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Bereits bezifferter Unterhaltsanspruch für die Vergangenheit kann nicht rückwirkend erhöht werden

Hat der Unterhaltsberechtigte seinen Unterhaltsanspruch beziffert, nachdem er von dem Unterhaltspflichtigen Auskunft gem. § 1613 Abs. 1 BGB begehrt hat, kann er nicht rückwirkend einen höheren Unterhalt verlangen. Auch eine rückwirkende Erweiterung um Altersvorsorgeunterhalt scheidet aus.

Darum geht es

Um Unterhalt für die Vergangenheit gemäß § 1613 Abs. 1 BGB geltend zu machen, verlangte die unterhaltsberechtigte Ehefrau zunächst Auskunft über die Einkünfte und das Vermögen des Unterhalsschuldners. Nachdem sie ihren Unterhaltsanspruch sodann auf 310,50 € beziffert und einen entsprechenden Zahlungsantrag bei Gericht gestellt hat, wollte sie den Unterhaltsanspruch zusätzlich rückwirkend erhöhen und um Altersvorsorgeunterhalt erweitern. Dies lehnt der BGH ab.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der BGH entschied, dass § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB es grundsätzlich nicht erlaubt, einen nach dem ursprünglichen Auskunftsbegehren bezifferten Unterhaltsanspruch nachträglich betragsmäßig zu erhöhen.

Gläubiger muss ab Auskunftsbegehren mit Inanspruchnahme rechnen

Zwar berechtige § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB den Unterhaltsgläubiger, von dem Zeitpunkt an Unterhalt für die Vergangenheit zu fordern, zu dem der Verpflichtete zur Auskunftserteilung aufgefordert wurde. Ab Zugang des Auskunftsbegehrens werde der Unterhaltspflichtige daher vom Gesetzgeber auch als nicht mehr schutzwürdig angesehen, da er von nun an damit rechnen müsse, auf Unterhalt in Anspruch genommen zu werden.

Schutzwürdiges Vertrauen durch bezifferten Anspruch begrenzt

Dies erfahre aber insoweit eine Einschränkung, als der Unterhaltspflichtige grundsätzlich nur mit einer Inanspruchnahme in der bezifferten Höhe rechnen muss. Es sei denn der Unterhaltsberechtigte habe sich zugleich vorbehalten, den Anspruch ggf. im Hinblick auf noch nicht erfolgte Auskünfte zu erhöhen. Ließe man es aber zu, dass der Gläubiger später noch höhere Forderungen für die Vergangenheit wirksam geltend machen kann, würde man dem Schuldner genau das Risiko unkalkulierbar angewachsener Rückstände aufbürden, vor dem ihn § 1613 BGB schützen will, entschied der BGH.

Keine Besserstellung bei späterer Bezifferung

Außerdem erscheint es dem BGH nach nicht gerechtfertigt, den Unterhaltsberechtigten, der seine Forderung nach vorangegangener Auskunft beziffert hat, besserzustellen als den Unterhaltsberechtigten, der seine Unterhaltsforderung sogleich beziffert hat. Für Letzteren begründe § 1613 Abs. 1 BGB den Verzug nur in Höhe des bezifferten Betrags, sodass eine nachträgliche Erhöhung des Anspruchs rückwirkend nicht möglich sei.

Auch eine rückwirkende Erweiterung um Altersvorsorgeunterhalt scheide aus.

Auskunftsersuchen braucht keinen gesonderten Hinweis auf Altersvorsorgeunterhalt

Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt sind nach Ansicht des BGH Teile des einheitlichen, den gesamten Lebensbedarf umfassenden Unterhaltsanspruchs. Daher reiche es aus, dass vom Unterhaltspflichtigen Auskunft mit dem Ziel der Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs begehrt worden ist. Es bedürfe keines gesonderten Hinweises, dass auch Altersvorsorgeunterhalt verlangt wird.

Altersvorsorgeunterhalt im bezifferten Anspruch enthalten

Dies betreffe aber nur das Auskunftsersuchen, nicht die Bezifferung des Anspruchs. Daher scheide ein rückwirkend verlangter, über den bezifferten Betrag hinausgehender Unterhalt aus, wenn der Unterhaltsberechtigte seinen Unterhaltsanspruch beziffert hat, ohne damit einen Altersvorsorgeunterhalt geltend zu machen. Denn Unterhalt wird regelmäßig in voller Höhe geltend gemacht, sodass die Vermutung gegen eine Teilforderung spricht.

