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BVerwG - Entscheidung vom 04.11.2008

7 BN 2.08

BVerwG, Beschluß vom 04.11.2008 - Aktenzeichen 7 BN 2.08

DRsp Nr. 2008/20212

Gründe:

I. Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen eine Verordnung, durch die das Landratsamt Kitzingen ein Wasserschutzgebiet für eine Anlage der Trinkwassergewinnung festgesetzt hat, die von dem Beigeladenen betrieben wird. Die Brunnen dieser Anlagen liegen zum Teil links, zum Teil rechts des Mains. Bei der Bemessung der Schutzzonen berücksichtigte das Landratsamt, dass der Main nach den eingeholten hydrogeologischen Stellungnahmen hier vom Grundwasser unterströmt wird.

Der geplante Ausbau des Mains in diesem Bereich ist Gegenstand eines wasserstraßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses, gegen den der Beigeladene Klage beim Verwaltungsgerichtshof erhoben hat.

Die Klägerin hat gegen die Verordnung zur Festsetzung eines Wasserschutzgebiets einen Normenkontrollantrag gestellt. Sie hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof hilfsweise beantragt, die Akten des Klageverfahrens gegen den Planfeststellungsbeschluss beizuziehen und ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, wie sich der Ausbau des Mains auf die Grundwasserverhältnisse auswirkt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag der Antragstellerin abgelehnt und dabei unter anderem ausgeführt: Mögliche zukünftige Veränderungen als Folge eines Ausbaus des Mains könnten nicht berücksichtigt werden. Der Beigeladene habe den Planfeststellungsbeschluss angefochten. Im Anfechtungsprozess habe der Verwaltungsgerichtshof einen Beweisbeschluss erlassen. Deshalb sei derzeit nicht absehbar, wann oder ob überhaupt der Main so ausgebaut werde, wie das in dem Planfeststellungsbeschluss vorgesehen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

1. Die behaupteten Verfahrensfehler liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ).

a) Der Verwaltungsgerichtshof hat nicht gegen seine Pflicht verstoßen, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 86 Abs. 1 VwGO ), indem er keinen Beweis über die Tatsache erhoben hat, wie sich der planfestgestellte Ausbau des Mains auf die Grundwasserverhältnisse auswirken wird. Welche Tatsachen einer weiteren Aufklärung bedürfen, richtet sich nach der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts. Das Tatsachengericht braucht Tatsachen nicht weiter nachzugehen, auf die es nach seiner materiellrechtlichen Auffassung nicht entscheidungserheblich ankommt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im rechtlichen Ausgangspunkt angenommen, ob die Verordnung wirksam sei, beurteile sich grundsätzlich nach der Sachlage im Zeitpunkt des Normerlasses. Die Sachlage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sei maßgeblich, wenn nach dem Normerlass tatsächliche Entwicklungen eingetreten seien, die den Wegfall der Voraussetzungen für den Erlass der Verordnung zur Folge haben könnten. Dabei seien aber mögliche künftige Veränderungen nicht zu berücksichtigen, deren Eintritt noch nicht mit hinreichender Sicherheit absehbar sei.

Mit Rücksicht auf die angeordnete Beweisaufnahme in dem Anfechtungsverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, ob der Main ausgebaut werde, sei nicht mir hinreichender Sicherheit absehbar. Von diesem rechtlichen Ausgangspunkt aus gehörte der geplante Ausbau des Mains nicht zu der Sachlage, die für die Beurteilung einer Wirksamkeit der angegriffenen Verordnung maßgeblich ist. Mögliche Auswirkungen eines zwar beabsichtigten, in seiner Durchführung aber unsicheren Ausbaus des Mains auf die Grundwasserverhältnisse waren von daher nicht entscheidungserheblich und deshalb nicht weiter aufzuklären.

Ob die materiellrechtliche Rechtsauffassung des Tatsachengerichts zutrifft, ist für den Umfang seiner Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts unerheblich. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof entgegen der Darstellung der Antragstellerin nicht die rechtlichen Wirkungen eines erlassenen Planfeststellungsbeschlusses verkannt. Er hat lediglich das weitere prozessuale Schicksal des hier ergangenen Planfeststellungsbeschlusses und damit vor allem den tatsächlichen Ausbau des Mains für ungewiss gehalten.

