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Bedarfsgemeinschaft auch bei einer Versorgungsehe""

Wegen des Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft kann das Einkom­men eines Ehepartners auch dann berücksichtigt werden, wenn beide Eheleute bereits bei der Eheschließung vereinbart hatten, eine Ehe ohne räumlichen Lebensmittelpunkt (gemeinsame Woh­nung) zu führen.

BSG, Urt. v. 18.02.2010 - B 4 AS 49/09 R

Darum geht es:

Die 1954 geborene Klägerin stand im Bezug von Arbeitslosengeld II. Sie heiratete im Januar 2005 den 1936 geborenen H.-L. M. Die Eheleute lebten auch nach der Eheschließung in ihren bisherigen Woh­nungen, führten getrennte Haushalte und vereinbarten eine Gütertrennung. Die Klägerin verbrachte - wie bisher - drei bis viermal in der Woche vormittags die Zeit bei ihrem Ehemann mit Gesprächen, Spaziergängen und Fernsehen. Gelegentlich wurden gemeinsame Mahlzeiten eingenommen. Die Beklagte hob die laufende Bewilligung von SGB II-Leistungen auf, weil sich unter Berücksichtigung der Pension des Ehemannes ein einzusetzendes Einkommen ergebe, welches den Bedarf der Ehe­leute nach dem SGB II übersteige.
Das Landessozialgericht hatte das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts geändert und den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Durch die Heirat sei keine rechtserhebliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten.
Das Bundessozialgericht hat den Rechtsstreit an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Die Vor­aussetzungen einer von der Klägerin und ihrem Ehemann gebildeten Bedarfsgemeinschaft haben zum Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungsbescheids vorgelegen. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört nach § 7 Abs 3 Nr 3a SGB II unter anderem der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte. Aus den vom Landessozialgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass die Klägerin mit ihrem Ehemann ab der Eheschließung, d.h. seit dem 05.01.2005, eine Bedarfsgemeinschaft bildete. Der Senat geht insoweit von den Grundsätzen aus, die zum familienrechtlichen Begriff des Getrenntlebens entwickelt worden sind.
Für das Getrenntleben im familienrechtlichen Sinne muss regelmäßig der nach außen erkennbare Wille eines Ehegatten hinzutreten, die häusliche Gemeinschaft nicht herstellen zu wollen, weil er die eheliche Gemeinschaft ablehnt.

In der vorliegenden Konstellation einer Ehe ohne gemein­samen räumlichen Lebensmittelpunkt muss entsprechend der Wille eines Partners festgestellt wer­den, diese gewählte Form der Ehe aufgeben zu wollen. Ein derartiger Lösungswille der Klägerin war nach den Feststellungen des Landessozialgerichts hier im Januar 2005 nicht vorhanden. Aus der Systematik des SGB II folgt nicht, dass dem SGB II ein anderer Begriff des Getrenntlebens zugrunde liegt, bei dem auf die Feststellung eines Trennungswillens verzichtet werden kann.

Allerdings lässt sich aufgrund der vom Landessozialgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beklagte wegen des Entfallens der Hilfebedürftigkeit die Bewilligung aufzuheben hatte. Erforderlich sind insofern Feststellungen zur Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens des Ehemannes der Klägerin und zu dessen Bedarf.