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Umfang der Rechtskraft eines Unterhaltstitels

Wird durch gerichtliche Entscheidung eine Klage oder ein Antrag nur „zum gegenwärtigen Zeitpunkt“ als nicht begründet angesehen und abgewiesen, so kann der Anspruch in einem neuen Verfahren erneut geltend gemacht werden.

Darum geht es:

In einem früheren Verfahren hatte der Antragsteller Ansprüche auf rückständigen Elternunterhalt klageweise geltend gemacht. Die Klage war jedoch als „zurzeit unbegründet“ abgewiesen worden, weil es an einer schlüssigen Darlegung des klägerischen Vortrags gefehlt habe.

Seinen späteren Antrag, mit dem der Antragsteller die Ansprüche erneut geltend macht, hat das AG wegen der entgegenstehenden Rechtskraft des die Klage abweisenden Urteils als unzulässig zurückgewiesen. Das OLG erklärt die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde für zulässig und hinsichtlich der Zulässigkeit des erneuten Antrags für begründet.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Obwohl die Klage des Vorprozesses und der Antrag im gegenwärtigen Verfahren denselben Streitgegenstand haben, stehe die Rechtskraft des früheren Urteils dem erneuten Antrag nicht entgegen.

Zwar schließe die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung eine erneute Verhandlung und Sachentscheidung grundsätzlich aus. Der Umfang der Rechtskraft – und damit die Bindungswirkung des Urteils – ergebe sich allerdings nicht ausschließlich aus dem Tenor der Entscheidung, besonders nicht bei klageabweisenden Urteilen, deren Tenor regelmäßig nicht ausreiche, um den Rechtskraftgehalt der Entscheidung zu erfassen. Vielmehr seien Tatbestand und Entscheidungsgründe ergänzend heranzuziehen.

Rechtskraftgehalt der Entscheidungsgründe

Aus den Entscheidungsgründen des Urteils im Vorprozess ergibt sich nach Ansicht des OLG, dass das AG die Klage nicht uneingeschränkt, sondern mit der Begründung und den etwaigen Beweisangeboten lediglich „derzeit" und „zum gegenwärtigen Zeitpunkt" als nicht begründet angesehen habe. Diese Sachentscheidung ist dem OLG zufolge zwar fehlerhaft, weil der Abweisungsgrund, anders als in den Fällen, in denen ein Sachantrag z.B. mangels Fälligkeit „als zurzeit unbegründet" abgewiesen wird, nicht durch den Eintritt neuer Tatsachen in Zukunft entfallen kann. Die Frage, ob der Antrag oder die Klage bereits im Erstverfahren vollumfänglich in der Sache hätte zurückgewiesen werden müssen, sei jedoch für den Umfang der Bindungswirkung der Entscheidung unerheblich. Maßgeblich sei allein, wie tatsächlich entschieden wurde.

Folgerungen aus der Entscheidung

Wird ein Antrag im gerichtlichen Verfahren zurückgewiesen, so bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist. Maßgeblich ist, was sich aus Tatbestand und Entscheidungsgründen ergibt. Wer geltend machen will, dass ein Anspruch nicht nur zurzeit, sondern dem Grunde nach nicht besteht, darf sich deshalb nicht darauf beschränken, z.B. die mangelnde Schlüssigkeit des Antrags zu rügen. Vielmehr muss er so vortragen, dass die Entscheidung nicht nur im Hinblick auf die mangelnde Schlüssigkeit ergeht, damit deren Rechtskraft der Zulässigkeit eines weiteren Verfahrens entgegensteht.

OLG Oldenburg, Beschl. v. 18.03.2011 – 11 UF 156/10