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Wunschschule mit besonderem pädagogischen Profil

Der Wunsch nach Beschulung an einer Montessori-Grundschule kann einen Anspruch auf Zuweisung an eine „Wunschschule“ außerhalb des festgelegten Schulbezirks begründen. Das hat das OVG Rheinland-Pfalz in einem Eilverfahren entschieden. Ein „wichtiger Grund“ für eine solche Zuweisung kann sich demnach auch aus einem besonderen pädagogischen Profil und Schwerpunkt im schulischen Angebot ergeben.

Darum geht es

Die Eltern eines Kindes, das zum kommenden Schuljahr 2023/2024 eingeschult wird, beantragen Zuweisung an ihre „Wunschschule“ – eine Montessori-Grundschule.

Die Eltern hatten u.a. geltend gemacht, sie wünschten für ihr Kind, wie schon zuvor für die beiden älteren Geschwister, die Beschulung nach dem „pädagogischen Konzept nach Montessori“ an einer nur ca. drei Kilometer von der eigentlich zuständigen Grundschule entfernt liegenden Montessori-Grundschule.

Das Verwaltungsgericht lehnte die begehrte einstweilige Anordnung ab und bestätigte die Auffassung der Behörde, wonach die pädagogische Ausrichtung nach dem Montessori-Konzept keinen wichtigen Grund für eine Zuweisung an eine nach den festgelegten Schulbezirken unzuständige Grundschule darstelle.

Ein besonderer pädagogischer Förderbedarf des Kindes, der nur an der Wunschschule erfüllt werden könne, sei nicht ersichtlich.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts war vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz erfolgreich.

Ein wichtiger Grund für die Zuweisung an eine andere Grundschule auf Antrag der Eltern liege dann vor, wenn es nach der individuellen Situation des betroffenen Schülers und seiner Eltern als nicht gerechtfertigt erscheine, dass sie die (für sie nachteiligen) Folgen hinnehmen müssten, die mit der sich aus der Festlegung von Schulbezirken ergebenden Pflicht, eine bestimmte Grundschule zu besuchen, einhergingen.

Diese nachteiligen Folgen müssten zugleich von einigem Gewicht sein, und eine unbillige Belastung darstellen, die über bloße Unannehmlichkeiten hinausgingen, um das öffentliche Interesse an einer Verteilung der Schüler durch Einhaltung der Schulbezirke zu überwiegen, und die auch nicht regelmäßig von einer Vielzahl von Schülern geltend gemacht werden könnten.

Bei der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs des „wichtigen Grundes" in § 62 Abs. 2 Satz 3 des Schulgesetzes und der Bestimmung dessen, wann und ob ein solcher nach den Umständen des konkreten Einzelfalls vorliege, sei dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Festlegung von Schulbezirken in Ausgestaltung des staatlichen Erziehungsauftrags aus Art. 7 Grundgesetz zwar im Grundsatz aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden sei.

Angesichts des damit im Einzelfall allerdings möglicherweise einhergehenden Eingriffs in das Recht auf die freie Wahl der Ausbildungsstätte aus Art. 12 Grundgesetz und das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz sei die Ausnahmevorschrift des § 62 Abs. 2 Satz 3 Schulgesetz auch und nicht zuletzt im Lichte dieser verfassungsrechtlichen Garantien auszulegen und die genannten Verfassungsgüter bei der Anwendung der Ausnahmevorschrift im Einzelfall zum Ausgleich zu bringen.

Die Ablehnung des Zuweisungsantrags an die „Wunschschule“ sei vor dem Hintergrund dieses verfassungsrechtlichen Spannungsfeldes zu messen. Der Begriff des „wichtigen Grundes“ umfasse danach sowohl soziale wie pädagogische Gründe von einigem Gewicht.

Nicht jeder Unterschied in der pädagogischen Ausrichtung des Unterrichts an einer einzelnen Schule stelle zugleich einen wichtigen (pädagogischen) Grund dar.

Würden die nach der Festlegung der Schulbezirke zuständige Schule und die „Wunschschule“ aufgrund ihres pädagogischen Profils allerdings über den üblichen pädagogischen Gestaltungsspielraum, den die Lehrpläne gewähren, hinaus im Sinne einer speziellen Profilbildung voneinander abweichen, sei dies für die Beurteilung des Vorliegens eines „wichtigen Grundes“ angesichts der verfassungsrechtlichen Vorprägung der Ausnahmebestimmung des § 62 Abs. 2 Satz 3 Schulgesetz von besonderem Belang.

Das Unterrichtskonzept der Montessori-Schulen sei als eine in diesem Sinne besondere pädagogische Profilbildung mit einem besonderen Pädagogischen Schwerpunkt im schulischen Angebot zu begreifen.

Eines speziellen Förderbedarfs des betroffenen Schülers bedürfe es nicht. Dieses Erfordernis könne § 62 Abs. 2 Satz 3 Schulgesetz nicht entnommen werden.

Es könnten daher grundsätzlich nur gegenläufige öffentliche Interessen von mindestens vergleichbarem Gewicht, die also den pädagogischen Wünschen und Überzeugungen der Eltern zumindest die Waage hielten, geeignet sein, im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung den Antrag abzulehnen.

Solche habe die Behörde im vorliegenden Fall allerdings nicht geltend gemacht.

OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 26.06.2023 – 2 B 10435/23.OVG