Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BVerfG - Entscheidung vom 10.06.2021

1 BvR 1997/18

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
BVerfGG § 23 Abs. 1 S. 2
BVerfGG § 92
SGG § 202 S. 1
ZPO § 227 Abs. 1 S. 1
GG Art. 103 Abs. 1
BVerfGG § 23 Abs. 1 S. 2
BVerfGG § 92
SGG § 202 S. 1
ZPO § 227 Abs. 1 S. 1
GG Art. 103 Abs. 1

Fundstellen:
NJW 2021, 3384

BVerfG, Beschluss vom 10.06.2021 - Aktenzeichen 1 BvR 1997/18

DRsp Nr. 2021/15835

Verfassungsbeschwerde wegen der Verletzung des Anspruch auf rechtliches Gehör durch die Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags durch das LSG Baden-Württemberg; Nicht hinreichend substantiierte Darlegung einer Rechtsverletzung

1. Genügt ein Terminsverlegungsantrag den Begründungsanforderungen nicht - der bloße Hinweis eines Prozessbevollmächtigten, wegen eines kollidierenden anderen Termins nicht erscheinen zu können, reicht für die Darlegung eines erheblichen Grundes im Sinne des § 227 Abs. 1 ZPO nicht aus -, so ist das Gericht zur Wahrung des rechtlichen Gehörs und zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens grundsätzlich verpflichtet, den Antragsteller auf diese Lücken im Antrag hinzuweisen und ihm damit die Möglichkeit zu geben, fehlende Angaben nachzuholen beziehungsweise erforderliche Unterlagen einzureichen. Allenfalls bei einem erst unmittelbar vor dem Termin gestellten Verlegungsantrag kann das Gericht hiervon absehen.2. Allerdings genügt ein Beschwerdeführer bei der Rüge einer Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Begründungsanforderungen nur dann, wenn er substantiiert darlegt, was er bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte und inwiefern die Berücksichtigung dieses Vorbringens zu einem anderen, für ihn günstigeren Ergebnis des Rechtsstreits hätte führen können.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ;

[Gründe]

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft den Anspruch auf rechtliches Gehör, den der Beschwerdeführer durch die Ablehnung seines Terminsverlegungsantrags durch das Landessozialgericht Baden-Württemberg verletzt sieht.

1. a) Das Landessozialgericht Baden-Württemberg bestimmte mit Verfügung vom 11. Oktober 2017, dem Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers zugestellt am 13. Oktober 2017, einen Termin zur mündlichen Verhandlung über eine Berufung des Beschwerdeführers auf den 7. Dezember 2017 um 14:20 Uhr. Mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2017 beantragte der in Sozietät tätige Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers eine Verlegung dieses Termins, weil sowohl er selbst als auch die weiteren Mitglieder seiner Sozietät an diesem Termin verhindert seien. Nachdem ihn das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Verfügung vom 18. Oktober 2017 aufgefordert hatte, die Gründe für seine Verhinderung glaubhaft zu machen, versicherte der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2017 anwaltlich, dass er am späten Vormittag des 7. Dezember 2017 einen umfangreichen Termin in einem Arzthaftungsprozess mit Partei- und Sachverständigenanhörungen wahrzunehmen habe, sodass die rechtzeitige Anreise nach Stuttgart nicht gewährleistet sei. Hieraufhin hob das Landessozialgericht Baden-Württemberg den auf den 7. Dezember 2017 bestimmten Verhandlungstermin auf.

