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Stellungnahme zum FGG-Reformgesetz – Teil 2/6 Verfahren im Allgemeinen

Im zweiten Teil seines Fortsetzungsbeitrags betrachtet Horst-Heiner Rotax die Regelungen betreffend das Verfahren im Allgemeinen, die durch das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geändert werden.

§ 9 Abs. 3 FamFG erklärt jetzt alle Jugendlichen in den meisten Kindschafts- und Unterhaltsverfahren für selbst verfahrensfähig. Denn es werden jetzt generell alle nach bürgerlichem Recht beschränkt Geschäftsfähigen, soweit sie das 14. Lebensjahr vollendet haben, in Verfahren, die ihre Person betreffen und in denen sie einen ihnen zustehenden bürgerlich-rechtlichen Anspruch geltend machen, als verfahrensfähig behandelt, es bedarf insoweit also keines gesetzlichen Vertreters oder Ergänzungspflegers mehr. Ob diese Verfahrensfähigkeit auch für reine Amtsverfahren gilt, wird noch zu klären sein.

§ 13 Abs. 4 Satz 2 FamFG erleichtert den Gerichten die Akten- und Prozessführung künftig dadurch, dass es zwar ein Recht von Anwälten und Notaren auf Überlassung von Beweisstücken ausschließt, im Gegensatz zur bisherigen Formulierung dieser Bestimmung aber nicht die Möglichkeit des Gerichts, dieses doch zu tun. Dass jetzt in Abs. 6 des § 13 FamFG die Möglichkeit der Vorlage oder Übersendung von vorbereitenden Papieren einschließlich Beschluss- oder Verfügungsentwürfen ausgeschlossen wird, dürfte eher ein disziplinierender Hinweis an die Geschäftsstellen sein, als eine Verfahrensänderung bedeuten.

§ 18 Abs. 2 FamFG stellt klar, das sich die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung nach den Vorschriften richtet, die für die versäumte Verfahrenshandlung gilt. Besteht dafür Anwaltszwang, kann auch ein Antrag auf Wiedereinsetzung nur durch einen Anwalt gestellt werden.

Nach § 22 Abs. 3 FamFG können jetzt die Beteiligten eines Antragsverfahrens verbindlich erreichen, dass über den Antrag nicht mehr entschieden werden darf. Erklären sämtliche Beteiligten des Verfahrens, dass sie das Verfahren beenden wollen, darf eine Entscheidung nicht mehr ergehen, und zwar auch dann nicht, wenn sie eigentlich schon verfasst wurde und das Gericht die Verkündung aus welchen Gründen auch immer für sinnvoll oder geboten hält. Diese Neuregelung wird vermutlich eher für die Instanzgerichte als für die Eingangsgerichte von Bedeutung sein.

§ 22a FamFG schafft jetzt nicht nur eine datenschutzrechtlich einwandfreie Grundlage für die Mitteilung familiengerichtlich bedeutsamer Tatsachen an das Familiengericht durch andere Gerichte, sondern dürfte vor allem einem effektiven Kinderschutz dienen, wenn es allen Gerichten die Pflicht auferlegt, das Familien- oder Betreuungsgericht pauschal zu informieren, wenn sich dort objektiv die Notwendigkeit einer Tätigkeit des Familien- und Betreuungsgerichts zeigt

Für umfangreiche und schwierige Sachen kann nach § 28 Abs. 4 Satz 2 FamFG das Gericht auch künftig noch einen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zur Protokollierung hinzuziehen. Diese Vorschrift dürfte für die Richterinnen und Richter hilfreich sein, denen bisher und in zunehmendem Maße der Einsatz eines Protokollführers durch die Gerichtsverwaltung verweigert wurde. Umgekehrt stellt die Vorschrift klar, dass ein „Anspruch auf Protokollführer“ nur in Ausnahmefällen besteht.

Über § 32 Abs. 3 FamFG hält jetzt das Medienzeitalter endgültig auch Einzug in den Familiengerichtssaal, wenn dort bestimmt wird, dass in geeigneten Fällen das Gericht die Sache mit den Beteiligten im Wege der Bild- und Tonübertragung in entsprechender Anwendung des § 128a der ZPO erörtern soll.