Nachforderungen müssen ausdrücklich vorbehalten sein

Beziffert der Unterhaltsberechtigte seinen Unterhaltsanspruch, ohne zugleich Altersvorsorgeunterhalt geltend zu machen, fehle es an einem erkennbaren Vorbehalt hinsichtlich einer etwaigen Nachforderung von Vorsorgeunterhalt. Auch in den Fällen, in denen sich der Unterhaltsgläubiger nicht bewusst war, Vorsorgeunterhalt verlangen zu können, könne von einem solchen Vorbehalt nicht ausgegangen werden. Aus der Sicht des Unterhaltsberechtigten sei nämlich der gesamte Unterhalt geltend gemacht worden, während die Annahme eines Vorbehalts voraussetze, dass sich der Unterhaltsberechtigte des Bestehens einer weiteren Forderung bewusst war.

Prüfung des konkret erzielbaren Einkommens

Der BGH beanstandet, dass das Beschwerdegericht die Frage der Bedürftigkeit der Ehefrau erst im Rahmen des § 1578b BGB geprüft hat. Das vom Unterhaltsberechtigten aufgrund der aktuellen Gegebenheiten erzielbare Einkommen ist bereits im Rahmen der Bedürftigkeit zu überprüfen, die von ihm darzulegen und zu beweisen ist. Hierfür gelten dieselben Kriterien wie für die Obliegenheit zur Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit nach § 1574 BGB.

Zurechnung des fiktiven Einkommens

Wer die Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit unterlässt, muss sich das daraus erzielbare Einkommen im Rahmen der Prüfung der Bedürftigkeit nach § 1577 Abs. 1 BGB fiktiv zurechnen lassen, entschied der BGH. Das Beschwerdegericht hätte auf der Grundlage entsprechenden Vortrags der Ehefrau und der sie treffenden Darlegungs- und Beweislast Feststellungen dazu treffen müssen, dass sie auch bei einer Bewerbung auf die vom Ehemann unterbreitete Stellenausschreibung erfolglos geblieben wäre.

Die Einbeziehung eines Altersvorsorgeunterhalts, bezogen auf den nach dem ehebedingten Nachteil i.S.d. § 1578b BGB bemessenen Unterhalt, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Begründung für den Altersvorsorgeunterhalt

Dem Unterhaltsberechtigten können dadurch Nachteile entstehen, dass er nach Zustellung des Scheidungsantrags und damit in einer nicht mehr vom Versorgungsausgleich umfassten Zeit ehebedingt ein geringeres Erwerbseinkommen erzielt und demgemäß auch geringere Rentenanwartschaften erwirbt. Sofern er lediglich die ehebedingte Einkommensdifferenz als Unterhalt erhält, setzt sich der ehebedingte Nachteil mit Renteneintritt in Form der geringeren Rentenanwartschaften fort. Durch die Bewilligung von Altersvorsorgeunterhalt kann dieser Nachteil ausgeglichen werden.

Herabsetzung des Unterhalts

Geprüft werden muss, ab wann und in welchem Umfang der Unterhalt herabzusetzen ist. Dabei ist die vom Beschwerdegericht im Rahmen der Billigkeitsabwägung als maßgeblich erachtete „deutliche Differenz“ zwischen dem – gem. § 1578 BGB – errechneten Unterhaltsanspruch und dem ehebedingten Nachteil kein tauglicher Gesichtspunkt für eine frühzeitige Herabsetzung. Denn der ehebedingte Nachteil wirkt sich ausschließlich unterhalb des angemessenen Lebensbedarfs aus, hat also regelmäßig keinen Einfluss auf die Bestimmung des darüber liegenden Bedarfs.

Praxishinweis

Der BGH stellt zudem erneut klar, dass wegen einer neben der Erwerbstätigkeit aufgenommenen Kinderbetreuung keine Abzüge in Form eines monetarisierten Betreuungsunterhalts oder eines Betreuungsbonus vorzunehmen sind. Ebenfalls beanstandet er nicht, dass das Beschwerdegericht von einer an die Ehefrau geflossenen Zahlung aus einer Teilungsversteigerung in Höhe von rund 86.000 € lediglich 75.000 € als Basis für die von ihr zu erzielenden Zinseinkünfte berücksichtigt und ihr damit zugestanden hat, einen Betrag in Höhe von 11.000 € für Prozesskosten verbraucht zu haben.

§ 1578b Abs. 1 BGB ist geändert worden; die Neufassung wird voraussichtlich am 01.03.2013 in Kraft treten. Mit der Neuregelung wird die Bedeutung der Ehedauer im Rahmen der Billigkeitsabwägung des § 1578b Abs. 1 und 2 vergrößert.

>> zum Volltext: BGH, Beschl. v. 07.11.2012 – XII ZB 229/11, DRsp Nr. 2012/23030