b) Hinsichtlich des sodann mit Verfügung vom 20. Dezember 2017, dem Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers zugestellt am 27. Dezember 2017, auf den 22. Februar 2018 um 9:55 Uhr bestimmten neuen Verhandlungstermins beantragte der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2017 unter Bezugnahme auf einen bereits seit längerer Zeit anberaumten kollidierenden Gerichtstermin beim Oberlandesgericht Karlsruhe erneut Terminsverlegung. Mit Verfügung vom 3. Januar 2018 teilte das Landessozialgericht Baden-Württemberg dem Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers mit, dass eine erneute Terminsverlegung nicht in Betracht komme und verwies darauf, dass "die Möglichkeit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung oder der Terminswahrnehmung durch einen Kollegen" bestehe. Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2018 teilte der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers mit, dass er alleiniger Sachbearbeiter und einziger Fachanwalt für Sozialrecht in der Sozietät sei. Er sei gerade wegen seiner Expertise vom Beschwerdeführer beauftragt worden, weshalb eine Terminswahrnehmung durch einen Kollegen nicht in Betracht komme. Ferner bestehe auch kein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Bei Verhinderung eines Prozessbevollmächtigten sei, wie es auch aus einer Kommentarstelle hervorgehe, einem Verlegungsersuchen grundsätzlich stattzugeben. Mit Verfügung vom 11. Januar 2018 teilte das Landessozialgericht Baden-Württemberg dem Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers mit, dass in der von ihm zitierten Kommentarstelle dargelegt sei, "dass bei schon vorher bewilligter Verlegung [...] und Verweisung auf die Sozietät dem erneuten Antrag nicht stattzugeben sei". Der Termin bleibe daher aufrechterhalten. Mit Schriftsatz vom 29. Januar 2018 führte der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers ergänzend aus, dass der Beschwerdeführer sogar eine über die Regelgebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz hinausgehende Gebührenvereinbarung abgeschlossen habe, um gerade ihn persönlich als Prozessvertreter zu gewinnen.

c) Am 22. Februar 2018 fand in Abwesenheit des Beschwerdeführers und seines Prozessbevollmächtigten die mündliche Verhandlung vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg statt. Mit Urteil vom selben Tag wies das Landessozialgericht Baden-Württemberg die Berufung des Beschwerdeführers zurück. In diesem Urteil lehnte das Landessozialgericht Baden-Württemberg unter anderem einen Antrag des Beschwerdeführers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG ab, weil der Beschwerdeführer aufgrund einer groben Nachlässigkeit seines Prozessbevollmächtigten innerhalb der gesetzten Frist keinen bestimmten Arzt namentlich benannt habe. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheide aus, da eine solche mangels abweichender gesetzlicher Anordnung nur in gesetzliche, nicht aber in richterliche Fristen gewährt werden könne. Zudem fehle es aufgrund der groben Nachlässigkeit des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers auch an einer unverschuldeten Fristversäumnis.

2. Eine vom Beschwerdeführer erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wies das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 23. Juli 2018 als unzulässig zurück. Der Beschwerdeführer habe nicht vorgetragen, einen ordnungsgemäßen Terminsverlegungsantrag mit einem substantiiert geltend gemachten Verlegungsgrund gestellt zu haben. Deshalb habe er den gerügten Verfahrensmangel in Form einer Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet.

3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG sowie die Verletzung seines Rechts auf ein faires Verfahren gemäß Art. 20 Abs. 3 GG , Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG .

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügt.

1. Allerdings verletzte die Ablehnung der beantragten Terminsverlegung durch das Landessozialgericht Baden-Württemberg das Recht des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG .

a) Art. 103 Abs. 1 GG gewährt den Verfahrensbeteiligten einen Anspruch, sich vor dem Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt äußern zu können (vgl. BVerfGE 67, 39 <41>; 69, 145 <148>; 89, 381 <392>). Gleiches gilt für dessen rechtliche Bewertung (vgl. BVerfGE 74, 228 <233>; 119, 292 <296>). Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, entsprechende Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 70, 288 <293>; 96, 205 <216>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. August 2015 - 2 BvR 2915/14 -, Rn. 15; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 1. Oktober 2019 - 1 BvR 552/18 -, juris, Rn. 8). Ein Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung folgt unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht (vgl. BVerfGE 5, 9 <11>; 6, 19 <20>; 15, 303 <307>; 36, 85 <87>; 112, 185 <206>). Sofern aber eine mündliche Verhandlung stattfindet oder von Gesetzes wegen stattzufinden hat, begründet der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG das Recht eines Verfahrensbeteiligten, sich in dieser Verhandlung zu äußern (vgl. BVerfGE 42, 364 <370>; BVerfGK 19, 377 <382>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. April 2012 - 2 BvR 2126/11 -, Rn. 20 f.; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Juni 2015 - 1 BvR 366/15 -, Rn. 7; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 13. Juni 2018 - 1 BvR 1040/17 -, Rn. 8; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juli 2019 - 1 BvR 2811/18 -, juris, Rn. 9).

