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BSG - Entscheidung vom 03.01.2013

B 10 LW 1/12 C

Normen:
SGG § 178a Abs. 1 S. 1
GG Art. 103 Abs. 1
SGG § 62

BSG, Beschluss vom 03.01.2013 - Aktenzeichen B 10 LW 1/12 C

DRsp Nr. 2023/950

Zurückweisung einer Anhörungsrüge Hofabgabeklausel in der Alterssicherung der Landwirte

Tenor

Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 29. August 2012 - B 10 LW 5/12 B - wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 178a Abs. 1 S. 1; GG Art. 103 Abs. 1 ; SGG § 62 ;

Gründe

I

Der Senat hat mit Beschluss vom 29.8.2012 - B 10 LW 5/12 B - die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19.10.2011 zurückgewiesen. Gegen diesen ihr am 15.10.2012 zugestellten Beschluss wendet sich die Klägerin mit der Anhörungsrüge vom 29.10.2012. Sie rügt als Verletzung rechtlichen Gehörs, dass sie keine Gelegenheit erhalten habe, sich zu dem vom Senat im angefochtenen Beschluss genannten Aufsatz von Eva Fleuth und Silvia Liebscher, Eine Besonderheit im Rentenrecht - Die Hofabgabeklausel in der Alterssicherung der Landwirte, SdL 2012, 77 ff, äußern zu können. Ferner sei ihr Schriftsatz vom "23.8.2012" (richtig: 21.8.2012) vom Senat nicht zur Kenntnis genommen worden. Im Übrigen habe der Senat wesentliche Teile ihres Vorbringens übergangen.

II

Die statthafte Anhörungsrüge ist unbegründet.

Nach § 178a Abs 1 S 1 SGG ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn (1) ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und (2) das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

Der in Art 103 Abs 1 GG , § 62 SGG verbürgte Anspruch eines Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs betrifft dessen Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung des Vorbringens (vgl dazu allgemein Pieroth in Jarass/Pieroth, GG , 12. Aufl 2012, Art 103 RdNr 9 ff). Diese Normen sollen verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (s auch § 128 Abs 2 SGG ; vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr S 19; BVerfGE 84, 188 , 190). Ferner sollen sie sicherstellen, dass das Vorbringen der Beteiligten vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seinen Erwägungen mit einbezogen wird (vgl BVerfGE 22, 267 , 274; 96, 205, 216 f). Das Gericht muss jedoch nicht ausführlich jedes Vorbringen der Beteiligten bescheiden. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Berücksichtigung von Vorbringen ist nur dann anzunehmen, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (vgl BVerfGE aaO), zB wenn ein Gericht - ohne entsprechende Beweisaufnahme - das Gegenteil des Vorgebrachten annimmt, den Vortrag eines Beteiligten als nicht vorgetragen behandelt (vgl BVerfGE 22, 267 , 274; 42, 364, 368) oder auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, sofern der Tatsachenvortrag nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht unerheblich ist (vgl BVerfGE 86, 133 , 146).

Entgegen der Ansicht der Klägerin sind ihre Rechte aus Art 103 Abs 1 GG , § 62 SGG durch den Senatsbeschluss vom 29.8.2012 nicht verletzt worden.

Die Klägerin behauptet zwar, der Senat habe ihr in verfassungswidriger Weise keine Gelegenheit gegeben, sich zu dem Aufsatz in der Zeitschrift SdL 2012, 77 ff, zu äußern. Andererseits führt sie jedoch in ihrer Rügeschrift selbst aus, dass ihr der Schriftsatz der Beklagten vom 20.6.2012, mit dem der betreffende Aufsatz in das Verfahren eingeführt worden ist, mit Senatsverfügung vom 25.6.2012 zur Kenntnis übersandt worden ist. Insofern ist nicht ersichtlich, weshalb es ihr nicht möglich gewesen sein soll, zu diesem Aufsatz Stellung zu nehmen. Ebenso wenig wird aus dem Rügevorbringen der Klägerin deutlich, warum ein besonderer Hinweis des Senats auf die Bedeutung der Aktualität dieses Aufsatzes erforderlich gewesen sein soll, nachdem die Klägerin selbst ihre Argumentation im Wesentlichen auf die seit 1950 eingetretenen strukturellen Entwicklungen in der Landwirtschaft gestützt hat.

Es trifft auch nicht zu, dass der Senat den Schriftsatz der Klägerin vom 21.8.2012 nicht zur Kenntnis genommen oder jedenfalls nicht in Erwägung gezogen habe. Dieser Schriftsatz ist in der intensiven Phase der Vorbereitung der für den 29.8.2012 vorgesehenen Senatssitzung beim BSG eingegangen und selbstverständlich bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden. Dies gilt auch für die dem Schriftsatz beigefügten Anlagen. Entgegen der Darstellung der Klägerin hat der Senat auf S 5 seines Beschlusses (Rz 17) nicht ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin (nur) auf ältere Quellen zurückgreife. Vielmehr enthält die betreffende Textpassage des Beschlusses die Einschränkung "zum Teil". Dementsprechend kann aus diesem Teil der Beschlussbegründung nicht hergeleitet werden, der Senat habe die mit dem Schriftsatz vom 21.8.2012 vorgelegten aktuellen Quellen nicht zur Kenntnis genommen.

Der erkennende Senat vermag der Ansicht der Klägerin auch insoweit nicht zu folgen, als diese geltend macht, in dem angegriffenen Senatsbeschluss sei auf die zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde vorgebrachten Kernargumente nicht eingegangen worden. Der Senat hat einen erheblichen Strukturwandel in der Landwirtschaft nicht bestritten, sondern ist zu der Beurteilung gelangt, dass dadurch die Hofabgabepflicht zur Erreichung ihrer gesetzlichen Ziele nicht ungeeignet geworden ist. Ebenso hat der Senat eine grundsätzliche Überprüfungspflicht des Gesetzgebers nicht verneint. Vielmehr ist er davon ausgegangen, dass eine ausreichende Prüfung im Rahmen der wiederholten gesetzlichen Modifizierungen der Hofabgaberegelung 21 ALG ) erfolgt ist. Schließlich hat sich der Senat auch mit den von der Klägerin geltend gemachten "Vollzugsdefiziten" bei der Anwendung der Hofabgabeklausel befasst.

Soweit sich die Klägerin in diesem Zusammenhang gegen die inhaltliche Richtigkeit des Senatsbeschlusses vom 29.8.2012 wendet, verkennt sie Sinn und Zweck der Anhörungsrüge. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt keine Gewährleistung dafür, dass ein Verfahrensbeteiligter "erhört", sondern lediglich, dass er "gehört", dh sein Vorbringen zur Kenntnis genommen wird (vgl ua BGH Beschluss vom 4.12.2008 - 1 StR 510/08 - NStZ-RR 2009, 119 ; BSG Beschluss vom 21.8.2009 - B 11 AL 12/09 C - juris, mwN). Selbst wenn also die von der Klägerin beanstandete Rechtsauffassung des Senats im angefochtenen Beschluss vom 29.8.2012 unrichtig wäre, kann hieraus nicht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs hergeleitet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Dieser Beschluss ist unanfechtbar 178a Abs 4 S 3 SGG ).

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, - Vorinstanzaktenzeichen L 8 LW 5/11
Vorinstanz: SG Köln, - Vorinstanzaktenzeichen S 18 LW 7/10