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BGH - Entscheidung vom 23.08.2016

VIII ZR 46/15

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
ZPO § 321a Abs. 1
ZPO § 321a Abs. 2 S. 1

BGH, Beschluss vom 23.08.2016 - Aktenzeichen VIII ZR 46/15

DRsp Nr. 2016/16028

Anforderungen an die Geltendmachung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs

Tenor

Die Anhörungsrüge der Beklagten vom 2. Juni 2016 gegen das Senatsurteil vom 27. April 2016 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ; ZPO § 321a Abs. 1 ; ZPO § 321a Abs. 2 S. 1;

Gründe

Die gemäß § 321a Abs. 1 ZPO statthafte und innerhalb der Frist des § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO eingelegte Anhörungsrüge ist unzulässig, weil es an der vorgeschriebenen Darlegung (§ 321a Abs. 2 Satz 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO ) einer entscheidungserheblichen Gehörsverletzung durch den Senat fehlt.

1. Eine Anhörungsrüge muss konkrete Ausführungen dazu enthalten, aus welchen Umständen sich eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Gericht ergibt.

Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte zwar dazu, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Urteilsfindung in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 11, 218 , 220; 83, 24, 35; Senat, BGHZ 154, 288 , 300; st. Rspr.). Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, dass sie diesen Pflichten nachgekommen sind, auch wenn sie das Vorbringen nicht ausdrücklich beschieden haben (BVerfGE 47, 182 , 187; 86, 133, 146; 96, 205, 216; BVerfG RdL 2004, 68, 69; st. Rspr.). Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht zur Kenntnisnahme und zur Erwägung des Vorgetragenen nicht nachgekommen ist (vgl. BVerfGE 22, 267 , 274; 65, 293, 295; 88, 366, 375 f.).

Die schlichte Behauptung einer Gehörsverletzung genügt danach nicht. Die nach § 321a Abs. 2 Satz 5 ZPO erforderliche Darlegung setzt die Angabe der Tatsachen voraus, aus denen sich die geltend gemachte Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG ergibt, sowie einen substantiierten Vortrag zum Vorliegen der Voraussetzungen einer Gehörsverletzung (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 182 , 185 mwN; Beschluss vom 19. März 2009 - V ZR 142/08, MDR 2009, 760 Rn. 9 f., jeweils zur Nichtzulassungsbeschwerde). In der Anhörungsrüge sind somit, wie bei einer Verfassungsbeschwerde, die Umstände vorzutragen, aus denen sich ergibt, dass das Gericht bei der Entscheidung das Vorbringen übergangen haben muss (vgl. dazu BVerfGE 92, 205, 216; BGH, Beschluss vom 19. März 2009 - V ZR 142/08, aaO Rn. 10). Auch die Entscheidungserheblichkeit der geltend gemachten Gehörsverletzung hat die Partei nach § 321a Abs. 2 Satz 5 ZPO substantiiert darzulegen. Ob tatsächlich eine Gehörsverletzung vorliegt, ist zwar eine Frage der Begründetheit der Rüge. Steht jedoch von vornherein fest, dass die geltend gemachte Gehörsverletzung keinerlei nachteilige Wirkungen für die betroffene Partei haben kann, ist sie bereits unzulässig (BGH, Beschluss vom 17. Februar 2015 - XI ZR 17/14, [...]; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 15. November 2012 - V ZR 79/12, [...] Rn. 3; vom 21. Juli 2011 - I ZR 204/09, [...] Rn. 1; vom 14. Mai 2013 - V ZB 286/11, [...] Rn. 1).

2. Den vorbeschriebenen Darlegungsanforderungen wird die Anhörungsrüge der Beklagten nicht gerecht. Die Beklagte zeigt schon kein in der Revisionsinstanz zu berücksichtigendes Vorbringen auf, das der Senat übergangen haben könnte. Vielmehr erschöpft sie sich in der Darlegung einer von der Rechtsauffassung des Senats abweichenden Würdigung sowie von Gesichtspunkten, die nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens waren, sondern erstmals mit der Anhörungsrüge vorgetragen werden und aus diesem Grund von vornherein ungeeignet sind, eine Gehörsverletzung darzulegen.

a) Die Anhörungsrüge trägt unter Punkt 1 ihrer Begründung vor, der Senat habe nicht annehmen dürfen, dass zwischen den Parteien zum 1. Januar 2007 ein Tarifkundenverhältnis begründet worden sei. Damit wiederholt sie lediglich ihre von dem Senatsurteil (dort Rn. 30) abweichende Rechtsauffassung, wobei sie wesentliche und vom Senat für entscheidend erachtete Gesichtspunkte (vgl. Rn. 22, 2) ausblendet und nicht darlegt, welchen konkreten entscheidungserheblichen Sachvortrag sie als übergangen ansieht. Gleiches gilt für die von der Rüge unter Punkt 2 angeführten Überlegungen zu § 2 Nr. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, den der Senat (Senatsurteil Rn. 28) in einem nicht mit der Revisionsauffassung übereinstimmenden Sinn ausgelegt hat.

b) Soweit die Rüge unter Punkt 3 zur Begründung ihrer vom Senat abweichenden Auslegung des Schreibens der Klägerin vom 11. November 2006 auf Rechtsvorschriften des Unionsgesetzgebers beruft, liegt hierin schon deswegen - von vornherein - keine Darlegung einer entscheidungserheblichen Gehörsverletzung, weil die von der Beklagten nunmehr (erstmals) vorgebrachte Argumentation nicht Gegenstand des Revisionsvorbringens war. Im Übrigen erschöpft sich das Vorbringen unter diesem Punkt wiederum in der Wiederholung der von dem Senatsurteil abweichenden Rechtsauffassung der Beklagten im Hinblick auf den Inhalt der in dem Schreiben der Klägerin vom 11. November 2006 verkörperten Willenserklärung.

c) Die Rüge wendet sich unter Punkt 4 schließlich erneut - pauschal gegen die auch in Rn. 30 des Senatsurteils zugrunde gelegte gefestigte Rechtsauffassung des Senats, dass im Tarifkundenverhältnis der zu Vertragsbeginn geltende Preis einer Billigkeitskontrolle entzogen ist, zeigt aber nicht ansatzweise auf, welchen entscheidungserheblichen Vortrag sie als übergangen ansieht. Soweit die Anhörungsrüge schließlich allgemein auf eine Beschwerde zur EU-Kommission zum Az. CHAP 201401145 verweist, handelt es sich wiederum um neues Vorbringen, das nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens war und eine Anhörungsrüge von vornherein nicht begründen kann.

d) Die von der Anhörungsrüge beantragte Aussetzung des vorliegenden Verfahrens gemäß § 148 ZPO scheidet schon wegen der eingetretenen Rechtskraft des Urteils aus.

Vorinstanz: LG Berlin, vom 29.10.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 28 O 131/11
Vorinstanz: KG, vom 28.11.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 6 U 236/12