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BSG - Entscheidung vom 08.03.2021

B 8 SO 83/20 B

Normen:
SGG § 67 Abs. 1

BSG, Beschluss vom 08.03.2021 - Aktenzeichen B 8 SO 83/20 B

DRsp Nr. 2021/5972

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Schuldloses Fristversäumnis

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Juli 2020 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 67 Abs. 1 ;

Gründe

I

Der Kläger hat selbst mit einem am 24.9.2020 beim Bundessozialgericht ( BSG ) eingegangenen Schreiben vom 2.9.2020 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 28.7.2020 (ihm zugestellt am 1.8.2020) eingelegt sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines von ihm benannten Rechtsanwalts beantragt. Ein Erklärungsformular über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist nicht beim BSG eingegangen. Die vom Kläger beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat der Kläger mit einem Urlaubsaufenthalt in Bosnien-Herzegowina vom 11.6.2020 bis 19.9.2020 und "Grenzschließungen wegen Corona" begründet. Den LSG-Beschluss habe ihm sein Sohn im August 2020 mit nach Bosnien gebracht.

II

Dem Kläger kann PKH nicht bewilligt werden. Voraussetzung dafür ist nach der Rechtsprechung des BSG und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes, dass sowohl der (grundsätzlich formlose) Antrag auf PKH als auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Erklärung) in der für diese gesetzlich vorgeschriebenen Form 73a Abs 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>, § 117 Abs 2 und 4 Zivilprozessordnung <ZPO>), dh mit dem durch die PKH-Formularverordnung vom 6.1.2014 (BGBl I 34) eingeführten Formular, bis zum Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht werden. Dies ist hier nicht geschehen. Der Kläger hat innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist, die am Dienstag, dem 1.9.2020 endete 160a Abs 1 , § 64 Abs 2 , § 63 Abs 2 SGG , § 180 ZPO ), weder rechtzeitig PKH beantragt noch bis zum Ablauf der Frist die Erklärung vorgelegt, obwohl das LSG ausdrücklich darüber belehrt hat, dass sowohl das PKH-Gesuch als auch die formgerechte Erklärung bis zum Ablauf der Beschwerdefrist am 1.9.2020 beim BSG einzureichen sind. Es ist weder ersichtlich noch vom Kläger dargetan, dass er hieran ohne Verschulden gehindert war.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 67 Abs 1 SGG ) kann dem Kläger unabhängig von seiner fehlenden Postulationsfähigkeit 73 Abs 4 SGG ) nicht gewährt werden. Der Kläger hat nicht hinreichend dargetan, dass ein schuldloses Fristversäumnis vorliegt. Bei länger als nur vorübergehender - etwa sechs Wochen (vgl BVerfGE 41, 332 , 336), vorliegend ein Zeitraum von mehr als drei Monaten - Abwesenheit muss ein Beteiligter in der Regel auch ohne konkreten Anlass besondere Vorkehrungen treffen, dass ihn Sendungen der Behörden oder des Gerichts erreichen ( BSG vom 26.3.1992 - 11 BAr 117/91 - SozR 3-1500 § 67 Nr 3 = NJW 1992, 3120 ; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 67 RdNr 7a). Die vom Kläger behaupteten "Grenzschließungen wegen Corona" gab es in den infrage stehenden Sommermonaten 2020 nicht, zumal ohnehin nicht ersichtlich ist, weshalb aus diesem Grund eine fristgerechte Einlegung der Beschwerde nicht möglich gewesen sein sollte. Der Kläger hat selbst vorgebracht, er habe noch im August 2020 wegen der Einlegung der Beschwerde mit einer Rechtsanwaltskanzlei in Deutschland Kontakt aufgenommen. Es ist also auch nicht ersichtlich, dass der Kläger aufgrund nicht vorhandener Kommunikationsmittel daran gehindert gewesen wäre, einen Rechtsanwalt zu beauftragen oder selbst fristgerecht PKH für ein Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde zu beantragen. Auf die Frage der üblichen Postlaufzeit bei rechtzeitiger Aufgabe zur Post (zu Briefen aus dem Ausland vgl BSG vom 14.3.2013 - B 13 R 188/12 B - SozR 4-1500 § 63 Nr 3 RdNr 19 f) kommt es vorliegend nicht an, da der Kläger die Beschwerde erst nach Fristablauf (1.9.2020) am 2.9.2020 zur Post gegeben hat. Außerdem fehlt es auch an der Nachholung der versäumten Rechtshandlung, der Einlegung der Beschwerde durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten 67 Abs 2 Satz 3 SGG ).

Damit entfällt auch die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten im Rahmen der PKH 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen, folglich nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach § 73 Abs 4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf wurde der Kläger ausdrücklich hingewiesen. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach § 160a Abs 4 Satz 1 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 28.07.2020 - Vorinstanzaktenzeichen L 8 SO 274/19
Vorinstanz: SG Regensburg, vom 21.06.2019 - Vorinstanzaktenzeichen S 7 SO 141/18