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Ehebedingter Nachteil bei Wechsel des Arbeitsplatzes

Ein ehebedingter Nachteil i.S.d. § 1578b Abs. 1 Satz 2 BGB liegt nicht nur vor, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte ehebedingt von der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit absieht oder eine bereits ausgeübte Erwerbstätigkeit aufgibt, sondern auch dann, wenn er ehebedingt seinen Arbeitsplatz wechselt und dadurch Nachteile erleidet.

Darum geht es

Die Beteiligten heirateten 1984 in der damaligen DDR und bekamen zwei in den Jahren 1983 und 1986 geborene Kinder. Sie trennten sich im Januar 2009 und sind seit dem 21.07.2011 rechtskräftig geschieden.

Die 1956 geborene Ehefrau absolvierte nach der Oberschule eine Ausbildung zur Maschinistin für Wärmekraftwerke und war anschließend in demselben Kraftwerk wie ihr Ehemann tätig. 1978 erwarb sie die Qualifikation als Meister in der Fachrichtung Kraftwerkstechnik. Von 1980 an wurde sie als Leitstandsmaschinistin und von 1987 an als Operativtechnologin mit einer Bezahlung nach Lohngruppe 9 eingesetzt.

Ende Februar 1990 kündigte sie ihr Arbeitsverhältnis und nahm anschließend eine Tätigkeit als Abstimmerin nach Lohngruppe 6 auf. Zum 01.05.1993 wurde sie arbeitslos. In der Folgezeit absolvierte sie eine Umschulung zur Bauzeichnerin. Nach Abschluss dieser Ausbildung nahm sie nach vorübergehenden anderweitigen Beschäftigungen und teilweiser Arbeitslosigkeit im Oktober 2005 eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst mit einer wöchentlichen Grundarbeitszeit von 35 Stunden zuzüglich Überstunden an.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Ehefrau hat einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB, der zurzeit nicht der Begrenzung nach § 1578b Abs. 1 Satz 1 BGB unterliegt.

Ehebedingte Nachteile sind vor allem Erwerbsnachteile, die durch die von den Ehegatten praktizierte Rollenverteilung während der Ehe entstanden sind. Sie können sich ergeben, wenn sich ein Ehegatte entschließt, seinen Arbeitsplatz aufzugeben, um die Haushaltsführung und Kinderbetreuung zu übernehmen. Von welchem Zeitpunkt an die Rollenverteilung praktiziert wird, ist nicht von Bedeutung. Es kommt insbesondere nicht darauf an, ob die Ehegatten die Rollenverteilung zu Beginn der Ehe, bei der ehelichen Geburt eines Kindes oder erst später planten und praktizierten (BGH, Urt. v. 16.02.2011 – XII ZR 108/09, DRsp-Nr. 2011/3906).

Nach der Gesetzesformulierung kommt es vielmehr darauf an, ob sich die Nachteile (vor allem) aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes oder aus der Gestaltung der Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben, § 1578b Abs. 1 Satz 3 BGB. Somit ist auf die tatsächliche Gestaltung der Kinderbetreuung und Haushaltsführung abzustellen, weshalb der unterhaltspflichtige Ehegatte nicht einwenden kann, dass er den Unterhaltsberechtigten während der Ehe zur Berufstätigkeit angehalten habe (BGH, a.a.O.).

Ein Nachteil ist nur dann nicht ehebedingt, wenn die Ehegestaltung für den Erwerbsnachteil nicht ursächlich geworden ist. Das wäre der Fall, wenn der Unterhaltsberechtigte seinen Arbeitsplatz ausschließlich aus Gründen aufgegeben oder verloren hätte, die außerhalb der Ehegestaltung liegen, etwa aufgrund einer von ihm persönlich beschlossenen beruflichen Neuorientierung oder wegen einer betriebs- oder krankheitsbedingten Kündigung seitens des Arbeitgebers (BGH, a.a.O.).

Der Unterhaltspflichtige, der sich auf eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts beruft, trägt die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der hierfür sprechenden Tatsachen. Darunter fällt grundsätzlich auch der Umstand, dass dem Unterhaltsberechtigten keine ehebedingten Nachteile i.S.d. § 1578b Abs. 1 Satz 2 BGB entstanden sind.