Mit § 33 Abs. 1 Satz 2 FamFG wird dem berechtigten Interesse von Gewaltopfern Rechnung getragen, im Gerichtssaal nicht durch ein erzwungenes Zusammentreffen mit dem Täter retraumatisiert zu werden. Das Gericht konnte dieses auch bisher schon so arrangieren. Künftig muss es Opfer und Täter getrennt anhören.
§ 33 Abs. 2, 2. Halbs. FamFG stellt klar, dass der Verfahrensbevollmächtigte immer auch dann über den Termin zu benachrichtigen ist, wenn das Gericht das persönliche Erscheinen des Beteiligten angeordnet hat. Nach Satz 3 dieser Vorschrift soll das Gericht vorsorglich förmlich durch Zustellung laden, wenn das Erscheinen eines Beteiligten ungewiss ist. Das erleichtert bzw. verhindert Streitigkeiten um erfolgte Ladungen und die Verhängung von Ordnungsmitteln für nicht entschuldigtes Fernbleiben.

§ 41 Abs. 2 Satz 2 FamFG stellt klar, dass ein Beschluss, auch wenn er zunächst nur in kurzer Form oder mündlich bekannt gemacht worden ist, immer schriftlich begründet werden und in langer Form den Beteiligten bekannt gemacht werden muss. Eigentlich war das bisher schon so. Aber nun hat man es Schwarz auf Weiß.

Leider belässt es das Gesetz in § 57 FamFG dabei, dass einstweilige Umgangsregelungen wie nach geltendem Recht nicht anfechtbar sind. Der Regierungsentwurf hatte zumindest einstweilige Anordnungen, mit denen der Umgang des Kindes mit einem Elternteils vorläufig ausgeschlossen wird, für anfechtbar erklärt. Das entsprach dem verfassungsrechtlichen Gewicht eines derartigen Eingriffs und hätte den Vorteil gehabt, dass das Gericht sich etwas mehr Zeit mit einer endgültigen Entscheidung hätte nehmen können, ohne berechtigte Interessen des Kindes oder des Umgangsberechtigten zu verletzen.

Im Streit um die Einführung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft anstelle von Zwangsmitteln bei Zuwiderhandlungen gegen Vollstreckungstitel zur Herausgabe von Personen und zur Regelung des Umgangs hat das Gesetz gegenüber den Entwürfen einen halben Schritt zurück gemacht. Zwar bleibt es bei der Einführung dieser Ordnungsmittel, aber das Gericht kann sie künftig anordnen, es soll dieses nicht mehr tun müssen. Das macht das gesamte Institut etwas flexibler und hilft sicher, Auswüchse zu verhindern. Aus der jetzigen Formulierung kann aber nicht abgeleitet werden, dass die Vollstreckung von Umgangsregelungen künftig nur noch im Ausnahmefall zulässig sein soll oder stets besonderer Begründung bedürfte. Die grundsätzliche Vollstreckbarkeit durch die neu eingeführten Ordnungsmittel steht nach wie vor außer Frage.

Mit dem § 96a FamFG wird der durch das Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren vom 26.03.2008 (BGBl. I 2008, S. 441) gerade erst geschaffene § 56 Abs. 4 FGG ins FamFG übernommen.

Der Beitrag wird fortgesetzt.

Weitere Beiträge aus dieser Reihe:

Stellungnahme zum FGG-Reformgesetz – Teil 1/6 Einleitung
Stellungnahme zum FGG-Reformgesetz – Teil 2/6 Verfahren im Allgemeinen
Stellungnahme zum FGG-Reformgesetz – Teil 3/6 Verfahren in Ehesachen
Stellungnahme zum FGG-Reformgesetz – Teil 4/6 Verfahren in Kindschaftssachen
Stellungnahme zum FGG-Reformgesetz – Teil 5/6 Abstammungs- und Adoptionsverfahren
Stellungnahme zum FGG-Reformgesetz – Teil 6/6 weitere Verfahren