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BSG - Entscheidung vom 29.04.2021

B 13 R 105/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGB VI § 56
SGB VI § 249
SGB VI § 307d

BSG, Beschluss vom 29.04.2021 - Aktenzeichen B 13 R 105/20 B

DRsp Nr. 2021/8891

Anspruch auf Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten und Kinderberücksichtigungszeiten Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. April 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGB VI § 56 ; SGB VI § 249 ; SGB VI § 307d ;

Gründe

I

Der 2020 verstorbene Kläger (im Weiteren: Versicherter) begehrte eine Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten für seine drei Kinder. Der Versicherte war rund 20 Jahre verheiratet gewesen. Aus dieser Ehe stammen die drei Kinder. 1998 wurde die Ehe geschieden und seine geschiedene Ehefrau (im Weiteren: verstorbene Versicherte) heiratete erneut. Sie starb 2010. Der beklagte RV-Träger setzte auf Antrag des Versicherten die Kürzung seiner Rentenanwartschaft durch den Versorgungsausgleich aus. Er erbrachte dem Versicherten von 2013 bis zu seinem Tod eine Regelaltersrente. Den Antrag des Versicherten, bei deren Berechnung auch Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten für seine drei Kinder zu berücksichtigen, weil er diese gemeinsam mit der verstorbenen Versicherten erzogen habe, lehnte der RV-Träger ab. Der Ehemann der verstorbenen Versicherten bezieht seit ihrem Tod eine Witwerrente aus ihrer Versicherung, ua auf Grundlage von Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten für die drei eingangs benannten Kinder.

Auch vor dem SG war der Versicherte mit seinem Begehren erfolglos (Urteil vom 3.7.2017). Das LSG hat seine Berufung hiergegen zurückgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen (Urteil vom 9.4.2020).

Gegen letzteres hat sich der Versicherte mit seiner Beschwerde an das BSG gewandt. Nach seinem Tod haben seine Erben - nachgewiesen durch Erbschein des Amtsgerichts S vom 26.3.2021 - das Verfahren aufgenommen. Sie machen als Grund für die Zulassung der Revision eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) geltend.

II

Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung vom 15.7.2020 genügt nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG .

Zur Darlegung der hier einzig geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Gesetz sowie dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr; zB BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN; vgl auch BVerfG <Kammer> Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7; jüngst BSG Beschluss vom 22.9.2020 - B 13 R 45/20 B - juris RdNr 5).

Es wird in der Beschwerdebegründung als Frage formuliert:

"Ob eine Zuordnung von Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten, die mittelbar mit der Hinterbliebenenrente einem hinterbliebenen zweiten Ehemann der verstorbenen Kindesmutter zugutekommen, der die Kindererziehungszeiten zuerkannt worden waren, gem. §§ 56 , 249 , 307d SGB VI ausgeschlossen ist?"

Die Beschwerde legt bereits nicht hinreichend dar, dass diese Frage im Revisionsverfahren auch klärungsfähig ist. Dem Wortlaut nach fragt der Versicherte nach dem Ausschluss der Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten bei der Berechnung der Hinterbliebenenrente - hier des zweiten Ehemannes -. Dies ist im vorliegenden Rechtsstreit jedoch nicht streitig. Das Begehren des Versicherten ist auf eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung der Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten gerichtet, die der verstorbenen Versicherten zugeordnet waren. Aber auch dazu, auf welcher rechtlichen Grundlage aus der vermeintlichen Unrechtmäßigkeit der Höhe der Hinterbliebenenrente eine Erhöhung der Altersrente des Versicherten folgen könnte, werden in der Beschwerdebegründung keine Ausführungen gemacht. Die Beschwerde befasst sich allein mit der Entstehungsgeschichte der Abgeltung von Kindererziehung in der GRV, dem Sinn und Zweck von Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten sowie dem hierauf aufbauend als unbillig empfundenen Ergebnis der "mittelbaren" Begünstigung des zweiten Ehemannes. An dem Begründungsschritt, wie diese vermeintliche "unbillige Begünstigung" des zweiten Ehemannes zu einer Begünstigung des Versicherten führen könnte, mangelt es. Insoweit hätte es Darlegungen dazu bedurft, warum trotz Scheidung rechtlich eine Zuordnung und rentensteigernde Berücksichtigung von Zeiten aus dem Konto der verstorbenen Versicherten bei dem Versicherten erfolgen können soll. Denn die Scheidung hat dazu geführt, dass der Versicherte die Anspruchsvoraussetzungen des § 46 SGB VI auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung der verstorbenen Versicherten und damit auf Leistungen aus deren persönlichen Entgeltpunkten 88 Abs 2 Satz 1 SGB VI ) nicht mehr erfüllt.

Versteht man die aufgezeigte Frage - aufgrund der Darlegungen in der Beschwerdebegründung zum Inhalt des streitgegenständlichen Bescheides - so, dass für klärungsbedürftig gehalten wird, ob die benannten Vorschriften einer Berücksichtigung der Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten bei der Berechnung der Regelaltersrente des Versicherten entgegenstehen, weil sie der verstorbenen Versicherten zugeordnet waren und das einfache Recht keine andere Zuordnung nach dem Tod desjenigen zulässt, der von Gesetzes wegen als Berechtigter bestimmt worden ist, lässt die Beschwerdebegründung ebenfalls hinreichende Darlegungen vermissen. Die Beschwerde behauptet insoweit eine Gesetzeslücke, ohne diese jedoch herzuleiten. Hier wären Ausführungen dazu erforderlich gewesen, dass das Gesetz (§§ 56 , 249 und 307d SGB VI ) eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, er wäre im Zuge einer Interessenabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl zB BSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 10/18 R - SozR 4-2600 § 236b Nr 1 RdNr 17; BSG Urteil vom 18.6.2014 - B 3 P 7/13 R - SozR 4-3320 Art 45 Nr 1 RdNr 14 ff mwN; BSG Urteil vom 23.7.2014 - B 12 P 1/12 R - SozR 4-2500 § 251 Nr 2 RdNr 21 ff mwN; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit Juristischer Methodenlehre, 10. Aufl 2018, RdNr 889; Grüneberg in Palandt, BGB , 79. Aufl 2020, Einleitung RdNr 48, 55 mwN). Hierzu wird nichts vorgebracht. Die Behauptung, der Gesetzgeber habe es übersehen, dass der zweite Mann der geschiedenen Ehefrau und nicht der Kindsvater von den dieser zugeordneten Zeiten profitieren könne, genügt insoweit nicht. Auch soweit der Versicherte Gründe vorbringt, warum die Zeiten dem Kindsvater nach dem Tod der Kindsmutter zugeordnet werden müssten, gelingt es ihm nicht, die behauptete Planwidrigkeit der Lücke schlüssig darzulegen. Denn es mangelt auch insoweit an Ausführungen dazu, warum die benannte Interessenabwägung nach der Scheidung und dem Tod der Mutter, der die Kindererziehungs- sowie Kinderberücksichtigungszeiten zugeordnet waren, - ggf nach Jahren des Rentenbezugs der Mutter - im Ergebnis zugunsten des Kindsvaters ausfallen sollte, ihm also die Zeiten nachträglich im Rahmen seiner Rentenberechnung zuwachsen müssten. Allein das Argument, es sei unbillig, dass der zweite - nicht erziehende Ehemann - über die Hinterbliebenenversorgung von der Zuordnung nach der ersten Ehe profitiere, reicht insoweit nicht.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 09.04.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 14 R 343/17
Vorinstanz: SG Köln, vom 07.03.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 12 R 230/16