Das Recht auf rechtliches Gehör bedarf der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber (vgl. BVerfGE 89, 28 <35>). Da die Gewährleistungen in den Verfahrensordnungen über das verfassungsrechtlich erforderliche Maß an rechtlichem Gehör hinausreichen können, bedeutet nicht jeder Verstoß gegen entsprechende einfachrechtliche Verfahrensvorschriften notwendigerweise auch einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 60, 305 <310 f.>; 74, 288 <233>; BVerfGK 10, 397 <400>; 20, 218 <224>). Ferner ist die Auslegung der einfachrechtlichen Verfahrensvorschriften in den jeweils maßgeblichen Prozessordnungen grundsätzlich Sache der Fachgerichte und unterliegt nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 89, 28 <35 f.>). Im Hinblick auf das durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Recht, sich in einer stattfindenden oder gesetzlich vorgesehenen mündlichen Verhandlung zu äußern, liegt eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG aber jedenfalls dann vor, wenn trotz beantragter Terminsverlegung und Bestehen eines Verlegungsgrundes gleichwohl eine mündliche Verhandlung am ursprünglich bestimmten Termin stattfindet und in der Sache entschieden wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. Mai 2016 - 1 BvR 1094/16 -, Rn. 2; BFH, Beschluss vom 2. August 2016 - X B 10/16 -, juris, Rn. 11; BSG , Beschluss vom 13. November 2008 - B 13 R 303/07 B -, juris, Rn. 8; BVerwG, Beschluss vom 9. August 2007 - 5 B 10/07 -, juris, Rn. 1; Degenhart, in: Sachs, GG , 9. Aufl. 2021, Art. 103 Rn. 21). Gleiches gilt, sofern sich - ohne dass das Vorliegen eines Verlegungsgrundes abschließend beurteilt werden könnte - aus der Art und Weise der Behandlung eines abgelehnten Terminsverlegungsantrages beziehungsweise der Begründung für dessen Ablehnung ergibt, dass die Bedeutung und die Tragweite des Rechts auf rechtliches Gehör verkannt wurden (vgl. zu diesem Maßstab bei der Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften BVerfGE 60, 305 <310 f.>; 74, 228 <233>; 89, 381 <391>; BVerfGK 20, 218 <224>). Da die Ablehnung eines Terminsverlegungsantrages regelmäßig die Möglichkeit einer Partei auf Wahrnehmung ihres Rechts auf rechtliches Gehör durch Äußerung in einer stattfindenden oder gesetzlich vorgesehenen mündlichen Verhandlung einschränkt, gestalten die einfachrechtlichen Vorschriften über die Behandlung von Terminsverlegungsanträgen den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 1 GG aus und sind damit unmittelbar grundrechtsrelevant. Deshalb kann bei Verstößen hiergegen die Schwelle zur Grundrechtsverletzung eher erreicht sein, als dies üblicherweise bei der Anwendung einfachen Rechts der Fall ist (vgl. BVerfGE 75, 302 <314> zur fehlerhaften Anwendung von Präklusionsvorschriften).

b) Nach diesen Maßstäben verletzte die Ablehnung der vom Beschwerdeführer beantragten Verlegung des auf den 22. Februar 2018 um 9:55 Uhr bestimmten Termins zur mündlichen Verhandlung das Recht des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG .

