Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0

Keine Übertragung alleinigen Sorgerechts bei Umzug ins Ausland

Beantragt ein Elternteil das alleinige Sorgerecht, um mit dem gemeinsamen Kind ins Ausland zu ziehen und wird hierdurch das Umgangsrecht des anderen Elternteils beeinträchtigt, muss es für den Umzug wichtige Gründe geben. Diese Gründe müssen gewichtiger sein als das Umgangsrecht des anderen Elternteils.

OLG Koblenz, Beschl. v. 04.05.2010 –11 UF 149/10

Darum geht es:

Seit der nach italienischem Recht vom AG Mainz ausgesprochenen Trennung der Eltern im Jahr 2008 lebt das gemeinsame Kind bei der Mutter. Das Sorgerecht üben die Eltern, beide italienische Staatsangehörige, gemeinsam aus. Der Vater hat unregelmäßig Umgang mit dem Kind, was auch am wiederholten Widerstand des Kindes liegt.
Als die Mutter beabsichtigt mit dem Kind dauerhaft zu ihrem Lebensgefährten nach Italien zu ziehen, beantragt sie die Übertragung des alleinigen elterlichen Sorgerechts auf sich. Sie sieht dort bessere berufliche und private Perspektiven, da sie in Deutschland Hartz IV bezieht. Das Kind könne in Italien in der Grundschule eingeschult werden und habe den Wunsch mit ihr zu ziehen. Dem Vater wirft die Mutter vor, ihr gegenüber gewalttätig geworden zu sein, was der Vater bestreitet. Umgangskontakte sind nach Ansicht der Mutter auch z.B. in den Schulferien nach einem Umzug nach Italien möglich.
Der Antrag der Übertragung des alleinigen Sorgerechts hat weder in erster noch in zweiter Instanz hatte Erfolg.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Sowohl das Sorge- als auch das Umgangsrecht stünden unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und seien bei der Sorgerechtsentscheidung wechselseitig zu berücksichtigen. Hinzu trete das Recht des betreuenden Elternteils auf Freizügigkeit und autonome Lebensgestaltung. Bezwecke die Auswanderung jedoch vor allem die Kontaktvereitelung zum anderen Elternteil, werde diese Konkordanz verfehlt.

Keine triftigen Gründe für den Wegzug

Der Sorgerechtsinhaber, der ins Ausland ziehen möchte, muss daher für seinen Wegzug triftige Gründe haben, die schwerer wiegen als das Umgangsinteresse von Kind und anderem Elternteil. Als triftiger Grund kommt z.B. in Betracht, dass ein Ausländer in seine Heimat umziehen möchte, wo seine sozialen Bindungen bestehen, in die die Kinder auch einbezogen sind (OLG Köln, Beschl. v. 11.01.2006 - 4 UF 229/05, Deubner Link 2006/21077 =  FamRZ 2006, 1625). Als beachtlicher Grund wird auch angesehen, wenn der Umzug erfolgt, um die berufliche und wirtschaftliche Existenz zu sichern (OLG München FamRZ 2008, 1774).
Wichtige Gründe, warum die Mutter umziehen möchte, habe sie nicht vorbringen können. Weder habe sie in Italien eine konkrete berufliche Perspektive, noch seien sie und ihr Kind am Wohnort des neuen Lebensgefährten sozial eingebunden.

Umzugsmotiv hier nicht am Kindeswohl orientiert

Vielmehr hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass mit einem Umzug ins Ausland ein Umgang des Kindes mit dem Vater von vornherein unmöglich gemacht werden soll. Auf die Frage der Richter, warum die Mutter nach Italien ziehen wolle, hat diese geantwortet, der Vater mache "immer nur Stress". Sie wolle nach Italien, um "Ruhe" zu haben. Gleichzeitig betont sie, das Kind wolle den Vater nicht sehen und sie zwinge das Kind auch nicht zu Umgangskontakten.
Die Entscheidung, den Vater zu sehen oder nicht, kann jedoch nicht dem Kind überlassen werden. Die Mutter müsse deutlich machen, dass sie mit Umgangskontakten nicht nur einverstanden ist, sondern diese unterstützt. Nur dann sei das Kind in der Lage, den Wunsch nach Umgang mit ihrem Vater zu äußern und zu leben. Dass dies möglich ist und dem Bedürfnis und dem Wohl des Kindes entspricht zeige sich daran, dass unmittelbar nach der Trennung und während des mehrmonatigen Versöhnungsversuchs der Parteien im Jahr 2009 ein regelmäßiger Umgang stattgefunden hat.
Unter diesen Umständen muss die Freizügigkeit der Mutter im Hinblick auf das Kindeswohl hinter das Umgangsrecht des Vaters zurücktreten.