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Aufwendungen unterhaltspflichtiger Kinder für Besuche bei den Eltern im Heim

1. Angemessene Aufwendungen, die dem Unterhaltspflichtigen für Besuche bei einem unterhaltsberechtigten Elternteil im Heim entstehen, mindern grundsätzlich die Leistungsfähigkeit. 2. Auch bei zusammenlebenden nicht ehelichen Partnern ist bei Gesamteinkünften bis zur Höhe des für Ehegatten geltenden Familienselbstbehalts keine zusätzliche Haushaltsersparnis zu berücksichtigen.

Darum geht es

Die Klägerin macht als Trägerin der Sozialhilfe aus übergegangenem Recht Ansprüche auf Elternunterhalt geltend. Die 1933 geborene Mutter der Beklagten lebt in einem Seniorenheim. Die Beklagte erzielte Einkünfte aus Erwerbstätigkeit und bewohnt gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten eine im gemeinsamen Eigentum der Partner stehende Eigentumswohnung.

Bei dem Rechtsstreit geht es u.a. um die Anerkennung der Kosten, die der Beklagten durch die Besuche bei ihrer Mutter im Heim anfallen, und um die Berücksichtigung des unverheirateten Zusammenlebens mit ihrem Partner.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der BGH führt aus, dass die Aufwendungen für die Besuche bei einem unterhaltsberechtigten Elternteil bereits die Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes vermindern, und wendet die Kriterien an, die für nach § 1603 Abs. 1 BGB berücksichtigungsfähige Verpflichtungen gelten.

Berücksichtigung sonstiger Verbindlichkeiten

Dazu gehören auch solche Verpflichtungen, die aufgrund einer sittlichen Verpflichtung des Unterhaltsschuldners eingegangen worden sind. Ob eine Verpflichtung unterhaltsrechtlich als abzugsfähig anzuerkennen ist, ist im Einzelfall unter umfassender Interessenabwägung zu beurteilen. Maßgebend sind dabei insbesondere der Zweck der Verbindlichkeit, der Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, die Kenntnis des Unterhaltspflichtigen von Grund und Höhe der Unterhaltsschuld und andere Umstände.

Beurteilung der Aufwendungen für die Besuche im Heim

Auf Grundlage dieser Kriterien handelt es sich bei den Kosten, die für die Besuche der Beklagten bei ihrer Mutter angefallen sind, um Aufwendungen, die die Leistungsfähigkeit mindern. Denn die Besuche dienen der Aufrechterhaltung der durch Art. 6 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützten familiären Beziehungen und entsprechen zudem dem Bedürfnis, der Mutter auch im Heim und trotz der Entfernung zum Wohnort der Beklagten Fürsorge zuteilwerden zu lassen, sich von ihrem Wohlergehen zu überzeugen und eventuelle Wünsche zu erfragen. Der Zweck der Aufwendungen beruht deshalb auf einer unterhaltsrechtlich anzuerkennenden sittlichen Verpflichtung gegenüber der Mutter.

Kein Konflikt zwischen Unterhaltspflicht und Umgangsrecht

Insofern stehen die Interessen von Unterhaltsberechtigtem und Unterhaltspflichtigem auch nicht im Widerstreit; vielmehr entsprechen solche Besuche grundsätzlich dem wechselseitigen Bedürfnis nach Pflege der familiären Verbundenheit. Selbst wenn der Beklagten die Möglichkeit der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt bekannt war, brauchte sie von den Kosten verursachenden Besuchen bei ihrer Mutter deshalb nicht abzusehen. Denn das Unterhaltsrecht darf dem Unterhaltspflichtigen finanziell nicht die Möglichkeit nehmen, seinen Umgang zur Erhaltung der Eltern-Kind-Beziehung auszuüben (BVerfG, Beschl. v. 09.04.2003 – 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01, DRsp-Nr. 2003/12588 zum Umgangsrecht mit minderjährigen Kindern).

Reduktion der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit

Soweit sich die Aufwendungen in einem angemessenen Rahmen halten, reduzieren sie folglich die Leistungsfähigkeit der Beklagten (vgl. auch OLG Köln, Urt. v. 05.07.2001 – 14 UF 13/01, DRsp-Nr. 2001/15490; anderer Auffassung: OLG Hamm, Urt. v. 26.04.2001 – 4 UF 277/00, DRsp-Nr. 2002/6193).

Berücksichtigung der Haushaltsersparnis bei nicht ehelichen Partnern

Bei der Unterhaltsbemessung ist die durch eine gemeinsame Haushaltsführung eintretende Ersparnis zu berücksichtigen, da sich die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen durch eine solche Entlastung erhöht, und zwar unabhängig davon, ob die Partner miteinander verheiratet sind oder nicht ehelich zusammenleben (BGH, Urt. v. 09.01.2008 – XII ZR 170/05, DRsp-Nr. 2008/3877).

Berechnung der Haushaltsersparnis bei verheirateten Unterhaltsschuldnern

Bei einem verheirateten Unterhaltsschuldner wird der Haushaltsersparnis in Höhe eines dem Selbstbehalt entsprechenden Teilbetrags des Familieneinkommens im Fall der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt aber bereits durch die unterschiedlichen Selbstbehaltssätze der Ehegatten Rechnung getragen. Nur bezogen auf das den Familienselbstbehalt übersteigende Einkommen ist die Haushaltsersparnis zusätzlich zu berücksichtigen und mit 10 % dieses Mehreinkommens zu bemessen (BGH, Urt. v. 28.07.2010 – XII ZR 140/07, DRsp-Nr. 2010/14884).

Familienselbstbehalt auch bei nicht ehelichen Unterhaltsschuldnern

Die Grundsätze der Synergie und Haushaltsersparnis sind auf die Lebensverhältnisse nicht ehelicher Partner zu übertragen, auch wenn ihnen kein Familienselbstbehalt zukommt. Denn auch nicht ehelichen Partnern ist gegenüber der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt zuzugestehen, ihre Lebensstellung aufrechtzuerhalten (BGH, Urt. v. 23.10.2002 – XII ZR 266/99, DRsp-Nr. 2002/17794).

Übersteigt das Einkommen des Lebensgefährten nicht den Betrag, der bei Ehegatten dem Selbstbehalt entspricht, ist eine Haushaltsersparnis nicht gesondert zu berücksichtigen.

Praxishinweis

In dieser Entscheidung bestätigt der BGH erneut, dass jeder Unterhaltspflichtige die Kosten einer zusätzlichen Altersversorgung in Abzug bringen kann, und zwar beim Elternunterhalt in Höhe von 5 % seines Jahresbruttoeinkommens, in allen übrigen Fällen in Höhe von 4 %. Diese Aufwendungen müssen tatsächlich aufgebracht werden (fiktive Abzüge werden nicht berücksichtigt) und in eine langfristige Anlageform fließen. Gebilligt werden als solche Altersversorgung auch die Zins- und Tilgungsleistungen im Hinblick auf eine Eigentumswohnung oder ein Hausgrundstück. Können solche Leistungen nach der Scheidung im Rahmen der Berechnung des Wohnvorteils nicht mehr berücksichtigt werden, sind sie jedoch bei entsprechendem anwaltlichem Sachvortrag bis zur genannten Obergrenze als abzugsfähig anzuerkennen.

weiter zum Volltext BGH, Urt. v. 17.10.2012 – XII ZR 17/11, DRsp-Nr. 2013/6739