Nach den zum Beweis negativer Tatsachen entwickelten Grundsätzen trifft den Unterhaltsberechtigten jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Der Unterhaltsberechtigte muss die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, substanziiert bestreiten und seinerseits darlegen, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sein sollen. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden (BGH, Urt. v. 11.07.2012 – XII ZR 72/10, DRsp-Nr. 2012/16415).

Dabei kann sich der Unterhaltsberechtigte auch des Hinweises auf vergleichbare Karriereverläufe bedienen, um sein Vorbringen zu den seinerzeit vorhandenen beruflichen Entwicklungschancen plausibel zu machen (BGH, a.a.O.; siehe auch BGH, Urt. v. 26.10.2011 – XII ZR 162/09, DRsp-Nr. 2011/20444).

Das OLG hat in aus Rechtsgründen nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass die Ehefrau ihrer sekundären Darlegungslast gerecht geworden ist, und dabei maßgeblich auf ihren Vortrag abgestellt, wonach sie einen wohnortnahen Arbeitsplatz habe aufnehmen wollen, um ihre Erwerbstätigkeit besser mit der Betreuung des nunmehr schulpflichtigen Kindes vereinbaren zu können.

Die Behauptung des Ehemannes, seine Ehefrau habe nur aus Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes gehandelt, hat das OLG im Ergebnis zu Recht als nicht hinreichend substanziiert angesehen, zumal er schon nicht dargelegt hat, warum sie in eine ausbildungsfremde und noch dazu deutlich schlechter bezahlte Beschäftigung hätte wechseln sollen, wenn nicht Gründe der Kinderbetreuung dies erforderten. Es kann nicht von einem Beschäftigungswechsel ausgegangen werden, dem allein eine von der Ehefrau persönlich beschlossene berufliche Neuorientierung zugrunde lag.

Dem Vorliegen eines damit einhergehenden ehebedingten Nachteils steht auch nicht entgegen, dass die Ehefrau nach dem Arbeitsplatzwechsel weiterhin in Vollzeit beschäftigt war, also nicht ganz oder teilweise in eine Hausfrauenrolle gewechselt ist. Denn unter Berücksichtigung ihres – vom Ehemann nicht widerlegten – Vortrags ist davon auszugehen, dass sie ihre Erwerbstätigkeit umgestaltet hat, um das Kind besser betreuen zu können.

Unerheblich ist, ob der Ehemann mit der Entscheidung zum Arbeitsplatzwechsel einverstanden war (vgl. BGH, Urt. v. 16.02.2011 – XII ZR 108/09, DRsp-Nr. 2011/3906).

Praxishinweis

Mit der Formulierung, dass „derzeit“ nicht über eine Befristung entschieden werden kann, kommt der Entscheidung nur eine eingeschränkte Rechtskraftwirkung zu (BGH, Urt. v. 17.05.2000 – XII ZR 88/98, DRsp-Nr. 2000/6071 und Urt. v. 26.05.2010 – XII ZR 143/08, DRsp-Nr. 2010/11978).

Zu der Frage, wie die geänderte Fassung des § 1578b Abs. 1 Satz 2 BGB auszulegen ist, hat der BGH (Urt. v. 20.03.2013 – XII ZR 72/11, DRsp-Nr. 2013/7127) unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung klargestellt, dass es dabei bleibt, dass die Ehedauer ihren wesentlichen Stellenwert bei der Bestimmung des Maßes der gebotenen nachehelichen Solidarität aus der Wechselwirkung mit der in der Ehe einvernehmlich praktizierten Rollenverteilung und der darauf beruhenden Verflechtung der wirtschaftlichen Verhältnisse gewinnt. Eine lange Ehedauer rechtfertigt für sich genommen keinen fortdauernden Unterhalt nach den die eigene Lebensstellung übersteigenden ehelichen Lebensverhältnissen, wenn beide Ehegatten während der Ehe in Vollzeit berufstätig waren und die Einkommensdifferenz lediglich auf ein unterschiedliches Qualifikationsniveau zurückzuführen ist.

weiter zum Volltext BGH, Beschl. v. 13.03.2013 – XII ZB 650/11, DRsp-Nr. 2013/7767

Lesen Sie hierzu auch Isolierter Antrag auf Zahlung nachehelichen Unterhalts – Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB)