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BGH - Entscheidung vom 14.02.2008

I ZB 39/07

Normen:
ZPO § 51 § 78b

BGH, Beschluß vom 14.02.2008 - Aktenzeichen I ZB 39/07

DRsp Nr. 2008/8715

Geltendmachung der Prozessunfähigkeit im Rechtsbeschwerdeverfahren

Will der Rechtsbeschwerdeführer mit seinem Rechtsmittel seine Prozessunfähigkeit geltend machen, so kann er den Auftrag hierzu nicht selbst, sondern nur durch einen vom Amtsgericht zu bestellenden Betreuer wirksam erteilen. Unterbleibt dieses trotz eines Hinweises des mit der Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens beauftragten Rechtsanwalts, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen. In diesem Fall liegen auch die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Notanwalts nicht vor.

Normenkette:

ZPO § 51 § 78b ;

Gründe:

I. Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem dem Schuldner am 29. April 1996 zugestellten Vollstreckungsbescheid. Sie erteilte erstmals am 4. März 1999 Vollstreckungsauftrag, in dem sie für den Fall der fruchtlosen Pfändung die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung beantragte. Nach mehreren Umzügen des Schuldners bestimmte der Gerichtsvollzieher Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auf den 5. Februar 2003. Den Widerspruch des Schuldners wies das Amtsgericht zurück. Der Schuldner begründete seine dagegen gerichtete sofortige Beschwerde insbesondere damit, dass er prozessunfähig sei. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und den Schuldner im Ergebnis für prozessfähig gehalten. Es hat angenommen, aufgrund diverser von dem Schuldner vorgelegter Unterlagen bestünden zwar gewisse Anhaltspunkte für dessen Prozessunfähigkeit; der Schuldner habe jedoch über einen längeren Zeitraum vielfache Versuche des Gerichts, durch eine fachärztliche Stellungnahme Klarheit über seine Prozessfähigkeit zu gewinnen, durch sein Verhalten scheitern lassen.

II. Die statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob sich die Unzulässigkeit aus dem Fehlen einer fristgemäßen Rechtsbeschwerdebegründung oder daraus ergibt, dass der Schuldner prozessunfähig ist.

1. Sollte mit dem Landgericht von einer Prozessfähigkeit des Schuldners auszugehen sein, so ist die Rechtsbeschwerde nicht innerhalb der gesetzlichen Form und Frist begründet (§ 577 Abs. 1 , § 575 Abs. 1 ZPO ). Die Begründung konnte nach § 78 Abs. 1 ZPO nur durch einen am Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt erfolgen.

a) Die Rechtsbeschwerde ist zwar - die Prozessfähigkeit des Schuldners unterstellt - von Rechtsanwalt X am 19. April 2007 wirksam im Auftrag des Schuldners eingelegt worden. Sie wurde jedoch innerhalb der bis zum 4. Juli verlängerten Begründungsfrist weder von Rechtsanwalt X noch von einem anderen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt begründet. Vielmehr hat Rechtsanwalt X am 4. Juni 2007 sein Mandat niedergelegt, ohne dass im Anschluss daran ein anderer beim Bundesgerichtshof zugelassener Rechtsanwalt die Vertretung des Schuldners übernommen hat.

b) Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe konnte den Fristablauf nicht hemmen, weil der Schuldner trotz gerichtlichen Hinweises vom 16. April 2007 innerhalb der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemäß § 117 Abs. 2 ZPO vorgelegt hat.

c) Der Antrag auf Bestellung eines Prozesspflegers steht dem Fristablauf nicht entgegen, weil er unstatthaft war. Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Prozesspflegers sind im Streitfall nicht gegeben. Die Zivilprozessordnung sieht lediglich für den Fall, dass ein Kläger eine prozessunfähige Partei verklagen möchte, die vom Kläger zu beantragende Möglichkeit der Bestellung eines Prozesspflegers vor (§ 57 Abs. 1 ZPO ). Ein Prozesspfleger kann dagegen nicht auf Antrag der - möglicherweise - prozessunfähigen Partei bestellt werden.

d) Dem Schuldner war auch nicht vor Fristablauf ein Notanwalt gemäß § 78b ZPO zu bestellen, der dann die Rechtsbeschwerde noch fristgemäß hätte begründen können. Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Notanwalts liegen nicht vor.