aa) Eine Terminsverlegung rechtfertigende und zur Wahrung rechtlichen Gehörs unter Umständen gebietende "erhebliche Gründe" im Sinne des nach § 202 Satz 1 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbaren § 227 Abs. 1 ZPO sind besonders gewichtige Umstände, die auch und gerade zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erfordern (vgl. BVerwG, Beschluss von 23. Januar 1995 - 9 B 1/95 -, juris, Rn. 3; BGH, Urteil vom 13. Januar 2004 - X ZR 212/02 -, juris, Rn. 27; BSG , Beschluss vom 30. September 2015 - B 3 KR 23/15 B -, juris, Rn. 8; Stackmann, in: Münchener Kommentar zur ZPO , 6. Aufl. 2020, § 227 Rn. 6). Die Verhinderung des Prozessbevollmächtigten einer Partei aufgrund eines bereits zuvor anberaumten kollidierenden Verhandlungstermins kann einen erheblichen Grund im Sinne des § 227 Abs. 1 ZPO darstellen (vgl. BSG , Beschluss vom 30. September 2015 - B 3 KR 23/15 B -, juris, Rn. 9; OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. Januar 2013 - 11 LA 3/13 -, juris, Rn. 3; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO , 18. Aufl. 2021, § 227 Rn. 5; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl. 2020, § 110 Rn. 5). Sofern ein Verhandlungstermin bereits verlegt wurde, kommt dem Beschleunigungsgebot allerdings ein erhöhtes Gewicht zu. In diesem Fall ist eine erneute Terminsverlegung zwar nicht generell ausgeschlossen, jedoch ist es einer Partei beziehungsweise ihrem Prozessbevollmächtigten grundsätzlich zumutbar, zunächst in dem anderen Verfahren unter Hinweis auf die Terminskollision um eine Terminsverlegung zu ersuchen (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2008 - VI ZR 317/07 -, NJW 2009, S. 687 f.). Obgleich ein Mandant auch bei der Beauftragung einer Sozietät im Regelfall erwarten darf, von dem Anwalt vertreten zu werden, der innerhalb der Sozietät die Sachbearbeitung übernommen hat (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Januar 2008 - 9 W 32/07 -, NJW 2008, S. 1328 <1329>; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO , 18. Aufl. 2021, § 227 Rn. 5), ist in diesen Fällen ferner die Möglichkeit der Terminswahrnehmung durch einen Vertreter zu berücksichtigen, sofern hierdurch schutzwürdige Interessen des Mandanten nicht beeinträchtigt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1995 - 9 B 1/95 -, NJW 1995, S. 1231 ; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO , 18. Aufl. 2021, § 227 Rn. 5).

bb) Die Gründe für eine Terminsverlegung müssen im Terminsverlegungsantrag ungeachtet dessen, dass sie nach § 227 Abs. 2 ZPO erst auf Verlangen des Vorsitzenden glaubhaft zu machen sind, so detailliert vorgetragen werden, dass dem Gericht eine Prüfung ihrer Erheblichkeit möglich ist (vgl. BFH, Beschluss vom 31. März 2006 - IV B 138/04 -, juris, Rn. 4; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Februar 2008 - 13 Sa 2/07 -, juris, Rn. 26; Jaspersen, in: BeckOK ZPO , § 227 Rn. 16 <Dez. 2020>; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO , 18. Aufl. 2021, § 227 Rn. 5). Genügt der Terminsverlegungsantrag diesen Voraussetzungen nicht, so ist das Gericht zur Wahrung des rechtlichen Gehörs und zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens grundsätzlich verpflichtet, den Antragsteller auf Lücken im Antrag hinzuweisen (vgl. Jaspersen, in: BeckOK ZPO , § 227 Rn. 16 <Dez. 2020>) und ihm damit die Möglichkeit zu geben, fehlende Angaben nachzuholen beziehungsweise erforderliche Unterlagen einzureichen (vgl. BSG , Beschluss vom 1. Juli 2010 - B 13 R 561/09 B -, juris, Rn. 12; Beschluss von 24. Oktober 2013 - B 13 R 59/13 B -, juris, Rn. 19; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl. 2020, § 110 Rn. 4b). Allenfalls bei einem erst unmittelbar vor dem Termin gestellten Verlegungsantrag kann das Gericht hiervon absehen (vgl. BSG , Beschluss vom 7. November 2017 - B 13 R 153/17 B -, juris, Rn. 9).

cc) Diesen einfachrechtlichen Maßstäben entsprach die Ablehnung der Terminsverlegung durch das Landessozialgericht Baden-Württemberg nicht. Hierin liegt im konkreten Fall auch eine Verkennung der Bedeutung und Tragweite des dem Beschwerdeführer zustehenden Rechts auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG .

Zwar war der mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2017 gestellte zweite Terminsverlegungsantrag des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers nach den fachrechtlichen Anforderungen nicht hinreichend substantiiert begründet. Denn hierin wurde nur auf einen "bereits seit längerer Zeit anberaumten Gerichtstermin beim Oberlandesgericht Karlsruhe" verwiesen, ohne dass jedoch ausgeführt worden wäre, um welche Art von Termin es sich hierbei handelte, weshalb eine Vertretung des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers durch ein anderes Sozietätsmitglied entweder in dem Termin vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg oder in dem kollidierenden Termin vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe nicht möglich war oder weshalb eine Verlegung des kollidierenden Termins vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe nicht in Betracht kam. Der bloße Hinweis eines Prozessbevollmächtigten, wegen eines kollidierenden anderen Termins nicht erscheinen zu können, reicht für die Darlegung eines erheblichen Grundes im Sinne des § 227 Abs. 1 ZPO nicht aus (vgl. BFH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - X B 245/12 -, juris, Rn. 21; Stackmann, in: Münchener Kommentar zur ZPO , 6. Aufl. 2020, § 227 Rn. 12).

Allerdings hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg den Beschwerdeführer trotz des Umstandes, dass bis zu dem auf den 22. Februar 2018 bestimmten Termin noch ausreichend Zeit verblieb, nicht auf die unzureichende Begründung seines Antrages hingewiesen, sondern den Terminsverlegungsantrag sogleich zurückgewiesen. Da es sich um den einzigen Verhandlungstermin vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg handelte und dem Beschwerdeführer somit das Recht, sich in einer stattfindenden beziehungsweise gesetzlich vorgesehenen mündlichen Verhandlung zu äußern, vollständig genommen wurde, hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg bei seiner Entscheidung die Bedeutung und die Tragweite des Rechts des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verkannt.

Dahinstehen kann, ob die in der Verfügung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 3. Januar 2018 für die Ablehnung des Terminsverlegungsantrages gegebene Begründung, wonach angesichts der bereits erfolgten Terminsverlegung und der Möglichkeit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung oder der Terminswahrnehmung durch einen Kollegen "eine erneute Terminsverlegung nicht in Betracht [komme]", einen weiteren Verstoß gegen das Recht des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG darstellt. Eine bereits erfolgte Terminsverlegung schließt jedenfalls eine weitere Terminsverlegung auch bei der grundsätzlich bestehenden Möglichkeit der Vertretung einer Partei durch ein anderes Mitglied der mandatierten Sozietät nicht generell aus. In die Entscheidung über die weitere Terminsverlegung sind vielmehr alle Umstände des Einzelfalles einzubeziehen, beispielsweise die Art des kollidierenden Gerichtstermins oder die Besonderheiten der Mandatsbeziehung zwischen einer Partei und der Sozietät ihres Prozessbevollmächtigten. Zu berücksichtigen ist auch, dass dem Beschleunigungsgebot bei der vom Gericht nach § 227 Abs. 1 ZPO zu treffenden Ermessensentscheidung ein höheres Gewicht zukommen kann und dass daher ein Antragsteller gesteigerte Anforderungen zu unternehmen hat, um die Terminskollision etwa durch Verlegung des anderen Verhandlungstermins aufzulösen (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2008 - VI ZR 317/07-, NJW 2009, S. 687 f.). Ob die Begründung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg diesen Maßstäben genügt, kann angesichts des bereits in dem unterlassenen Hinweis auf die unzureichende Begründung des Terminsverlegungsantrages liegenden Verstoßes gegen das Recht des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG aber letztlich offenbleiben.

dd) Ebenfalls kann dahinstehen, ob die vom Beschwerdeführer in den Schriftsätzen vom 9. Januar 2018 und vom 29. Januar 2018 angeführten weiteren Umstände zur hinreichend substantiierten Begründung des Terminsverlegungsantrages geeignet gewesen sind. Denn diese Umstände hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg, wie sich aus dem Festhalten an der in der Verfügung vom 3. Januar 2018 geäußerten Rechtsauffassung ergibt, inhaltlich gar nicht mehr daraufhin überprüft, ob aufgrund dieser Umstände eine Zurückstellung des Beschleunigungsgebots und damit eine Terminsverlegung erforderlich gewesen wäre.

