer Vorwegnahme von Merkmal 3 von Patentanspruch 1.

Figur 4 ist überdies nicht zu entnehmen, dass die Vorrichtung mindestens eine verschwenkbare Klaue aufweist. Soweit in der Beschreibung erwähnt ist, dass die waagerechten Arme der Stützvorrichtung auch so ausgeführt sein können, dass sie seitlich verschwenkbar sind, sieht K9 vor, dass sie an dem eingemauerten oder einbetonierten Anker angelenkt sind. Damit fehlt es an einer Vorwegnahme der Merkmale 4 und 4b, denn diese sehen eine Anordnung der Klauen am Gleitschuhteil vor.

2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist durch den Stand der Techniknicht nahegelegt.

a) Anders als die Klägerin meint, legt die K1a einen Kletterschuh, der aus Gleitschuhteil und Wandschuhteil besteht, nicht nahe. Soweit die Figuren dieser Entgegenhaltung eine Befestigung des Kletterschuhs an einer Wand zeigen, ist der Kletterschuh jeweils einstückig ausgebildet. Die T-förmige Platte (16) und die Führungselemente (20) sind nicht lösbar miteinander verbunden. Eine zweiteilige Gestaltung ist in K1a nur für einen Kletterschuh gezeigt, der an einem horizontal verlaufenden Betonierabschnitt befestigt ist, also in der Diktion des Streitpatents einen Deckenschuhteil aufweist (Figur 5a). Wie oben ausgeführt, wird dort die Verbindung zwischen Deckenschuh- und Gleitschuhteil jedoch nicht durch eine Steckwelle, sondern durch eine Schraubverbindung hergestellt, die in der Lage sein muss, axiale Zugkräfte aufzunehmen. Um von diesem Ausführungsbeispiel zum Gegenstand von Patentanspruch 1 zu gelangen, bedarf es daher nicht nur einer Umsetzung des Deckenschuhteils an einen vertikalen Wandabschnitt, sondern auch einer abweichenden Gestaltung der Verbindung der beiden Teile des Kletterschuhs. Eine Anregung hierzu ist K1a nicht zu entnehmen.

b) Der Auffassung der Klägerin, der Gegenstand des Streitpatents sei dem Fachmann, der von Figur 5a der K1a ausgehe, durch sein allgemeines Fachwissen nahegelegt, vermag der Senat nicht beizutreten.

aa) In welchem Umfang und mit welcher Konkretisierung der Fachmann Anregungen im Stand der Technik benötigt, um eine bekannte Lösung in bestimmter Weise weiterzuentwickeln, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung eine Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Sachverhaltselemente erfordert. Dabei sind nicht etwa nur ausdrückliche Hinweise an den Fachmann beachtlich, vielmehr können auch Eigenarten des in Rede stehenden technischen Fachgebiets, die übliche Vorgehensweise bei der Entwicklung von Neuerungen oder technische Bedürfnisse, die sich aus der Konstruktion oder der Anwendung des betreffenden Gegenstands ergeben, eine Rolle spielen (BGH, Urteil vom 11. März 2014 - X ZR 139/10, GRUR 2014, 647 Rn. 25 - Farbversorgungssystem). Es steht daher der Annahme, der Fachmann habe Anlass gehabt, Gleitschuhteil einerseits und Decken- oder Wandschuhteil andererseits durch eine Steckwelle lösbar miteinander zu verbinden, nicht notwendigerweise entgegen, dass die Klägerin ein Vorbild hierfür nicht aufzeigen kann. Gehört eine bestimmte Art der Verbindung von Elementen einer Vorrichtung als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Ingenieurs, kann Veranlassung zu ihrem Einsatz bereits dann bestehen, wenn sich ihre Nutzung in dem zu beurteilenden Zusammenhang als objektiv zweckmäßig darstellt und keine besonderen Umstände feststellbar sind, die eine Anwendung aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen.

bb) Nach dieser Maßgabe ist eine lösbare Verbindung von Gleitschuhteil und Wand- oder Deckenschuhteil eines Kletterschuhs einer Kletterschalung durch eine horizontal angeordnete Steckwelle nicht durch das allgemeine Fachwissen nahegelegt.