Der Schuldner hatte mit Rechtsanwalt X einen Rechtsanwalt für seine Vertretung gefunden, der ausweislich seines Schreibens an den Schuldner vom 4. Juni 2007 auch zur fristgemäßen Begründung der Rechtsbeschwerde bereit war. Rechtsanwalt X hat den Schuldner in diesem Schreiben allerdings zutreffend darüber belehrt, dass er mit der Rechtsbeschwerde allenfalls die mangelnde Prozessfähigkeit des Schuldners geltend machen könne und dass dies durch einen vom zuständigen Amtsgericht bestellten Betreuer erfolgen müsse. Obwohl er - Rechtsanwalt X - auf die Notwendigkeit der Bestellung eines Betreuers und einer von diesem erteilten Genehmigung für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens bereits mit Schreiben vom 19. April 2007 hingewiesen gehabt habe, habe der Schuldner dazu nichts veranlasst.

Die von Rechtsanwalt X zutreffend erkannten Voraussetzungen für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens sind seitens des Schuldners nicht erfüllt worden. Geht man von Prozessfähigkeit des Schuldners aus, hätten sie auch gar nicht erfüllt werden können, weil eine Betreuerbestellung nicht in Betracht kam. Unter diesen Umständen ist die Mandatsniederlegung durch Rechtsanwalt X allein auf das Verhalten des Schuldners zurückzuführen. Die Bestellung eines Notanwalts nach § 78b Abs. 1 ZPO scheidet deshalb aus.

2. Sollte der Schuldner dagegen, wie er behauptet, prozessunfähig sein, so wäre die Rechtsbeschwerde nicht wirksam eingelegt worden. Denn der Schuldner hätte Rechtsanwalt X keine wirksame Prozessvollmacht erteilt. Auch eine spätere Genehmigung der Einlegung der Rechtsbeschwerde wäre nicht erfolgt. Die Rechtsbeschwerde ist in diesem Fall als unzulässig zu verwerfen (BGH, Urt. v. 5.4.2001 - IX ZR 309/00, NJW 2001, 2095 , 2096).

Ist der Schuldner prozessunfähig, so ist die an ihn erfolgte Zustellung des landgerichtlichen Beschlusses unwirksam (§ 170 Abs. 1 Satz 2 ZPO ). Die Rechtsbeschwerdefrist ist dann nicht in Gang gesetzt. Der Schuldner hat in diesem Fall die Möglichkeit, den unabhängig von der Wirksamkeit der Zustellung jedenfalls existent gewordenen Beschluss noch mit der Rechtsbeschwerde anzufechten (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO , 26. Aufl., § 329 Rdn. 9). Dies könnte allerdings nur durch einen vom Vormundschaftsgericht bestellten Betreuer geschehen, der einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt dazu bevollmächtigt.

III. Die Beiordnung eines Notanwalts nach § 78b ZPO ist schon deshalb abzulehnen, weil - wie sich aus den Ausführungen oben unter II 1 d ergibt - Rechtsanwalt X bei dem Schuldner zumutbaren Anstrengungen zur Fortsetzung der Vertretung bereit war (vgl. BGH, Beschl. v. 27.4.1995 - III ZB 4/95, NJW-RR 1995, 1016; Beschl. v. 16.2.2004 - IV ZR 290/03, NJW-RR 2004, 864 ).

IV. Wie ebenfalls oben unter II 1 d dargelegt, fehlen auch die Voraussetzungen für die (vorläufige) Bestellung eines Prozesspflegers nach § 57 Abs. 1 ZPO .

V. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist, wie schon ausgeführt, bereits deshalb abzulehnen, weil der Schuldner trotz entsprechender Aufforderung nicht die gemäß § 117 Abs. 2 ZPO erforderliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt hat.

Vorinstanz: LG Karlsruhe, vom 30.03.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 11 T 201/03
Vorinstanz: AG Karlsruhe, vom 17.03.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 4 M 9121/03