2. Jedoch hat der Beschwerdeführer nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass die angegriffene Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg auch auf der Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör beruhte.

a) Die Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG führt nur dann zur Aufhebung der angegriffenen Gerichtsentscheidung, wenn diese auf dem Gehörsverstoß beruht. Dies ist der Fall, wenn zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Gewährung des rechtlichen Gehörs zu einer anderen Entscheidung geführt hätte (vgl. BVerfGE 7, 239 <241>; 86, 133 <147>; 89, 381 <392 f.>; 112, 185 <206>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Mai 2014 - 2 BvR 683/12 -, Rn. 15). Ein Beschwerdeführer genügt daher bei der Rüge einer Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Begründungsanforderungen nur dann, wenn er substantiiert darlegt, was er bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte (vgl. BVerfGE 112, 185 <206>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 4. Mai 2017 - 1 BvR 783/17 -, Rn. 4; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 23. Mai 2019 - 1 BvR 1724/18 -, Rn. 39) und inwiefern die Berücksichtigung dieses Vorbringens zu einem anderen, für ihn günstigeren Ergebnis des Rechtsstreits hätte führen können (vgl. BVerfGE 148, 217 <266>).

b) Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht.

Der Beschwerdeführer führt lediglich aus, dass sein Prozessbevollmächtigter angesichts der Ausführungen in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg zur Nichteinhaltung der für den Antrag nach § 109 SGG gesetzten Frist, wonach nicht zu dem Fehlen eines Organisations- und Auswahlverschuldens seines Prozessbevollmächtigten bei der Führung des Fristenkalenders durch eine Kanzleimitarbeiterin vorgetragen worden sei, in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen hätte, dass entgegen diesen Ausführungen schriftsätzlich bereits die hohe Qualifikation der betreffenden Mitarbeiterin (Rechtsfachwirtin) und die sich hieraus sowie aus ihrer bisherigen Zuverlässigkeit ergebende fehlende Notwendigkeit einer permanenten Kontrolle angeführt worden seien. Dieser Vortrag wäre in der mündlichen Verhandlung "untermauert" worden, zudem hätte sein Prozessbevollmächtigter auch "auf etwaige Rückfragen vertiefend geantwortet". Ferner sei davon auszugehen, dass für den Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers als "Spezialist in sozialgerichtlichen Verfahren" im Rahmen einer rechtlichen Erörterung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG zumindest die Möglichkeit bestanden hätte, das Gericht von seiner Haltung, den Antrag nach § 109 SGG abzulehnen, abzubringen.

Soweit der Beschwerdeführer anführt, dass sein Prozessbevollmächtigter angesichts der Ausführungen in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg zu den Gründen für die Ablehnung des Beweisantrages nach § 109 SGG in der mündlichen Verhandlung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft hätte, trägt der Beschwerdeführer selbst vor, dass das Gericht "[i]m Vorfeld der mündlichen Verhandlung [...] nicht deutlich gemacht [habe], dass es dem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattgeben würde". Weshalb das Gericht dann einen entsprechenden Hinweis in der mündlichen Verhandlung hätte erteilen sollen, insbesondere angesichts des Umstandes, dass das Gericht durch Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich weder zur Führung eines Rechtsgesprächs noch zu einer Mitteilung seiner Rechtsauffassung verpflichtet wird (vgl. Degenhart, in: Sachs, GG , 9. Aufl. 2021, Art. 103 Rn. 16 m.w.N.), legt der Beschwerdeführer nicht dar. Schließlich benennt der Beschwerdeführer auch keine konkreten neuen, nicht bereits schriftsätzlich vorgetragenen Umstände, die er in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hätte. Er verweist lediglich darauf, dass er sein bisheriges Vorbringen vertieft und etwaige Rückfragen beantwortet hätte. Aus welchen konkreten Gründen dies das Gericht zu einer anderen Entscheidung hätte bewegen sollen, führt der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar aus.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 22.02.2018 - Vorinstanzaktenzeichen L 6 SB 4718/16
Vorinstanz: BSG, vom 23.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen B 9 SB 27/18 B
Fundstellen
NJW 2021, 3384