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BSG - Entscheidung vom 12.11.2021

B 12 R 23/21 B

Normen:
SGB VI § 2 S. 1 Nr. 9
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 12.11.2021 - Aktenzeichen B 12 R 23/21 B

DRsp Nr. 2022/822

Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als Selbständiger mit nur einem Auftraggeber Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. März 2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGB VI § 2 S. 1 Nr. 9 ; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung als Selbstständiger mit nur einem Auftraggeber in der Zeit vom 1.1.2007 bis zum 31.3.2013 sowie eine darauf gestützte Beitragsforderung in Höhe von 34.782,24 Euro.

Der Kläger ist seit 1.11.2004 als Diplom-Ingenieur und Kraftfahrzeugsachverständiger selbstständig tätig und beschäftigte im streitigen Zeitraum regelmäßig keine Arbeitnehmer oder Auszubildenden. Er war Mitglied der KÜS, ein eingetragener Verein freiberuflicher Kfz-Sachverständiger zur Kfz-Überwachung. Mit diesem hatte er einen Lizenzvertrag geschlossen, nach dem er berechtigt und verpflichtet war, Fahrzeugprüfungen und -begutachtungen ausschließlich im Auftrag des Vereins und unter Beachtung der Auflagen der zuständigen Aufsichtsbehörden, der Weisungen des technischen Leiters und den Feststellungen des Qualitätsmanagementsystems im Namen und für Rechnung des Vereins durchzuführen. Die Prüf- und Begutachtungsentgelte/-gebühren waren nach der vom Verein herausgegebenen jeweils gültigen Entgeltliste zu berechnen und von den Kunden einzuziehen. Der Verein erhielt für jede durchgeführte Fahrzeugprüfung und -begutachtung für die von ihm erbrachten Dienstleistungen vom Kläger eine Vergütung.

Die Beklagte stellte Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI fest und forderte für die Zeit vom 1.1.2007 bis zum 31.3.2013 die genannten Beiträge; für die davor liegende Zeit seien die Pflichtbeiträge verjährt (Bescheid vom 21.3.2013). Den dagegen erhobenen Widerspruch, mit dem der Kläger insbesondere geltend gemacht hat, nicht der Verein, sondern die Kunden, für die er die Fahrzeugprüfungen und -begutachtungen durchgeführt habe, seien seine Auftraggeber gewesen, während der Verein lediglich die ordnungsgemäße Erledigung überwacht habe, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 25.2.2014).

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das LSG hat sich den Ausführungen des SG angeschlossen. Der Kläger sei als Selbstständiger auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig geworden. Der Verein sei Auftraggeber iS von § 2 Satz 1 Nr 9 Buchst b SGB VI gewesen, weil der Kläger letztlich nur durch die Inanspruchnahme der Leistungen des Vereins einen Marktzugang gehabt und nach dem Lizenzvertrag seine Vergütung von diesem erhalten habe. Da der Kläger ohne den Verein keine Prüfaufträge erhalten hätte, sei er von diesem wirtschaftlich abhängig gewesen (Urteil des SG Berlin vom 11.9.2017; Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 31.3.2021).

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ). Der Kläger hat entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist ( BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger hält folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:

"Gilt § 2 S. 1 Nr. 9 lit. b, 2. Hs. SGB VI , wonach bei der Abwicklung von Aufträgen unter Beteiligung von Gesellschaften einem den Auftrag ausführenden Gesellschafter der entsprechende Auftrag nicht von der Gesellschaft selbst, sondern vom hinter ihr stehenden Auftraggeber erteilt worden ist, auch für andere rechtsfähige Körperschaften als Gesellschaften, hier insbesondere für eingetragene Vereine und deren auftragsbearbeitende Mitglieder."

Es kann dahinstehen, ob damit eine hinreichend bestimmte und aus sich heraus verständliche Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts 162 SGG ) mit höherrangigem Recht ( BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert worden ist. Die Bezeichnung einer solchen Rechtsfrage ist unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann ( BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).

Jedenfalls ist die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dargelegt. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn ihre Beantwortung so gut wie unbestritten ist oder sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften ergibt und daher praktisch außer Zweifel steht ( BSG Beschluss vom 16.4.2012 - B 1 KR 25/11 B - juris RdNr 7). Die Beschwerdebegründung muss daher substantiierte Ausführungen enthalten, aus denen deutlich wird, dass ein Klärungsbedarf vorliegt und die aufgeworfene Frage sich nicht ohne Weiteres aus den gesetzlichen Vorschriften beantworten lässt.

Nach § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI idF des Haushaltsbegleitgesetzes 2006 vom 29.6.2006, BGBl I 1402, und des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20.4.2007, BGBl I 554, sind versicherungspflichtig selbstständig tätige Personen, die

a) im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und

b) auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft.

Die vom Kläger aufgeworfene Frage zielt auf die Klärung, ob § 2 Satz 1 Nr 9 Buchst b, Halbsatz 2 SGB VI über seinen Wortlaut hinaus nicht nur auf Gesellschaften, sondern auch auf andere rechtsfähige Körperschaften, insbesondere eingetragene Vereine und deren Mitglieder anzuwenden ist. Der Kläger führt hierzu zwar aus, das BSG habe in der Entscheidung vom 24.11.2005 (B 12 RA 1/04 R - BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7) zu dieser Frage noch nicht Stellung genommen, weil die Vorschrift erst mit Wirkung vom 1.7.2006 in das Gesetz eingefügt worden sei. Damit ist aber die Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt. Es fehlt insbesondere an der Darlegung eines juristischen Anknüpfungspunktes für eine deutlich über den Wortlaut hinausgehende Auslegung. Die erheblichen Unterschiede zwischen der Rechtsbeziehung von selbstständigen Gesellschaftern zu ihrer Gesellschaft und der von Vereinsmitgliedern zum Verein legen eine den Wortlaut deutlich überschreitende Auslegung nicht ohne Weiteres nahe. Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Frage hätte sich die Beschwerdebegründung mit der Analogiefähigkeit der gesetzlichen Regelung befassen oder aufzeigen müssen, aus welchen sonstigen juristischen Gründen eine Ausweitung der Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus auf selbstständig tätige Vereinsmitglieder erforderlich oder zumindest sachgerecht sein könnte.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 31.03.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 8 R 826/17
Vorinstanz: SG Berlin, vom 11.09.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 11 R 5930/15