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Voraussetzungen der Begrenzung und Befristung des Unterhaltsanspruchs (Teil 5)

Nach bisherigem Recht gibt es weder eine schematische Bindung zwischen Ehedauer und Gewährung des vollen Unterhalts im Sinne einer zeitlichen Entsprechung oder einer festen Zeitgrenze, noch eine absolute zeitliche Obergrenze einer Ehedauer, nach der die Befristung generell ausscheidet.

Fortsetzung des mehrteiligen Beitrags von Dr. Wolfram Viefhues zur Fachkonferenz Reformen im Familienrecht – Rückblick und Ausblick“ vom 21.11.2008

10. Nachteile aus der Dauer der Ehe

Die Dauer der Ehe betrifft der Zeitraum von der Eheschließung bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags (Eschenbruch, Unterhaltsprozess, Rdnr. 1425 m.w.N.).

In früheren Entscheidungen zu § 1573 Abs. 5 BGB ist von einer Art Sperrwirkung einer bestimmten Ehedauer ausgegangen worden, nach deren Überschreiten eine Befristung generell ausgeschlossen worden ist. Diese Grenzen sind aber bereits in der Rechtsprechung zu § 1573 Abs. 5 BGB weitgehend aufgeweicht worden, indem auch bei einer relativ langen Ehedauer im Einzelfall noch eine zeitliche Begrenzung zugelassen worden ist (weitere Entscheidungen bei Kleffmann in: Scholz-Stein, Praxishandbuch Familienrecht, Teil H Rdnr. 163 und Büte FPR 2005, 316, 317; vgl. auch die Darstellung von Entscheidungen des BGH und der Obergerichte in: Klein, Das neue Unterhaltsrecht, 2008, S. 119–132; zur bisherigen Begrenzungsvorschrift des § 1573 Abs. 5 BGB).

So nach:

10 Jahren                            (BGH, Urt. v. 28.03.1990 – XII ZR 64/89, FamRZ 1990, 857)
über 11 Jahren                    (BGH, Urt. v. 25.10.2006 – XII ZR 190/03, FamRZ 2007, 200)
14 Jahren und 9 Monaten   (BGH, Urt. v. 12.04.2006 – XII ZR 240/03)
15 Jahren                            (OLG Frankfurt, Urt. v. 05.11.1997 – 2 UF 307/96, FamRZ 1999, 97)
16 Jahren                            (OLG Hamm, Urt. v. 22.12.1994 – 3 UF 282/ 94, FamRZ 1995, 1204)
18 Jahren                            (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.09.2008 , II-3 UF 63/08)
mehr als 20 Jahren             (BGH, Urt.v. 26.09.2007 – XII ZR 64/89, FamRZ 2007, 2049) 
mehr als 21 Jahren             (OLG Stuttgart, Urt.v.5.8.2008, 17 UF 42/08)
mehr als 22 Jahren             (BGH, Urt. v. 26.09.2007 – XII ZR 15/05, FamRZ 2007, 2052)
mehr als 23 Jahren             (OLG Naumburg, FF 2002, 67 mit abl. Anm. Büttner FF 2002, 68)
mehr als 25 Jahren             (OLG Koblenz, Urt. v. 2.11.2006 - 7 UF 774/05, FamRZ 2007, 833)
von 27 Jahren                     (OLG Bremen, ZFE 2008, 310)
mehr als 28 Jahren              jurisPR-FamR 26/2005, Anm. 3, Viefhues; jurisPR-FamR 11/2006 Anm. 1 Maes)

Festgehalten werden kann, dass es schon nach bisherigem Recht keine schematische Bindung zwischen Ehedauer und Gewährung des vollen Unterhalts im Sinne einer zeitlichen Entsprechung oder einer festen Zeitgrenze gibt (BGH, FamRZ 2006, 1006 mit Anm. Born; OLG Karlsruhe FamRZ 1989, 511; Reinken ZFE 20008, 58, 59; OLG Zweibrücken NJW Spezial 2008, 388). Auch gibt es keine absolute zeitliche Obergrenze einer Ehedauer , nach der die Befristung generell ausscheidet (Borth, Unterhaltsrechtsänderungsgesetz 2008, Rdnr. 151 m.w.N.).

