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BGH - Entscheidung vom 13.11.2008

5 StR 507/08

BGH, Beschluß vom 13.11.2008 - Aktenzeichen 5 StR 507/08

DRsp Nr. 2008/21855

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Der Angeklagte wendet sich mit der nicht ausgeführten Sachrüge gegen seine Verurteilung; sein Rechtsmittel hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete der Angeklagte seinen 85 Jahre alten Großvater aus Wut über dessen Beschimpfungen durch mehrere Messerstiche, nachdem er ihn zuvor unter Vorhalt eines Messers zur Herausgabe von Geld genötigt hatte. Das Rechtsmittel ist gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet, soweit es sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet.

Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Nach den Feststellungen drängte sich eine Prüfung, ob eine Maßregel nach § 64 StGB anzuordnen ist, auf. Danach liegt bei dem 1985 geborenen Angeklagten ein chronisches Alkoholmissbrauchsverhalten vor, "die Beschaffung von Alkohol stellt ein zentrales Thema in seinem Leben dar" (UA S. 3). Seit seiner Umsiedlung nach Deutschland im Jahre 2004 trank der Angeklagte viel Alkohol. Die von ihm begonnene Ausbildungsmaßnahme wurde wegen Fehlzeiten abgebrochen. Da er in der elterlichen Wohnung keinen Alkohol trinken durfte, hielt sich der Angeklagte zunehmend bei einem alkoholkranken Freund auf. Die abgeurteilte Tat beging der Angeklagte im Zustand alkoholbedingt verminderter Steuerungsfähigkeit. Mit dem erbeuteten Geld wollte er Alkohol kaufen.

Diese festgestellten Umstände legen nahe, dass die Tat auf einen Hang des Angeklagten zurückgeht, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Dem steht nicht entgegen, dass die Strafkammer eine Alkoholabhängigkeit nicht festzustellen vermochte. Denn für die Annahme eines Hangs im Sinne des § 64 StGB ist dies nicht Voraussetzung; vielmehr genügt eine eingewurzelte, aufgrund psychischer Disposition bestehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen (BGH NStZ-RR 2004, 39 , 40; BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 4, 5). Zudem ist nicht ersichtlich, dass eine Suchtbehandlung des therapieunerfahrenen Angeklagten keine hinreichend konkrete Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 64 Satz 2 StGB bietet.

Der Teilaufhebung steht nicht entgegen, dass § 64 StGB durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I, 1327) von einer Muss- in eine Sollvorschrift umgestaltet worden ist. Dies macht die Prüfung des § 64 StGB durch den Tatrichter nicht entbehrlich. Dieser muss vielmehr das Ermessen tatsächlich ausüben und die Ermessensentscheidung für das Revisionsgericht nachprüfbar machen (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 73 f.).

Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGHSt 37, 5 ). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen.

Der Senat kann hier ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung eine geringere Strafe verhängt hätte.

Die Frage nach der Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB bedarf mithin unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO ) der Prüfung und Entscheidung durch ein neues Tatgericht.

Vorinstanz: LG Dresden, vom 19.05.2008