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BSG - Entscheidung vom 12.08.2021

B 9 SB 20/21 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGB IX § 2 Abs. 1

BSG, Beschluss vom 12.08.2021 - Aktenzeichen B 9 SB 20/21 B

DRsp Nr. 2021/14246

Herabsetzung eines Grades der Behinderung nach Ablauf einer Heilungsbewährung Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Januar 2021 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGB IX § 2 Abs. 1 ;

Gründe

I

Der Kläger wendet sich in der Hauptsache gegen die Herabsetzung des ihm mit Bescheid vom 16.11.2009 seit dem 27.7.2009 zuerkannten Grades der Behinderung (GdB) von 100 nach Ablauf der Heilungsbewährung auf 40 ab dem 25.5.2015. Wie zuvor bereits das SG (Gerichtsbescheid vom 13.9.2019) hat auch das LSG die Entscheidung des Beklagten (Bescheid vom 20.5.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.2.2016) bestätigt. Die nach der Heilungsbewährung des Kieferhöhlen-Carcinoms beim Kläger verbliebenen Funktionsstörungen rechtfertigten keinen höheren Gesamt-GdB als 40 (Urteil vom 22.1.2021).

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht ausschließlich den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache geltend.

II

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht in der hierfür erforderlichen Weise dargelegt worden ist 160a Abs 2 Satz 3 SGG ).

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG , wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl Senatsbeschluss vom 31.1.2018 - B 9 V 63/17 B - juris RdNr 6; Senatsbeschluss vom 30.11.2017 - B 9 V 35/17 B - juris RdNr 4). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des Klägers nicht gerecht.

Er hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:

"1. Beurteilt sich eine Feststellung des GdB nach § 2 Abs. 1 SGB IX , die gesundheitliche Beeinträchtigungen betrifft, die in dem Zeitraum vom 27.07.2009 bis zum 17.6.2015 festgestellt worden sind, nach der jeweils geltenden Fassung des § 2 Abs. 1 SGB IX für die jeweiligen Zeiträume, für die sie galten bzw. gelten?

2. Beurteilt sich eine Feststellung des GdB nach § 2 Abs. 1 SGB IX , die gesundheitliche Beeinträchtigungen betrifft, die in dem Zeitraum vom 27.07.2009 bis zum 17.06.2015 festgestellt worden sind, nach der jeweils geltenden Fassung des § 2 Abs. 1 SGB IX nach dem Grundsatz, dass sich die Entstehung und der Fortbestand des sozialrechtlichen Anspruchs auf Leistungen nach dem Recht beurteilen, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat?

3. Sind anspruchsbegründende Ereignisse oder Umstände im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes, insbesondere des Urteils vom 04.09.2013 - B C (richtig: 10) EG 6/12 R - auch gesundheitliche Untersuchungen und Feststellungen, die der Überprüfung eines Grades der Behinderung i.S.v. § 2 Abs. 1 SGB IX dienen?"

Der Kläger hat jedoch schon die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragestellungen nicht hinreichend dargetan. Er weist selbst auf das Urteil des Senats vom 4.9.2013 ( B 10 EG 6/12 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 24) und die dortigen Ausführungen zu den Grundsätzen des intertemporalen Rechts hin. Danach ist die Entstehung und der Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche oder Rechtsverhältnisse grundsätzlich - soweit Übergangsregelungen fehlen - nach dem Recht zu beurteilen, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat (aaO, RdNr 37 mwN). Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass diese Entscheidung zum Elterngeldrecht ergangen ist. Dies allein reicht aber nicht aus, um eine weitere Klärungsbedürftigkeit zu begründen. Denn der Kläger unterzieht sich nicht der notwendigen Mühe, sich mit diesem Urteil und der dort zitierten weiteren Rechtsprechung des BSG zum intertemporalen Recht inhaltlich auseinanderzusetzen und versäumt es demzufolge auf dieser Grundlage zu prüfen, ob sich aus dieser bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung schon ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragestellungen ergeben. Ist dies aber der Fall, gilt eine Rechtsfrage als höchstrichterlich geklärt (vgl stRspr; zB Senatsbeschluss vom 22.3.2018 - B 9 SB 78/17 B - juris RdNr 12 mwN).

Zudem hat der Kläger auch die Klärungsfähigkeit der formulierten Fragenstellungen nicht in der gebotenen Weise aufgezeigt. Er legt nicht hinreichend dar, ob es in dem von ihm angestrebten Revisionsverfahren notwendig auf deren Beantwortung ankommt. Er führt nicht aus, ob auf der Grundlage des vom LSG festgestellten (medizinischen) Sachverhalts (vgl § 163 SGG ) nach den auf der Basis seiner Rechtsauffassung jeweils geltenden und anzuwendenden rechtlichen Maßstäben bei der (Gesamt-)GdB-Bemessung der Prozess zu seinen Gunsten ausgehen würde.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 22.01.2021 - Vorinstanzaktenzeichen L 8 SB 3619/19
Vorinstanz: SG Freiburg, vom 13.09.2019 - Vorinstanzaktenzeichen S 18 SB 1026/16