Umgekehrt kann auch bei einer kurzen Ehedauer eine Befristung ausgeschlossen sein (vgl. BGH, Urt. v. 12.04.2006 – XII ZR 240/03, FamRZ 2006, 1006).

Das Zeitmoment ist lediglich als Hilfsargument zu verstehen, um den Umfang der wirtschaftlichen Dispositionen der Ehegatten zu erfassen. Je länger die Ehe gedauert hat, desto schwieriger wird die zeitliche Begrenzung sein, weil im Regelfall die wirtschaftliche Verflechtung der Eheleute (dazu siehe BGH, Urt.v. 26.09.2007 – XII ZR 11/05, FamRZ 2007, 2049 mit Anm. Hoppenz FamRZ 2007, 2054, 2055) und die Abhängigkeit normalerweise mit zunehmender Dauer stärker ausgeprägt sind. Entscheidend ist dabei aber nicht der abstrakte Zeitraum der Ehedauer, sondern die Zeit der gegenseitigen wirtschaftlichen Verflechtungen und die Intensität der konkreten wirtschaftlichen Abhängigkeiten.

Zu unterscheiden ist zwischen den Gesichtspunkten der Dauer der Ehe, der Dauer einer Berufsunterbrechung bzw. beruflichen Einschränkung durch Teilzeitarbeit und dem Alter des Unterhaltsberechtigten.

Dauer der Berufsunterbrechung:

Der Dauer einer Berufsunterbrechung kommt größere Bedeutung zu für die Frage, wie leicht oder wie schwer der berufliche Wiedereinstieg gelingen kann.

OLG Köln, Urt.v. 10.06.2008, 4 UF 252/07:

Die nunmehr fast 49-jährige Antragsgegnerin hat mit 20 Jahren geheiratet und zwei Kinder groß gezogen.
Die Ehe dauerte von der Eheschließung am 08.01.1980 bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens am 06.06.2005 über 25 Jahre. Es liegt auf der Hand, dass in dieser Zeit, in der die Antragsgegnerin nur hin und wieder sporadisch geringfügig erwerbstätig war, eine starke wirtschaftliche Verflechtung zwischen den Eheleuten mit der Folge einer ehezeitbedingt wachsenden wirtschaftlichen Abhängigkeit der Antragsgegnerin vom Antragsteller entstanden ist, die auch in absehbarer Zeit aufgrund der ehebedingten Umstände in beruflicher Hinsicht nicht wird behoben werden können.

Je mehr aber die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten auf ehebedingten Umständen beruht, desto weniger kommt eine Befristung nach § 1578b Abs. 2 BGB in Betracht (vgl. Palandt/Brudermüller, a.a.O., Rn. 6 m.w.N.). Entsprechendes gilt auch für die Beschränkung des Anspruchs auf den angemessenen Lebensbedarf (Palandt/Brudermüller, a.a.O., Rn. 15).

AG Flensburg, Urt.v. 27.03.2008, F 220/07 UE:
Die Ehefrau hat erhebliche ehebedingte Nachteile in Kauf nehmen müssen. Sie hat 1977 ihre Berufsausbildung zur Rechtsanwalts- und Notargehilfin abgeschlossen. 1979 hat sie die Ehe geschlossen und als Schreibkraft im Finanzamt bis Dezember 1982 gearbeitet. Danach hat sie sich nur noch der Haushaltstätigkeit und der Betreuung der drei gemeinsamen Kinder gewidmet. Ihre ursprüngliche Berufsausbildung ist aufgrund der langen Zeit der Nichterwerbstätigkeit und insbesondere aufgrund der Einführung der Computertechnik im Rechtsanwalts- und Notarbereich faktisch nicht mehr verwertbar.