Zwar mag es im Bereich des Gerüstbaus und der Kletterschalungen, wie die US-Patentschrift 3 082 843 (K11) beispielhaft zeigt, bekannt sein, einzelne Elemente eines Gerüsts untereinander durch horizontale Steckverbindungen, etwa mittels Bolzen, lösbar miteinander zu verbinden. Abgesehen davon, dass K1a eine zweiteilige Ausbildung des Kletterschuhs nur mit einem Deckenschuhteil, nicht jedoch mit einem Wandschuhteil vorstellt, zeigt die Klägerin aber jedenfalls nicht auf, dass eine Verbindung durch eine horizontal verlaufende Steckwelle auch dort üblich ist, wo es - wie bei der Verbindung von Gleitschuhteil und Wandschuhteil - um die Verbindung des Gerüsts mit dem Bauwerk durch einen Kletterschuh geht, in den erhebliche Kräfte eingetragen werden.

Die deutsche Patentschrift 28 14 930 (K10) belegt dies nicht etwa, sondern weist eher in eine andere Richtung. Ihre Figur 5 zeigt zwar einen mit dem Bauwerk verbundenen Gerüstschuh (3) mit einem U-Profil, in dessen rechtwinklig zur Wand verlaufenden Schenkeln Bohrungen (20) und (21) zur Aufnahme von Steckbolzen (22) und (25) vorgesehen sind. Die Beschreibung hebt jedoch hervor, bei bekannten Gerüstschuhen sei anstatt des größeren, näher zur Wand gelegenen Tragbolzens (22) üblicherweise ein unlösbar befestigter Bolzen vorgesehen (Sp. 5, Z. 54 bis 57), und erklärt die vorgeschlagene Lösung damit, dass die beschriebene Stütze hier nur der Führung der Schalung diene, nicht aber zum Abstützen schwergewichtiger Teile. Sie bemerkt dazu weiter, dass die bekannten Stützen, die bei selbstkletternden Schalungen zum Einsatz kommen, wegen der dort auftretenden Kräfte entsprechend stabil ausgebildet werden müssen (Sp. 2, Z. 51 bis 56). K10 belegt damit nicht, dass dem Fachmann eine lösbare Verbindung mittels Steckbolzen auch für solche Elemente eines Gerüsts bekannt war, die der Herstellung einer Verbindung mit dem Bauwerk dienen, die erhebliche Kräfte aufnehmen können soll.

c) Auch aus der K7 erhält der Fachmann nicht die Anregung, die in K1a gezeigte Vorrichtung dahin weiterzubilden, dass der Kletterschuh zweiteilig aus Gleitschuhteil und Wandschuhteil ausgebildet wird und diese beiden Teile durch eine horizontal angeordnete, lösbare Steckwelle verbunden werden.

aa) Das Patentgericht hat seiner Beurteilung die Erwägung zugrunde gelegt, K7 zeige einen geteilt ausgeführten Kletterschuh, der mit einer schnell lösbaren Steckverbindung versehen sei. Die nachstehend eingeblendete Figur 13 zeige eine Welle (50) für eine schnelle Lösbarkeit des Gleitrohrs (49). Auch wenn eine Demontage durch Lösen der Ankerschrauben (48) möglich sei, biete die lösbare Steckbolzenverbindung den Montagevorteil, dass zunächst nur ein einfaches, leicht zu handhabendes Wandschuhteil an der Wand montiert werden müsse, während das vergleichsweise unhandliche Gleitschuhteil, gegebenenfalls mit Mast (7), durch einfaches Einstecken eines Steckbolzens verbunden werden könne.

bb) Diese Feststellungen sind, wie die Beklagte mit Recht rügt, unzutreffend.

