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BSG - Entscheidung vom 11.03.2021

B 12 KR 11/20 BH

Normen:
SGG § 202
ZPO § 78b Abs. 1

BSG, Beschluss vom 11.03.2021 - Aktenzeichen B 12 KR 11/20 BH

DRsp Nr. 2021/7913

Beitragsfreie Pflichtversicherung während des Bezugs von Elterngeld Plus Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts

Aussichtslosigkeit im Sinne von § 202 SGG in Verbindung mit § 78b Abs. 1 ZPO besteht, wenn ein günstiges Ergebnis auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden kann – hier im Falle der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. August 2020 einen Notanwalt zu bestellen, wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 202 ; ZPO § 78b Abs. 1 ;

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger während des Bezugs von Elterngeld Plus in der Zeit vom 2.3.2017 bis 1.3.2019 bei der Beklagten beitragsfrei pflichtversichert war und ihm eine Rückerstattung bereits geleisteter Beiträge zusteht.

Das SG Augsburg hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, es sei von einer hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit des Klägers im streitigen Zeitraum auszugehen. Beitragsfrei bleibe lediglich das Elterngeld selbst. Solange der Kläger keine Einkommensnachweise bezüglich seiner selbstständigen Tätigkeit vorlege, seien Höchstbeiträge festzusetzen (Urteil vom 15.10.2019). Das Bayerische LSG hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist erhoben worden sei (Beschluss vom 27.8.2020).

Der Kläger beantragt die Beiordnung eines Rechtsanwalts als Notanwalt für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG, da er eine ausreichende Zahl von Anwälten bundesweit angeschrieben und ohne Erfolg um Übernahme des Mandats ersucht habe.

II

1. Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts ist abzulehnen. Nach § 202 SGG iVm § 78b Abs 1 ZPO hat das Prozessgericht, insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, einem Beteiligten auf seinen Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen, wenn er einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Unabhängig davon, ob der Kläger ein erfolgloses Bemühen um eine Prozessvertretung bei mindestens fünf zugelassenen Prozessbevollmächtigten ( BSG Beschluss vom 26.7.2017 - B 12 R 28/17 B - juris RdNr 11 mwN) hinreichend aufgezeigt und seine Bereitschaft zur Rechnungsbegleichung erklärt hat, ist die beabsichtigte Rechtsverfolgung als aussichtslos zu beurteilen. Aussichtslosigkeit besteht, wenn ein günstiges Ergebnis auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden kann (BGH Beschluss vom 29.9.2011 - V ZA 14/11 - juris = NJW-RR 2012, 84 ). Diese Einschränkung der gerichtlichen Notanwaltsbeiordnung soll einen Rechtsanwalt, der die Verantwortung für den Inhalt und die Fassung seiner Schriftsätze trägt, vor einer ihm nicht zumutbaren Vertretung in von vornherein aussichtlosen Sachen bewahren (vgl auch Althammer in: Zöller, Zivilprozessordnung , 33. Aufl 2020, § 78b ZPO RdNr 5 mwN).

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder die angefochtene Entscheidung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Die Behauptung, die Entscheidung über die Berufung sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl bereits BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10; BSG Beschluss vom 13.11.2019 - B 13 R 125/18 B - juris RdNr 13). Das Vorbringen des Klägers und die Durchsicht der Akten haben ergeben, dass keiner der vorgenannten Gründe in Betracht kommen kann.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt generelle Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung über den zu entscheidenden Fall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit und Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage mit über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung stellt sich nicht. Die Unzulässigkeit einer nicht innerhalb der gesetzlichen Frist 151 SGG ) erhobenen Berufung ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut von § 158 Satz 1 SGG . Ungeklärte Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem vorliegenden Rechtsstreit sind diesbezüglich nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich auch keine offene Rechtsfrage in Bezug auf den Beginn der Berufungsfrist. Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, ist diese mit der Zustellung einer Abschrift des Urteils des SG am 20.11.2019 in Gang gesetzt worden. Nach § 202 Satz 1 SGG iVm § 317 Abs 1 Satz 1 ZPO werden den Parteien Urteile in Abschrift zugestellt. Hierfür ist die Geschäftsstelle zuständig.

Eine Divergenz kann nur dann zur Revisionszulassung führen, wenn die mit der Beschwerde angegriffene Entscheidung auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der von einem abstrakten Rechtssatz in einer (anderen) Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Auch hierfür ist angesichts des klaren Gesetzeswortlauts nichts ersichtlich.

Durchgreifende Verfahrensfehler ergeben sich nach Durchsicht der Akten auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht. Insbesondere ergibt sich kein Verstoß gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör, da das LSG den Kläger mit Schreiben vom 4.8.2020 ausdrücklich über seine Erwägungen zur Unzulässigkeit der Berufung in Kenntnis gesetzt und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das LSG die vom Kläger daraufhin vorgebrachten Einwände nicht zur Kenntnis genommen haben könnte. Vielmehr vermochten diese Einwände der Berufung nicht zur Zulässigkeit zu verhelfen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, an der durch Postzustellungsurkunde nachgewiesenen Zustellung der Abschrift des Urteils am 20.11.2019 zu zweifeln. Über die Anhörungsrüge des Klägers gegen den hier angegriffenen Beschluss des LSG vom 27.8.2020 hat das LSG mit Beschluss vom 17.12.2020 entschieden.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG . Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 27.08.2020 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 KR 199/20
Vorinstanz: SG Augsburg, vom 15.10.2019 - Vorinstanzaktenzeichen S 10 KR 201/19