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Keine Prüfung ehelichen Fehlverhaltens bei der Unterhaltsbeschränkung

Ehebedingte Nachteile ergeben sich grundsätzlich nur aus objektiven Umständen, so dass im Rahmen der Abwägung nach § 1578b BGB keine Aufarbeitung ehelichen Fehlverhaltens stattfindet.

Darum geht es:

Die geschiedenen Ehegatten streiten über nachehelichen Unterhalt. Sie heirateten im Dezember 1987 und bekamen im Juni 1988 einen gemeinsamen Sohn. 1993 gab die Ehefrau ihre gesicherte Stelle bei dem Arbeitgeber, für den der Ehemann nach wie vor arbeitet, auf und erhielt eine Abfindung von 70.000 Mark brutto, die beide zur Tilgung eines Kredits für ihr gemeinsames Einfamilienhaus verwandten. In der Folgezeit übernahm die Ehefrau im Wesentlichen die Betreuung des gemeinsamen Sohnes und die Haushaltsführung.

Auf den im Juni 2007 zugestellten Scheidungsantrag wurde die Ehe mit Urteil vom 09.07.2008 geschieden, das hinsichtlich der Scheidung seit dem 01.12.2008 rechtskräftig ist. Inzwischen arbeitet sie ganztags wieder. Hätte sie ihre ursprüngliche Arbeitsstelle nicht aufgegeben, so würde sie monatlich mindestens 700 € mehr verdienen.

Das AG hat den Ehemann zu einem – unbefristeten – nachehelichen Unterhalt von monatlich 502 € (Elementarunterhalt) und 124,80 € (Altersvorsorgeunterhalt) verurteilt. Die Berufung hat das OLG Braunschweig zurückgewiesen. Mit dem vorliegenden Urteil weist der BGH die Revision zurück, obwohl er unterstellt, dass die Ehefrau ihre gesicherte Arbeitsstelle seinerzeit gegen den Willen des Ehemanns aufgegeben habe.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Ehebedingte Nachteile seien vor allem Erwerbsnachteile, die durch die von den Ehegatten praktizierte Rollenverteilung während der Ehe entstanden sind. Können derartige Nachteile auf Dauer nicht ausgeschlossen werden, so komme eine Befristung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs nach § 1578b BGB nicht in Betracht, und eine Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts sei nur bis auf die Höhe der ehebedingten Nachteile möglich. Übersteigen die ehebedingten Nachteile den Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen, so sei eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578b BGB nicht möglich.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes können sich ehebedingte Nachteile vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben, § 1578b Abs. 1 Satz 3 BGB. Bei diesen Kriterien handele es sich um objektive Umstände, denen kein Unwerturteil und keine subjektive Vorwerfbarkeit anhafte, so dass im Rahmen der Abwägung auch keine Aufarbeitung ehelichen Fehlverhaltens stattfinde. Daher sei es grundsätzlich unerheblich, ob die Aufgabe einer Arbeitsstelle oder eine unterlassene Erwerbstätigkeit auf einer gemeinsamen Entscheidung der Ehegatten oder auf einem Verstoß gegen die eheliche Solidarität (vgl. § 1353 Abs. 1 BGB) beruht.

Entscheidend sei allein die tatsächliche Gestaltung der Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe. Hat ein Ehegatte über einen längeren Zeitraum keine Erwerbstätigkeit ausgeübt und tatsächlich die Haushaltsführung oder die Betreuung gemeinschaftlicher Kinder übernommen, so sei es unerheblich, ob der andere Ehegatte mit der Aufgabe der Arbeitsstelle einverstanden war oder ob er ihn während der Ehe zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit angehalten hat.

BGH, Urt. v. 16.02.2011 – XII ZR 108/09