K7 ist nicht zu entnehmen, dass es sich bei dem mit dem Bezugszeichen 50 versehenen Element um eine Steckwelle handelt. Über dieses Bauteil sagt K7 lediglich, es handele sich um eine Achse, die die rohrförmige Stange (49) gelenkig mit dem Gabelgelenk (47) verbinde (K7 S. 10, Z. 11 ff.: "Le dispositif 12 est composé...d'une tige tubulaire 49 articulée à la chape 47 par l'axe 50"). Darüber, ob diese Stange mit dem Rohrteil (49) lösbar verbunden ist, sagt K7 nichts, erst recht lässt sich ihr nicht entnehmen, dass es sich um eine Verbindung mittels Steckwelle handelt. Soll der Mast (7) von der Wand gelöst werden, damit die Schalung weiter nach oben befördert werden kann, geschieht dies nach K7 vielmehr durch Entfernen des Bolzens (48) (vgl. S. 14, Z. 23 f.: "...et on enlève les boulons 48 des ancrages 5, 6,pour libérer le mât 7 de la parot 8"). Auch wenn dies mit gewissen Schwierigkeiten verbunden sein mag, weil die vor der Schraube (48) verlaufende Achse (50) den Zugang zu der Schraube erschweren kann, ist doch nicht ersichtlich, dass diese in K7 beschriebene Vorgehensweise aus praktischen Gründen ausscheidet. Danach ist der K7 nicht zu entnehmen, dass zur Lösung des Masts von der Wand die Achse (50) aus dem Rohr (49) entfernt werden soll.

d) Der Fachmann erhält auch aus K9 nicht die Anregung, den Kletterschuh zweiteilig auszugestalten und Wand- und Gleitschuhteil durch eine horizontal ausgerichtete Steckwelle lösbar zu verbinden.

Die Figur 5b der K1a zeigt einen einteiligen Kletterschuh, bei dem die Befestigung an einem vertikalen Betonierabschnitt mittels einer durch die Wand reichenden Schraubverbindung erfolgt. Auch wenn angenommen wird, dass der Fachmann Abbildung 4 der K9 dahin versteht, dass die Verbindung der waagerechten Arme der Stützvorrichtung mit dem Wandanker mittels einer horizontal angeordneten Steckverbindung erfolgen kann, setzte eine Übertragung auf das in Figur 5b gezeigte Ausführungsbeispiel mehrere Maßnahmen voraus, um zum Gegenstand von Patentanspruch 1 zu gelangen. Der Fachmann müsste erkennen, dass der Kletterschuh zweiteilig auszubilden wäre, indem zwischen dem Gleitschuhteil (10) und der Wand ein weiteres Teil eingefügt würde, das beispielsweise senkrecht zur Wandfläche angeordnete Laschen mit Bohrungen aufwiese, die mit entsprechenden Bohrungen im Gleitschuhteil fluchteten und eine Verbindung durch eine Steckwelle ermöglichten. Eine entsprechende Anregung ergibt sich aus K9 nicht, zumal dort die Verbindung zwischen Wandanker und den Armen der Stützvorrichtung nur am Rande behandelt wird.

e) Der Fachmann erhält schließlich auch durch die französische Anmeldung 2 487 892 (K5) nicht die Anregung, die in Figur 5a der K1a gezeigte Vorrichtung dahin fortzuentwickeln, dass er eine lösbare Verbindung von Erweiterungsteilen (40, 42) und Gleitschuhteil (10) durch eine horizontale Steckwelle vorsieht. Eine Übertragung der aus K5 ersichtlichen Verbindung der Verankerung (1a, 1b) mit der Konsole (19) über horizontal ausgerichtete, parallel zur Wand eingesetzte Stifte (22) auf die in Figur 5a der K1a gezeigte Vorrichtung setzte nicht nur voraus, dass die Befestigung nicht an einem horizontal verlaufenden Teil des Bauwerks, sondern an einer vertikal verlaufenden Wand erfolgt, sondern erforderte weitere Änderungen, insbesondere die Ersetzung der in Figur 5a der K1a gezeigten, horizontal, aber senkrecht zur Wandfläche verlaufenden, axiale Zugkräfte aufnehmenden Schraubverbindung der beiden Teile durch eine Steckwelle. Der Fachmann müsste hierzu an dem Wandschuhteil und an dem Gleitschuhteil senkrecht zur Wand angeordnete, mit fluchtenden Aussparungen versehene Elemente vorsehen, in die eine Steckwelle eingeführt werden kann.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 23. März 2017

Vorinstanz: BPatG, vom 04.12.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 7 Ni 28/14