b) Der Verwaltungsgerichtshof musste die Akten des Anfechtungsprozesses gegen den wasserstraßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluss auch nicht deshalb beiziehen, um den Stand des Anfechtungsprozesses näher aufzuklären. Weil das Klageverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss beim Verwaltungsgerichtshof anhängig war, war gerichtsbekannt, dass in diesem Verfahren ein Beweisbeschluss ergangen war. Gerichtskundige Tatsachen sind nicht beweisbedürftig (§ 173 VwGO , § 291 ZPO ). Eine förmliche Beiziehung der Akten erübrigte sich deshalb, zumal die Antragstellerin sie auch nicht beantragt hatte, um den genauen Stand des Anfechtungsverfahrens zu ermitteln. Die beizuziehenden Akten des Planfeststellungsverfahrens sollten vielmehr nur eine tatsächliche Grundlage für das von ihr letztlich angestrebte Sachverständigengutachten bilden, weil sich aus diesen Akten Art und Ausmaß des geplanten Ausbaues des Mains ergeben konnten.

Dass in dem Anfechtungsprozess gegen den Planfeststellungsbeschluss ein Beweisbeschluss ergangen war, ist mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert worden, wie die Antragstellerin selbst vorträgt. Das reicht bei nicht weiter beweisbedürftigen gerichtskundigen Tatsachen für deren Verwertung durch das Gericht aus.

2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO .

Die Antragstellerin möchte die Frage geklärt wissen,

ob die Verwaltungsgerichte in ihren Entscheidungen Auswirkungen im zu entscheidenden Verfahren nicht streitbefangener behördlicher Genehmigungen bzw. von Planfeststellungsbeschlüssen, deren Wirksamkeit in einem anderweitigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren überprüft wird, auf den zu entscheidenden Verfahrensgegenstand zu beachten haben.

Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Sie könnte in der gestellten Form ohnehin nicht allgemeingültig in einem Revisionsverfahren beantwortet werden. Die Antwort kann vielmehr nur von Fall zu Fall gegeben werden, weil sie von dem Gegenstand des jeweiligen Verfahrens und dem dafür einschlägigen Recht abhängt. Denn dieses bestimmt, inwieweit anderweit streitige behördliche Genehmigungen oder Planfeststellungen berücksichtigt werden können.

Im konkreten Fall ging es im Übrigen nicht darum, ob der Verwaltungsgerichtshof den ergangenen Planfeststellungsbeschluss zu beachten hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat nicht in Frage gestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss mit seinem Erlass wirksam ist und die Anfechtungsklage mit ihrer aufschiebenden Wirkung nicht die Wirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses hinausschiebt, sondern nur dessen Vollzug hemmt. Von möglicher Bedeutung für die Festsetzung des Wasserschutzgebiets ist nicht der Planfeststellungsbeschluss als solcher, sondern der tatsächliche Ausbau des Mains. Dieser hängt aber davon ab, ob der Planfeststellungsbeschluss in dem gegen ihn anhängig gemachten Klageverfahren Bestand haben wird. Wegen der Unsicherheit über den Ausgang des Klageverfahrens und damit wegen der Unsicherheit über den tatsächlichen Ausbau des Mains hat der Verwaltungsgerichtshof diesen in seinen Auswirkungen auf die Grundwasserverhältnisse nicht berücksichtigt. In diesem Zusammenhang liegt auf der Hand und ist deshalb nicht weiter klärungsbedürftig, dass für die Wirksamkeit der Festsetzung eines Wasserschutzgebiets zukünftige Entwicklungen allenfalls dann von Bedeutung sein können, wenn sie mit hinreichender Sicherheit eintreten werden.

3. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 1982 - BVerwG 3 C 6.82 - (BVerwGE 66, 218 = Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 71) abgewichen.

Die Antragstellerin entnimmt dieser Entscheidung den abstrakten Rechtssatz, der Eintritt der aufschiebenden Wirkung habe nur zur Folge, dass der angefochtene Verwaltungsakt vorläufig nicht vollzogen werden dürfe, dagegen beseitige die aufschiebende Wirkung nicht die Wirksamkeit des angefochtenen Verwaltungsakts. Der Verwaltungsgerichtshof hat keinen gegenteiligen abstrakten Rechtssatz aufgestellt. Wie bereits dargelegt, leugnet der Verwaltungsgerichtshof die Wirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses trotz dessen Anfechtung nicht. Für den Verwaltungsgerichtshof kam es nicht auf die Wirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses, sondern auf den tatsächlichen Ausbau des Mains an. Dieser war aber nach seiner Auffassung unsicher, weil der Bestand des Planfeststellungsbeschlusses wegen seiner Anfechtung und des offenen Ausgangs des Anfechtungsprozesses unsicher war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 , § 162 Abs. 3 VwGO , die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: VGH Bayern, vom 13.02.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 22 N 06.484