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BGH - Entscheidung vom 16.03.2021

II ZB 17/19

Normen:
HGB § 171
HGB § 172 Abs. 4

Fundstellen:
ZInsO 2022, 539

BGH, Beschluss vom 16.03.2021 - Aktenzeichen II ZB 17/19

DRsp Nr. 2021/7970

Beschwerde im Rahmen der Klage eines Testamentsvollstreckers über den Nachlass eines Kommanditisten einer Publikumsfondsgesellschaft als Schuldnerin gegen den Insolvenzverwalter im Zusamenhang mit einer vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Rückzahlung eines Betrages aus der Außenhaftung als Kommanditisten

Bei der Geltendmachung von Gläubigeransprüchen durch den Insolvenzverwalter gemäß § 171 Abs. 2 HGB einerseits und von Ansprüchen gegen Gesellschafter zum Zwecke der Durchführung des Innenausgleichs unter den Gesellschaftern handelt es sich prozessual um zwei verschiedene Streitgegenstände.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 3. Juli 2019 aufgehoben, soweit die Berufung des Beklagten hinsichtlich seiner auf die Durchführung des Innenausgleichs unter den Gesellschaftern gestützten Widerklage als unzulässig verworfen wurde.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 20.707,33 € festgesetzt.

Normenkette:

HGB § 171 ; HGB § 172 Abs. 4 ;

Gründe

I. Der Beklagte ist Insolvenzverwalter in dem am 21. November 2013 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der D. GmbH & Co. KG, einer Publikumsfondsgesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft (im Folgenden: Schuldnerin). Der Kläger ist Testamentsvollstrecker über den Nachlass des Herrn H. (im Folgenden: Erblasser), der als Kommanditist mit einer Einlage von 46.016,27 € an der Schuldnerin beteiligt war und in den Jahren 1999 bis 2007 Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 27.609,76 € erhielt. Dabei war sein Kapitalanteil im Zeitpunkt der Ausschüttungen jeweils durch Verluste unter den Betrag seiner Haftsumme herabgemindert. Hiervon zahlte der Erblasser 6.902,44 € an die Schuldnerin zurück.

Der Beklagte hat den Kläger im Wege der Widerklage auf Rückzahlung des noch offenen Differenzbetrages von 20.707,33 € aus der Außenhaftung als Kommanditist nach §§ 171 , 172 Abs. 4 HGB sowie zur Durchführung des Innenausgleichs unter den Gesellschaftern in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Widerklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten durch Beschluss hinsichtlich seiner auf die Durchführung des Innenausgleichs unter den Gesellschaftern gestützten Klage als unzulässig verworfen und im Übrigen gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückgewiesen. Mit der vorliegenden Rechtsbeschwerde wendet sich der Beklagte gegen die teilweise Verwerfung seiner Berufung.

II. Die statthafte und zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass der Beklagte seine Berufung gegen die Abweisung seiner auf die Durchführung des Innenausgleichs unter den Gesellschaftern gestützten Widerklage nicht gemäß § 522 Abs. 1 , § 522 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 , Nr. 3 ZPO [richtig: § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO] hinreichend begründet habe. Der Beklagte habe seinen Zahlungsanspruch auf zwei Lebenssachverhalte, nämlich auf die Gläubigerbefriedigung und die Durchführung des Innenausgleichs der Publikumskommanditisten, gestützt. Bei mehreren oder teilbaren Streitgegenständen müsse für jeden einzelnen eine Begründung abgegeben werden, warum die Abweisung unzutreffend sei. Der Beklagte setze sich jedoch nicht einmal im Ansatz mit der Entscheidung des OLG Hamm vom 21. Januar 2019 ( 8 U 62/18) auseinander, auf die das Landgericht seine Widerklageabweisung gestützt habe.

2. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO ). Das Berufungsgericht hat das Verfahrensgrundrecht des Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 GG ) verletzt, indem es dem Beklagten den Zugang zur Berufungsinstanz in unzumutbarer Weise erschwert hat (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221 , 227 f.; Beschluss vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367 , 368; Beschluss vom 5. November 2019 - II ZB 12/19, juris Rn. 22).

a) Entgegen der Ansicht des Beklagten hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt allerdings zutreffend angenommen, dass der Beklagte seine Widerklage auf zwei prozessuale Streitgegenstände in eventueller Klagehäufung gestützt hat, über die es jeweils durch Teilbeschluss entscheiden konnte.

