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BGH - Entscheidung vom 18.05.2021

VI ZR 369/20

Normen:
BGB § 849

BGH, Beschluss vom 18.05.2021 - Aktenzeichen VI ZR 369/20

DRsp Nr. 2021/12151

Schadensersatz wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung

Die Zulässigkeit der Berufung ist als Prozessvoraussetzung, von der das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung, also auch noch das Verfahren in der Revisionsinstanz, in seiner Gültigkeit und Rechtswirksamkeit abhängt, auch vom Revisionsgericht unabhängig von den Anträgen der Parteien von Amts wegen zu prüfen. Dabei hat es den für die Frage der Zulässigkeit der Berufung maßgebenden Sachverhalt selbständig festzustellen und zu würdigen, ohne an Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden zu sein.

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 2. März 2020 durch einstimmigen Beschluss gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.

Normenkette:

BGB § 849 ;

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den beklagten Fahrzeughersteller auf Schadensersatz wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung in Anspruch.

Die Klägerin erwarb im Dezember 2014 von einem Dritten einen gebrauchten VW Touran. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor der Baureihe EA189 verbaut, den die Beklagte hergestellt hat. Das Fahrzeug verfügt über eine Steuerungssoftware, die als verbotene Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der VO (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist. Die Software erkennt, ob sich das Fahrzeug in einem Prüfzyklus zur Ermittlung der Emissionswerte befindet, und schaltet in diesem Fall in einen Modus, bei dem verstärkt Abgase in den Motor zurückgelangen und sich so der Ausstoß an Stickoxiden (NOx-Werte) verringert. Im normalen Fahrbetrieb hingegen aktiviert eine solche Software einen anderen Modus, bei dem eine Abgasrückführung nur in geringerem Umfang stattfindet; sie ermittelt also aufgrund technischer Parameter die betreffende Betriebsart des Fahrzeugs - Prüfstandlauf oder Echtbetrieb - und aktiviert oder deaktiviert dementsprechend die Abgasrückführung, was unmittelbar die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems beeinträchtigt.

Das Landgericht hat der auf Erstattung des Kaufpreises nebst Prozesszinsen, Reparaturkosten in Höhe von 1.295,93 € und Rechtsanwaltskosten sowie Feststellung des Annahmeverzugs gerichteten Klage nur hinsichtlich des Kaufpreises unter Abzug der Nutzungsvorteile stattgegeben. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin die Klage - mit Ausnahme der ursprünglich begehrten Feststellung des Annahmeverzugs - weiterverfolgt und sie um Deliktszinsen gem. § 849 BGB sowie weitere Reparaturkosten in Höhe von 2.467,38 € erweitert. Die Berufung der Klägerin ist, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, ebenso wie die Berufung der Beklagten erfolglos geblieben. Beide Parteien haben die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Die Klägerin verfolgt ihre Klageanträge insoweit weiter, als sie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 1.764,18 € begehrt, die sie für Reparaturarbeiten am Fahrzeug aufgewendet hat. Die Beklagte hat ihre Revision zurückgenommen.

II.

1. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht mehr vor (§ 552a Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO ). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Rechtsfragen, die das Berufungsgericht veranlasst haben, die Revision zuzulassen, sind durch die nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Urteile des Bundesgerichtshofs vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 (BGHZ 225, 316 ff.) und vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19 (BGHZ 226, 322 ff.) geklärt.

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

a) Die Berufung der Klägerin war, bezogen auf den in der Revision noch weiter verfolgten Anspruch auf Erstattung von Reparaturkosten, unzulässig. Das Berufungsgericht hat mit Verfügung vom 23. September 2019 zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die Berufungsbegründung der Klägerin zu diesem Anspruch "mit keinem Wort" verhält und daher als teilweise unzulässig "angesehen werde könnte, §§ 522 Abs. 1 , 520 Abs. 3 Nr. 2 und 3 ZPO ".

Dass das Berufungsgericht letztlich die Berufung nicht teilweise als unzulässig verworfen hat, ist insoweit ohne Bedeutung. Die Zulässigkeit der Berufung ist eine Prozessvoraussetzung, von der das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung, also auch noch das Verfahren in der Revisionsinstanz, in seiner Gültigkeit und Rechtswirksamkeit abhängt. Sie ist deshalb auch vom Revisionsgericht unabhängig von den Anträgen der Parteien von Amts wegen zu prüfen (BGH, Urteil vom 6. April 2017 - III ZR 368/16, BGHZ 214, 324 Rn. 14 mwN). Dabei hat es den für die Frage der Zulässigkeit der Berufung maßgebenden Sachverhalt selbständig festzustellen und zu würdigen, ohne an Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden zu sein (BGH aaO mwN). Da die Klägerin den Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten im Berufungsverfahren weiterverfolgt hat, wäre sie gem. § 520 Abs. 3 ZPO gehalten gewesen, in der Berufungsbegründung Ausführungen dazu zu machen, weshalb das erstinstanzliche Urteil insoweit fehlerhaft sein solle.

b) Die Revision hat auch unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der Berufung keine Aussicht auf Erfolg. Die teilweise Klageabweisung hinsichtlich der geltend gemachten Aufwendungen ist zutreffend erfolgt (vgl. Senatsurteile 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19, BGHZ 226, 322 Rn. 24; vom 19. Januar 2021 - VI ZR 8/20, VersR 2021, 385 Rn. 16). Die letzten der geltend gemachten Aufwendungen wurden im Juli 2019 getätigt und die Klägerin hat das Fahrzeug wie vorgesehen jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren am 27. Januar 2020 genutzt, so dass es sich nicht um vergebliche Aufwendungen handelt.

3. Es besteht Gelegenheit zur etwaigen Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss vom 12. Juli 2021 erledigt worden.

Vorinstanz: LG Flensburg, vom 10.05.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 2 O 210/18
Vorinstanz: SchlHOLG, vom 02.03.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 16 U 55/19