Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0

Voreheliche Kinderbetreuung kein ehebedingter Nachteil

Die geraume Zeit vor der Eheschließung aufgenommene Betreuung eines gemeinsamen Kindes und eine damit verbundene Aufgabe des Arbeitsplatzes begründen keinen ehebedingten Nachteil.

Darum geht es

Häufig betreut ein Partner in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft Kinder und reduziert deswegen seine Berufstätigkeit. Wird später geheiratet und die Ehe nach einigen Jahren wieder geschieden, stellt sich die Frage, ob die voreheliche Kinderbetreuung bei der Feststellung ehebedingter Nachteile von Bedeutung ist.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der BGH stellt erneut klar, dass es für die Billigkeitsabwägung des § 1578b BGB in erster Linie auf ehebedingte Nachteile ankommt, die darin bestehen, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte durch seine Erwerbstätigkeit den eigenen Unterhalt nicht oder nicht vollständig sicherstellen kann. Diese Nachteile müssen ehebedingt, also auf die konkrete Lebensgestaltung während der Ehe zurückzuführen sein. Daher ist eine Kausalität zwischen den Lebensbedingungen während der Ehe und den festgestellten Nachteilen erforderlich.

Die geraume Zeit (hier: ca. zweieinhalb Jahre) vor der Eheschließung aufgenommene Betreuung eines gemeinsamen Kindes kann folglich keinen ehebedingten Erwerbsnachteil begründen.

Auch wenn damit nicht ausgeschlossen ist, dass noch durch die nacheheliche Kinderbetreuung Nachteile entstehen oder vergrößert werden können, ist jedenfalls eine über einen längeren Zeitraum praktizierte voreheliche Kinderbetreuung davon nicht erfasst (BGH, Urt. v. 07.03.2012 – XII ZR 25/10, DRsp-Nr. 2012/6786 = FamRZ 2012, 776 Rdnr. 19). Ebenso wenig vermögen die längere Zeit vor der Eheschließung getroffenen beruflichen Dispositionen des späteren Ehegatten für ihn einen ehebedingten Nachteil zu begründen, und zwar auch dann nicht, wenn diese unmittelbar durch das voreheliche Zusammenleben veranlasst worden waren (BGH, Urt. v. 06.10.2010 – XII ZR 202/08, DRsp-Nr. 2010/19139 und Urt. v. 02.02.2011 – XII ZR 11/09, DRsp-Nr. 2011/13105).

Allein das Zusammenleben in nicht ehelicher Lebensgemeinschaft vor der Eheschließung begründet keine rechtlich gesicherte Position. Die spätere Eheschließung wirkt nicht auf die Zeit des vorherigen Zusammenlebens und der Betreuung gemeinschaftlicher Kinder zurück (BGH, Urt. v. 07.03.2012 – XII ZR 25/10, DRsp-Nr. 2012/6786). Die Eheschließung kann deshalb auch keine rückwirkende Haftung für solche auf der Kinderbetreuung beruhenden Erwerbsnachteile begründen, die dem betreuenden Elternteil im Zeitpunkt der Eheschließung bereits entstanden waren.

Allerdings kann sich ein ehebedingter Nachteil aus der Fortsetzung der Kinderbetreuung nach der Eheschließung ergeben, wenn und soweit ein Ehegatte mit Rücksicht auf die Ehe und die übernommene oder fortgeführte Rollenverteilung auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet.

Um einen ehebedingten Nachteil der Höhe nach bemessen zu können, müssen Feststellungen zum angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten i.S.d. § 1578b Abs. 1 Satz 1 BGB und zum Einkommen getroffen werden, das der Unterhaltsberechtigte tatsächlich erzielt bzw. bei Ausschöpfung seiner Erwerbsmöglichkeiten nach §§ 1574, 1577 BGB erzielen könnte. Der angemessene Lebensbedarfs bemisst sich dabei i.d.R. nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte.

