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EGMR stärkt die Rechte mutmaßlicher biologischer Väter

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat entschieden, dass einem mutmaßlichen biologischen Vater nicht kategorisch der Umgang mit dem Kind verweigert werden darf, auch wenn er bislang keinen Kontakt zu diesem hatte und daher keine „sozial-familiäre Bindung“ zwischen beiden besteht.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat entschieden, dass einem mutmaßlichen biologischen Vater nicht kategorisch der Umgang mit dem Kind verweigert werden darf, auch wenn er bislang keinen Kontakt zu diesem hatte und daher keine „sozial-familiäre Bindung“ zwischen beiden besteht.

Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat und Familienlebens

Die Entscheidungen der deutschen Gerichte, dem mutmaßlichen biologischen Vater ein Umgangsrecht mit dem Kind und Auskunft über dessen persönliche Verhältnisse zu verwehren ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, verletzen ihn in seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gem. Art. 8 EMRK.

Einzelfallprüfung vor kategorischer Ablehnung des Umgangsrechts

Dem EGMR zufolge, müssen die Familiengerichte genau prüfen, ob ein Auskunfts- und Umgangsrecht zwischen dem mutmaßlichen biologischen Vater und seinem vermeintlichen Kind unter den besonderen Umständen des einzelnen Falls im Kindeswohlinteresse liegt oder ob die Interessen des biologischen Vaters als denjenigen der rechtlichen Eltern übergeordnet angesehen werden müssen.

Abstellen auf sozial-familiäre Beziehung reicht nicht aus

Dies hatten die deutschen Gerichte nicht getan, sondern entschieden, dass der mutmaßliche biologische Vater nach dem BGB nicht umgangsberechtigt sei und das Grundgesetz die Beziehung des leiblichen, aber nicht rechtlichen Vaters zu seinem Kind nur schütze, wenn zwischen ihm und dem Kind eine sog. sozial-familiäre Beziehung Bindung bestehe, die darauf beruhe, dass er zumindest eine Zeit lang tatsächliche Verantwortung für das Kind getragen habe.

Mutmaßlicher Vater war der Geliebte einer verheirateten Frau

Diesen Nachweis konnte der biologische Vater nicht führen. Er hatte mir der Mutter des inzwischen siebenjährigen Kindes zwischen Mai 2002 und September 2003 eine Beziehung geführt als diese noch mit dem Mann verheiratet war, mit dem sie seit der Trennung von ihrem Geliebten auch wieder zusammen lebt und mit dem sie zwei weitere Kinder hat. Der Geliebte hatte die Mutter des Kindes zwar während der Schwangerschaft zu ärztlichen Untersuchungen begleitet und beim Jugendamt die Vaterschaft des damals noch ungeborenen Kindes anerkannt. Diese Vaterschaftsanerkennung hatten die deutschen Gerichte jedoch für nicht wirksam erklärt, da nach BGB § 1592 BGB die Vaterschaft des rechtlichen Vaters gelte und der mutmaßliche biologische Vater keine gesonderte Anfechtungsklage gem. § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB angestrengt hatte.

Schmerzensgeld und Schadensersatz zugesprochen

In seiner Entscheidung betont der EGMR, dass man angesichts der Vielzahl möglicher Familienkonstellationen nicht anhand allgemeingültiger, gesetzlich festgelegter Vermutungen darüber entscheiden könne, ob ein Kontakt im Kindeswohl liege oder nicht. Die Richter sprachen dem Kläger 5.000 Euro Schmerzensgeld und 10.000 Euro Schadensersatz für die entstandenen Kosten zu.

EGMR, Urt. v. 15.09.2011 im Verfahren Schneider gegen Deutschland (Beschwerdenummer 17080/07)

Noch nicht rechtskräftig.

Pressemitteilung des EGMR (deutsch) vom 15.09.2011