Nennenswerte Berufserfahrung hat sie nicht sammeln können. Ihr stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur ungelernte Tätigkeiten offen, durch die sie nur noch ein Einkommen zwischen 800 € und 900 € monatlich erzielen kann. Bei einer entsprechenden Tätigkeit als Rechtsanwalts- und Notargehilfin hätte die Klägerin mittlerweile über einer erhebliche Berufserfahrung verfügt. Damit wären Einkünfte von 1.600 € brutto erzielbar. Dies entspricht einem monatlichen Nettoeinkommen von ca. 1.100 €. Dieser Einkommensunterschied ist als dauerhaft fortwirkender ehebedingter Nachteil anzusehen. Die Verteilung von Haushalt und Erwerbstätigkeit zwischen den Parteien entsprach auch der Lebensplanung der Parteien.

Auch die übrigen Umstände sprechen gegen eine Befristung oder Begrenzung des Unterhaltsanspruchs. Die Ehedauer betrug 23 Jahre. Die Parteien haben drei gemeinsame Kinder. Aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters von 50 Jahren wird sie auch erhebliche Schwierigkeiten haben, überhaupt auf dem Arbeitsmarkt eine entsprechende Tätigkeit zu finden. Zudem ist die Unterhaltshöhe von 200 € bis 250 € relativ gering, sodass sich für den Kläger daraus auch keine unzumutbare Belastung ergibt.

Alter des Unterhaltsberechtigten:

Das Alter des Unterhaltsberechtigten hat große Bedeutung für die Chancen auf eine berufliche Wiedereingliederung,(Reinken ZFE 2008, 58, 60; Borth, Unterhaltsrechtsänderungsgesetz 2008, Rdnr. 110) steht aber nicht zwingend im Zusammenhang mit der Dauer der Ehe und beinhaltet auch keine absolute Sperre gegen eine Befristung (Viefhues/Mleczko, Das neue Unterhaltsrecht 2008, Rdnr. 366). Argumentiert werden kann in derartigen Fällen auch damit, dass der Unterhaltsberechtigte angesichts seines Alters nicht mehr ausreichend Zeit haben wird, seine Nachteile abzubauen bzw. noch eine angemessene Versorgung zu erwirtschaften.

OLG Zweibrücken, Urt. v. 17.1.2008 - 6 UF 132/06:
Auch bei einer 54 Jahre alten Ehefrau kann nach fast 21 Ehejahren der Unterhalt befristet werden, selbst wenn ihre berufliche Zukunft nicht gesichert ist. Diese ungesicherte berufliche Zukunft der Ehefrau ist durch eine großzügige Übergangsfrist zu berücksichtigen.

Bei langjähriger Ehe und einem älteren Berechtigten dürfte in aller Regel eine Befristung ausscheiden (Schürmann in jurisPR-FamR 12/2008 Nr. 5). Jedoch kann eine Befristung des nachehelichen Aufstockungsunterhalts regelmäßig nicht allein mit der Erwägung abgelehnt werden, damit entfalle der Einsatzzeitpunkt für einen späteren Anspruch auf Altersunterhalt nach § 1571 Nr. 3 BGB (BGH Urteil v. 25.06.2008, XII ZR 109/07; FamRZ 2008, 1508).

Dauer der Ehe:

Die Dauer der Ehe als solche hat dagegen Bedeutung für den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes (vgl. auch OLG Zweibrücken NJW Spezial 2008, 388).

Praxishinweis:

• Hierzu ist umfassender anwaltlicher Sachvortrag erforderlich
• In der anwaltlichen Beratung im Vorfeld muss der Mandant entsprechend informiert und die erforderlichen Sachverhaltsangaben erfragt werden,
• Bei einer kurzen Ehedauer von bis zu 2 Jahren kommt eine Begrenzung des Unterhalts über § 1579 Nr. 1 BGB in Betracht,

Sonstige Billigkeitsgesichtspunkte:

Auch der Gesundheitszustand der Unterhaltsberechtigten kann bei der Bemessung der Frist Berücksichtigung finden (OLG Stuttgart, Urt.v.5.8.2008 - 17 UF 42/08).

Hinweis: In den kommenden Beiträgen werden die folgenden, weiteren Voraussetzungen besprochen:

11. Keine Befristung trotz fehlender ehebedingter Nachteile
12. Unterhaltstatbestände ohne ehebedingte Nachteile (Alter, Krankheit)