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BSG - Entscheidung vom 30.06.2021

B 9 SB 69/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 30.06.2021 - Aktenzeichen B 9 SB 69/20 B

DRsp Nr. 2021/13030

Feststellung einer Schwerbehinderteneigenschaft Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 8. Oktober 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Der Kläger begehrt die Feststellung seiner Schwerbehinderteneigenschaft.

Mit Urteil vom 8.10.2020 hat das LSG wie vor ihm der Beklagte und das SG einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines höheren Gesamt-GdB als 40 bei Einzel-GdB von 30 für das Funktionssystem Rumpf, 20 für das Funktionssystem Beine und 15 für das Funktionssystem Hörund Gleichgewichtsorgan (Ohren) verneint. Die darüber hinaus festgestellten fünf verschiedenen Einzel-GdB-Werte von 10 erhöhten den Gesamt-GdB nicht. Dies ergebe sich aus Teil A Nr 3 Buchst d ee der (in Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung geregelten) Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG).

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Das LSG habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil der Kläger die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht ordnungsgemäß dargelegt hat 160a Abs 2 Satz 3 SGG ).

1. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB Senatsbeschluss vom 27.8.2020 - B 9 V 5/20 B - juris RdNr 6 mwN). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist und die Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht, so gut wie unbestritten ist oder sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Um die Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer daher auch mit der einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzen und darlegen, warum sich daraus keine Antwort auf die aufgeworfene Rechtsfrage entnehmen lässt und deshalb (weiterer) Klärungsbedarf besteht (vgl Senatsbeschluss vom 21.8.2017 - B 9 SB 11/17 B - juris RdNr 8 mwN).

Der Kläger hält es sinngemäß für klärungsbedürftig, ab welcher Anzahl zusätzlicher Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Einzel-GdB von 10 ein Ausnahmefall iS von Teil A Nr 3 Buchst d ee VMG vorliegt, der den Gesamt-GdB ausnahmsweise erhöht.

Indes versäumt es der Kläger bereits, auf die insoweit einschlägige Rechtsprechung einzugehen. Wie der Senat zu der mit Teil A Nr 3 Buchst d ee VMG im wesentlichen wortlautidentischen Nr 19 Abs 4 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP <Ausgabe 1996>) bereits entschieden hat, gilt das darin enthaltene Erhöhungsverbot ausnahmslos, wenn mehrere mit einem Einzelwert von 10 beurteilte (leichte) Funktionsbeeinträchtigungen unabhängig voneinander verschiedene Lebensbereiche betreffen (Senatsurteil vom 13.12.2000 - B 9 V 8/00 R - SozR 3-3870 § 4 Nr 28 S 108 = juris RdNr 16; vgl auch Senatsurteile vom 17.4.2013 - B 9 SB 3/12 R - juris RdNr 53 und vom 2.12.2010 - B 9 SB 4/10 R - juris RdNr 30; Senatsbeschlüsse vom 17.11.2016 - B 9 SB 23/16 B - juris RdNr 6 und vom 17.4.2013 - B 9 SB 69/12 B - juris RdNr 9). Die Auswirkungen solcher Störungen können dann den Gesamtwert in aller Regel deshalb nicht erhöhen, weil sie zu geringfügig sind. Eine Erhöhung des Gesamtwerts wegen eines zusätzlichen Einzelwerts von 10 und damit ein Ausnahmefall iS von Nr 19 Abs 4 AHP bzw jetzt Teil A Nr 3 Buchst d ee VMG kommt nur dann in Betracht, wenn sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt, wie im von Nr 19 Abs 4 AHP angeführten Beispiel hochgradiger Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit (Senatsurteil vom 13.12.2000 - B 9 V 8/00 R - SozR 3-3870 § 4 Nr 28 S 108 = juris RdNr 16 mwN).

Mit dem danach in den VMG enthaltenen, regelmäßigen Erhöhungsverbot bei mehreren leichten Gesundheitsstörungen in verschiedenen Lebensbereichen setzt sich der Kläger in der Beschwerdebegründung ebenso wenig auseinander, wie mit dem von den VMG benannten Ausnahmefall, der zugrunde liegenden Systematik und der dazu ergangenen Senatsrechtsprechung. Er legt daher nicht dar, ob und in welchem Umfang weiterer Klärungsbedarf bestehen könnte.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Sachsen, vom 08.10.2020 - Vorinstanzaktenzeichen L 9 SB 145/18
Vorinstanz: SG Dresden, vom 23.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen S 41 SB 365/15