Bei der Geltendmachung von Gläubigeransprüchen durch den Insolvenzverwalter gemäß § 171 Abs. 2 HGB einerseits und von Ansprüchen gegen Gesellschafter zum Zwecke der Durchführung des Innenausgleichs unter den Gesellschaftern handelt es sich, wie der Senat mit Urteil vom 15. Dezember 2020 ( II ZR 108/19, ZIP 2021, 255 Rn. 13 f.) entschieden hat, prozessual um zwei verschiedene Streitgegenstände. Da der Beklagte hinreichend klargestellt hat, dass er sein Begehren nur vorsorglich auf die Notwendigkeit des Innenausgleichs stützen, den Kläger aber vorrangig aus der Außenhaftung zur Gläubigerbefriedigung in Anspruch nehmen wolle, hat er diese Streitgegenstände in (zulässiger) eventueller Klagehäufung geltend gemacht (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rn. 9 f.; Urteil vom 21. November 2017 - II ZR 180/15, ZIP 2018, 419 Rn. 8; Urteil vom 30. Januar 2018 - II ZR 95/16, BGHZ 217, 237 Rn. 15). Da das Berufungsgericht in einem einheitlichen Beschluss sowohl über die Zurückweisung der Berufung betreffend den auf die Außenhaftung gestützten Hauptantrags als auch über die Verwerfung des Rechtsmittels betreffend den auf die Durchführung des Innenausgleichs gestützten Hilfsantrags entschieden hat, besteht auch keine Gefahr widerstreitender Entscheidungen. Dass das Berufungsgericht in seinem Beschluss im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung zunächst den Hilfsantrag und erst anschließend sachlich den Hauptantrag beschieden hat, spielt bei der einheitlichen Entscheidung keine Rolle.

b) Der rechtlichen Nachprüfung nicht stand hält jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Berufungsbegründung des Beklagten genüge hinsichtlich der Anspruchsbegründung mit der Durchführung des Innenausgleichs nicht den Anforderungen nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO .

aa) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung eine aus sich heraus verständliche Angabe enthalten, in welchen bestimmten Punkten der Berufungskläger das angefochtene Urteil bekämpft und welche tatsächlichen und rechtlichen Gründe er im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen nicht. Ohne Belang ist auch, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Die Berufungsbegründung muss jedoch auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen. Dabei muss die Berufung die tragenden Erwägungen des Erstgerichts angreifen und darlegen, warum diese aus Sicht des Berufungsklägers nicht zutreffen; die Berufung muss also - ihre Richtigkeit unterstellt - geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen. Entsprechendes gilt für die Bezeichnung der konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3; st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2011 - II ZB 21/10, MDR 2012, 244 Rn. 7; Beschluss vom 9. April 2013 - VIII ZB 64/12, WuM 2013, 367 Rn. 8; Beschluss vom 20. Oktober 2015 - VI ZB 18/15, MDR 2016, 112 Rn. 8; Beschluss vom 5. November 2019 - II ZB 12/19, juris Rn. 22; jeweils mwN).

bb) Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Beklagten.

Der Beklagte hat sich mit der Berufungsbegründung mit hinreichenden Gründen gegen die Abweisung des Hilfsantrages gewandt. Er hat zu erkennen gegeben, dass er die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, er sei als Insolvenzverwalter nicht zur Durchführung des Innenausgleichs unter den Gesellschaftern befugt, bekämpfen möchte. Dabei hat er die Rechtsgrundlage, aus der er seine Befugnis zur Geltendmachung dieses Anspruchs herleitet, angegeben und zur Begründung u.a. eine eigene Veröffentlichung angeführt. Darüber hinaus hat er eine auf den Einzelfall zugeschnittene Begründung der Berechnung der behaupteten Ansprüche dargetan.

Damit hat der Beklagte hinreichend deutlich gemacht, in welchen Punkten und in welchem Umfang er das Berufungsurteil angreifen will. Für die Zulässigkeit der Berufung ist eine noch weitergehende Auseinandersetzung mit der rechtlichen Würdigung durch das Erstgericht nicht erforderlich; es kommt insoweit auch nicht darauf an, ob die Berufungsbegründung inhaltlich schlüssig ist und begründeten Anlass für eine erneute und vom Erstgericht abweichende Würdigung gibt.

III. Der angefochtene Beschluss ist danach gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO hinsichtlich der teilweisen Verwerfung der Berufung des Beklagten aufzuheben und die Sache insoweit zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren wird darauf hingewiesen, dass nach der zwischenzeitlichen Entscheidung des Senats vom 15. Dezember 2020 ( II ZR 108/19, ZIP 2021, 255 Rn 63 ff.) eine Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters zur Durchführung des Innenausgleichs unter den Gesellschaftern auch bei einer Publikumsgesellschaft nicht besteht.

Vorinstanz: LG Hamburg, vom 07.03.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 334 O 37/16
Vorinstanz: OLG Hamburg, vom 03.07.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 11 U 86/19
Fundstellen
ZInsO 2022, 539