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Beschränkung von nachehelichem Unterhalt wegen Krankheit

Entscheidungsbesprechung mit Praxishinweis : Zur Bemessung der Übergangszeit bei Beschränkung des nachehelichen Unterhalts wegen Krankheit (§§ 1572, 1578b BGB).

OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 19.08.2008 — 3 UF 347/06, DRsp Nr. 2008/21430

Maßgeblich für die Bemessung der Übergangszeit ist die Frist, innerhalb derer es dem Berechtigten zumutbar ist, sich wirtschaftlich oder persönlich auf die Kürzung bzw. den Wegfall des Unterhaltsanspruchs einzustellen.

Praxishinweis: So wirkt sich das Urteil des OLG Frankfurt auf Ihre Mandate aus

In einem Unterhaltsprozess ist immer darauf zu achten, den Einwand der Befristung und Beschränkung zu erheben und insoweit alle entscheidungserheblichen Tatsachen umfassend vorzutragen.

Darum geht es:

Die Parteien waren rund 23 Jahre verheiratet. Nach 19 Jahren Ehe hatten sie sich getrennt. Aus ihrer Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen. Ein Kind war schwer behindert und pflegebedürftig und ist im Alter von neun Jahren verstorben. Es wurde von den Ehegatten zu Hause gepflegt. Das zweite Kind studiert. Die Ehefrau hatte sich nach Abschluss ihres Referendariats im Jahr 1982 erfolglos um eine Anstellung im Schuldienst beworben. Sie erhielt 1990 ein Stipendium für eine Ausbildung in einer Drehbuchwerkstatt und absolvierte diese Ausbildung, obwohl sie 1991 an Brustkrebs erkrankte und operiert werden musste. Nach dem Tod des Kindes und der Unterbringung des zweiten Kindes in einem Internat war die Ehefrau durchaus erfolgreich als Drehbuchautorin tätig. Nach der Trennung nahm sie ihre ursprünglich erlernte Tätigkeit als Lehrerin auf und erhielt im August 2001 einen auf ein Jahr befristeten Vertrag. Zu einer Festanstellung kam es jedoch krankheitsbedingt nicht. Sie musste sich in den Jahren 2001 und 2002 zwei Bypass-Operationen unterziehen. Im Frühjahr 2003 wurden bei ihr als Spätfolge der Brustkrebserkrankung Knochenmetastasen im linken Hüftgelenk diagnostiziert. Nach erfolgtem Einsetzen eines künstlichen Hüftgelenks begann eine Bestrahlungstherapie. Im Juni 2004 brach bei einem Sturz die Hüftprothese und musste ausgetauscht werden. Seit 01.01.2006 erhält sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Entscheidungsgründe:

Das OLG Frankfurt kommt nach einer umfassenden Billigkeitsabwägung zu dem Ergebnis, den Unterhaltsanspruch der Ehefrau gem. § 1578b BGB auf sechs Jahre nach Rechtskraft der Ehescheidung zu befristen. Innerhalb dieser Übergangszeit bemisst sich der nacheheliche Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Für die Zeit ab Oktober 2010 hat das OLG den Unterhaltsanspruch der Ehefrau auf den angemessenen Lebensbedarf von derzeit 1.100 € abzüglich des eigenen unterhaltsrelevanten Einkommens herabgesetzt.
Zutreffend führt das OLG Frankfurt aus, dass die Ehefrau keine ehebedingten Nachteile im eigentlichen Sinne erlitten hat. Nach dem Tod des behinderten Kindes war sie erfolgreich als Drehbuchautorin tätig und hätte daher ohne die schicksalhafte Erkrankung in gleichem Umfang selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können wie ohne die Ehe. Dem Umstand, dass die Ehefrau während der Pflege und Erziehung der gemeinsamen Kinder nicht für ihr Alter oder eine Erwerbsunfähigkeit vorsorgen konnte, hat das OLG Frankfurt zu Recht keine Bedeutung beigemessen. Diesem Umstand wurde durch den Versorgungsausgleich in ausreichendem Maße Rechnung getragen (vgl. BGH, FamRZ 2008, 1325 ff. = DRsp Nr. 2008/12035 und FamRZ 2008, 1508 ff. = DRsp Nr. 2008/13903).
Darüber hinaus führt das OLG Frankfurt am Main aus, dass grundsätzlich der angemessene Selbstbehalt von derzeit 1.100 € die Untergrenze für eine Beschränkung eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs darstellt. Dies bedeutet im Ergebnis, dass eine Herabsetzung eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs auf 0,00 € nur dann möglich wäre, wenn das unterhaltsrelevante Nettoeinkommen des Unterhaltsberechtigten über dem angemessenen Selbstbehalt liegt.

Zum Thema:

Eine Anmerkung zu dieser Entscheidung von Richter am AG Stefan Knoche mit  Begründung des Praxistipps finden Sie in der Zeitschrift FamExpress - Schnelldienst für die Familienrechtspraxis.

Fundstelle: FamExpress 2009, S. 6.

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