Weiter befasst sich der BGH mit der praktisch bedeutsamen Frage, welche Erwägungen zum Verlauf einer hypothetischen Erwerbsbiografie anzustellen sind. Auf die Kündigung ihres Arbeitsplatzes durch die Ehefrau darf nicht abgestellt werden, da dieser bereits vor der Eheschließung gekündigt worden war. Zudem wurde beanstandet, dass das OLG bei den Überlegungen zum fiktiven Einkommen die Daten aus der Auskunft zum Versorgungsausgleich herangezogen hatte. Für die in der DDR aufgewachsene und berufstätige Ehefrau sind darin aber Beträge einbezogen, denen kein tatsächlich erzielter Arbeitsverdienst in gleicher Höhe zugrunde liegt und die daher nicht als Grundlage einer fiktiven Einkommensermittlung herangezogen werden können.

Der Unterhaltsberechtigte kann im Rahmen der sekundären Darlegungslast (BGH, Urt. v. 24.03.2010 – XII ZR 175/08, DRsp-Nr. 2010/7686 = FamRZ 2010, 875 Rdnr. 18 ff.) auf vergleichbare Karriereverläufe hinweisen, um sein Vorbringen zu den seinerzeit vorhandenen beruflichen Entwicklungschancen plausibel zu machen (BGH, Urt. v. 26.10.2011 – XII ZR 162/09, DRsp-Nr. 2011/20444 = FamRZ 2012, 93 Rdnr. 24 und Urt. v. 11.07.2012 – XII ZR 72/10, DRsp-Nr. 2012/16415 = FamRZ 2012, 1483 Rdnr. 41). Das setzt aber voraus, dass die Erwerbsbiografien der Vergleichspersonen überhaupt genügend Berührungspunkte aufweisen.

Folgerungen aus der Entscheidung

Abschließend verweist der BGH darauf, dass auch die nacheheliche Solidarität einer Befristung des Anspruchs entgegenstehen kann (BGH, Urt. v. 30.03.2011 – XII ZR 63/09, DRsp-Nr. 2011/7532 = FamRZ 2011, 875 Rdnr. 16 und Urt. v. 02.03.2011 – XII ZR 44/09, DRsp-Nr. 2011/5838 = FamRZ 2011, 713 Rdnr. 22).

Die bisherigen Feststellungen des OLG stehen jedoch – auch unter Berücksichtigung der ca. 13-jährigen Ehedauer und der von der Ehefrau erbrachten Betreuungsleistungen für das gemeinsame Kind – der Annahme nicht entgegen, dass ein unbefristet fortdauernder Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig erscheinen könnte. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse der Parteien, da die Ehefrau aus eigenen Einkünften auch ohne Unterhaltszahlungen des Ehemannes einen über ihrem Mindestbedarf liegenden Lebensbedarf sicherzustellen vermag und die Einkommensverhältnisse des Ehemannes bestenfalls durchschnittlich sind.

Die Entscheidung macht deutlich, dass die Partner einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft nur einen sehr eingeschränkten gegenseitigen Schutz genießen. So zählen voreheliche Zeiten auch beim Versorgungsausgleich nicht mit. Eine soziale Absicherung in Form von Witwen- oder Witwerrenten besteht nicht. Unterhaltsansprüche gewährt das Gesetz nur im eingeschränkten Rahmen des § 1615l BGB. Auch eine wechselseitige Beteiligung am Vermögenszuwachs des anderen Partners wie beim ehelichen Zugewinnausgleich findet nicht statt.

Praxishinweis

Feststellungen zum erzielbaren Einkommen kann das Gericht nur treffen, wenn ausreichender anwaltlicher Sachvortrag vorhanden ist. Daher ist die entscheidende Aufgabe des Anwalts, ausreichend substanziierten Vortrag hierzu in das gerichtliche Verfahren einzuführen.

Weiter zum Volltext: BGH, Urt. v. 20.02.2013 - XII ZR 148/10, DRsp-Nr. 2013/6352

Lesen Sie hierzu auch: Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) isoliert