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Krankheitsunterhalt bei Fehlen der Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung

Hat ein Ehegatte wegen Kindererziehung und Haushaltstätigkeit die Erwerbstätigkeit während der Ehe aufgegeben und deshalb keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, so kann dies einen ehebedingten Nachteil bedeuten und einen Anspruch auf Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB zur Folge haben.

Darum geht es:

Der Antragsteller (Jahrgang 1955) und die Antragsgegnerin (Jahrgang 1964) heirateten 1984, sie bekamen in demselben Jahr eine Tochter und 1990 einen Sohn. Bis zur Geburt der Tochter arbeitete die Antragsgegnerin in ihrem Beruf als Apothekenhelferin; seitdem geht sie keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. Nach der Trennung im Jahr 2002 blieb der Sohn zunächst bei ihr; die Tochter war bereits ausgezogen. Nachdem sich bei der Antragsgegnerin eine erhebliche psychische Erkrankung herausstellt hatte, zog der Sohn zum Antragsteller. 2008 wurde die Ehe geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt.

Das AG hat den Antragsteller zur Zahlung von Elementarunterhalt verurteilt und den Anspruch bis Ende 2013 befristet. Die von der Antragsgegnerin eingelegte Berufung hat das OLG zurückgewiesen. Der BGH hebt das angefochtene Urteil auf und verweist den Rechtsstreit an das OLG zurück.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Unstreitig ist, dass der Antragsgegnerin ein Anspruch auf Krankheitsunterhalt gem. § 1572 BGB grundsätzlich zusteht. Fraglich ist allein, inwieweit eine Herabsetzung oder Befristung wegen Unbilligkeit nach § 1578b BGB in Betracht kommt.

Der Rechtsprechung des BGH zufolge ist der nach § 1578b BGB angemessene Lebensbedarf nach dem Einkommen zu bestimmen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Lesenswert bildet der BGH mehrere Fallgruppen, bevor er eine Aussage darüber trifft, was zu beachten ist, sofern der Unterhaltsanspruch gem. § 1572 BGB geltend gemacht wird.

Ehebedingtheit der Krankheit

Dass eine Krankheit ehebedingt ist, kann nach Ansicht des BGH regelmäßig nicht geltend gemacht werden, auch nicht im konkreten Fall. Zu prüfen sei aber, ob der unterhaltsberechtigte Ehegatte aufgrund der von ihm übernommenen Kindererziehung und Haushaltstätigkeit für den Fall der krankheitsbedingten Erwerbsminderung unzureichend Vorsorge getroffen hat und ob aus diesem Grund seine Erwerbsunfähigkeitsrente geringer ist, als sie ohne die Ehe wäre, oder vollständig entfällt.

Ehebedingtheit des Rentenanspruchs

Als Besonderheit ist hier zu beachten: Nach § 43 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI besteht ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nur dann, wenn in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit gezahlt wurden. Wenn nun aufgrund einer entsprechenden Rollenverteilung in der Ehe keine derartige Beschäftigung oder Tätigkeit und somit auch keine Zahlung erfolgte, so ist das Fehlen des Anspruchs auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ehebedingt.

Ende des ehebedingten Nachteils

Daraus folgt nach Ansicht des BGH, dass dem Anspruch auf Krankheitsunterhalt gem. § 1572 BGB in diesem Fall die mangelnde Ehebedingtheit der krankheitsbedingten Bedürftigkeit nicht entgegengehalten werden kann. Der ehebedingte Nachteil endet dann aber mit dem Beginn der Altersrente, da für diese keine entsprechenden Voraussetzungen zu erfüllen sind.

Billigkeitsprüfung

Im Weiteren prüft der BGH, ob der Unterhaltsanspruch im konkreten Fall aus Billigkeitsgesichtspunkten herabzusetzen oder zu begrenzen ist, und lehnt dies im Ergebnis ab.

Folgerungen aus der Entscheidung

ührt die Rollenverteilung in der Ehe dazu, dass ein Ehegatte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat, so kann in Zukunft nicht mehr ohne Weiteres geltend gemacht werden, dass der Krankheitsunterhalt gem. § 1572 BGB bereits deshalb nicht bestehe, weil die Krankheit nicht ehebedingt sei. Zwar ist eine Erkrankung nur in seltenen Ausnahmefällen ehebedingt. Um den Unterhaltsanspruch in vollem Umfang geltend machen zu können, reicht es nach der Entscheidung des BGH aber aus, wenn ehebedingt nicht ausreichend Vorsorge für den Fall einer Erkrankung getroffen werden konnte und deshalb keine Leistungen wegen der Erkrankung bezogen werden können, auf die ein Anspruch bestünde, wenn die Vorsorge getroffen worden wäre.

BGH, Urt. v. 02.03.2011 – XII ZR 44/09