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Teilentzug des Sorgerechts bei außerordentlicher Nachlässigkeit

Entscheidungsanmerkung: Der teilweise Entzug der elterlichen Sorge ist gerechtfertigt, wenn die Kindesmutter ihren Kindern gegenüber extrem nachlässig handelt und die ihr angeboten Hilfe ablehnt.

OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.02.2009 – 9 WF 15/09, DRsp Nr. 2009/5346

Darum geht es:

Die im Januar 1989 geborene Mutter, die weder über eine abgeschlossene Schul- noch Berufsbildung verfügt, ist für die Kinder alleine sorgeberechtigt. Die ihr angebotene Erziehungshilfe scheiterte an ihrer mangelnden Kooperationsbereitschaft. Starkes Rauchen, mangelnde Ordnung und Hundehaltung machten die Wohnung unhygienisch. Termine zur ärztlichen Kontrolle der Kinder nahm sie nur sehr unzuverlässig wahr. Weitergehende Hilfestellung, wie z.B. Unterbringung in einem Mutter-Kind-Heim, lehnte die Kindesmutter vehement ab.

Alkoholprobleme, erhöhte Gewaltbereitschaft, mangelnde finanzielle Mittel für die Verpflegung der Familie sowie der unhygienische Zustand der Wohnung führten dazu, dass das Jugendamt die Kinder gegen den Willen der Mutter im November 2008 in Obhut nahm. Auf Antrag des Jugendamts entzog das AG der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Gesundheitsfürsorge und zur Beantragung von Sozialleistungen vorläufig und bestellte das Jugendamt zum Ergänzungspfleger.

Die von der Kindesmutter eingelegte sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

§ 1666 Abs. 1 BGB verpflichtet das Gericht die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen, soweit das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet wird und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden.

Das OLG Brandenburg geht davon aus, dass ohne die Entziehung der entsprechenden Teile der elterlichen Sorge vor der abschließenden Entscheidung eine nicht wieder gut zu machende und nachwirkende Beeinträchtigung des Kindeswohls eintreten wird.

Dabei hat das Gericht folgende Punkte zugrunde gelegt:

• Die unhygienischen Wohnsituation ist durch nicht beseitigten Müll und verschmutzte Windeln nachweislich gegeben; sie stellt auch keinen Einzelfall dar, wie Hausbesuche verschiedener Personen bestätigen.
• Externe Hilfestellungen konnten nicht helfen, die Wohnsituation zu verbessern.
• Die Kindesmutter realisierte die teilweise schwerwiegenden gesundheitlichen Probleme beider Kinder nicht; durch Änderung eigener Verhaltensweisen ( Rauchen einstellen, erhöhte Sauberkeit) hätte sie zu deren Gesundheit erheblich beitragen können.
• Erforderliche Gesundheitschecks, Vorsorgeuntersuchungen sowie Impfungen der Kinder hat sie nicht wahrgenommen.
• Die von Behörden angewendeten Hilfsmaßnahmen scheiterten grundsätzlich am mangelnden Engagement der Kindesmutter.

Insgesamt sieht das Gericht die fehlende Motivation der Mutter die vorgefundene Situation der Kinder zu ändern bestätigt.

Von daher bleibt das Ergebnis der im Rahmen des Hauptsacheverfahrens veranlassten Überprüfung ihrer Erziehungseignung abzuwarten, bevor ggf. über eine Rückführung der beiden Töchter in den mütterlichen Haushalt entschieden werden kann. Im Rahmen des Anordnungsverfahrens genügen die gesammelten Hinweise um den Entzug der Teilbereiche der elterlichen Sorge zu rechtfertigen.

Anmerkung:

Für die kindliche Entwicklung sind bestimmte Basisvoraussetzungen zu schaffen, die grundsätzlich von allen Eltern bzw. jedem Alleinerziehenden geleistet werden können. Werden diese von den Eltern nicht erbracht und sind die Eltern nicht gewillt oder in der Lage, Gefahren abzuwehren, so tritt das Gericht gemäß § 1666 Abs. 1 BGB in diese Pflicht ein.

Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit müssen vor dem Entzug des Sorgerechts erst mildere Mittel ausgeschöpft werden. Der Mutter wurde mehrfach Erziehungsbeistand beigeordnet, der die Situation zugunsten der Kinder positiv verändern sollte. Dies hat die Mutter allenfalls kurzzeitig akzeptiert, danach durch mangelnde Mithilfe eher torpediert.

Da sich die Wohn- und Lebenssituation der Kinder durch diesen behördlichen Eingriff keinesfalls verbessert hat, wurde im nächsten Schritt eine Eingliederung der gesamten Familie in eine geordnete, betreute Umgebung angeraten. Im Rahmen dieser Unterbringung in einem Mutter-Kind-Heim wäre die Mutter im Umgang mit ihren Kinder zum einen entlastet, zum anderen aber auch gleichzeitig unter Anleitung an die elterlichen Pflichten herangeführt worden.

Weder haben diese Maßnahmen ausgereicht, der Mutter eigene Sicherheit für den ordnungsgemäßen Umgang mit ihren Kindern zu geben, noch ihr die Dringlichkeit der Situation vor Augen zu führen.

Ihre Mitwirkung und ihr Wille, sich und die Lebenssituation positiv zu ändern, hätten der Behörde als Signal, den beschrittenen Weg gemeinsam fortzusetzen, ausgereicht.

Im Gegensatz dazu hat die Mutter die angebotene Hilfe abgelehnt und nach der Inobhutnahme der Kinder durch das Jugendamt den dringend erforderlichen Kontakt zwischen Mutter und Kindern nur schwerfällig aufrecht erhalten.

Das Gericht war somit aufgrund dieser Punkte zum Wohle der Kinder gesetzlich gezwungen, den Entzug bestimmter Teilbereiche der elterlichen Sorge zu veranlassen.