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BGH - Entscheidung vom 09.02.2021

VIII ZR 372/20

Normen:
BGB § 826
BGB § 31

BGH, Beschluss vom 09.02.2021 - Aktenzeichen VIII ZR 372/20

DRsp Nr. 2021/5999

Ankündigung der Verwerfung der gegen ein Autohaus gerichteten Revision aufgrund des Dieselskandals

Eine Beschränkung der Revisionszulassung muss nicht im Tenor des Urteils angeordnet sein, sondern kann sich auch aus dessen Entscheidungsgründen ergeben, wenn sie sich diesen mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnehmen lässt. Dies ist anzunehmen, wenn die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Rechtsfrage nur für einen selbständig anfechtbaren Teil des Streitstoffs erheblich ist, weil dann in der Angabe dieses Zulassungsgrunds regelmäßig die eindeutige Beschränkung der Zulassung der Revision auf diesen Anspruch zu sehen ist. Eine solche Beschränkung ist auch wirksam, soweit eine Selbständigkeit des von der Zulassungsbeschränkung erfassten Teils des Streitstoffs in dem Sinne vorliegt, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann.

Tenor

Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die gegen das beklagte Autohaus gerichtete Revision gegen das Urteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln als unzulässig zu verwerfen.

Normenkette:

BGB § 826 ; BGB § 31 ;

Gründe

I.

Der Kläger erwarb am 27. Januar 2017 von der Beklagten einen gebrauchten Pkw zu einem Preis von 13.980 €, den er überwiegend finanziert hat. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs ausgestattet, der eine besondere Vorrichtung zur Steuerung der Abgasrückführung aufwies, die erkannte, wenn das Fahrzeug auf einem technischen Prüfstand hinsichtlich dabei entstehender Schadstoffemissionen getestet wurde. In diesem Fall schaltete das System in einen Modus "1", der eine höhere Abgasrückführungsrate und damit einen geringeren Ausstoß an Stickoxiden bewirkte. Unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr wurde das Fahrzeug hingegen im Modus "0" betrieben, in dem die Abgasrückführungen geringer und der Stickoxidausstoß höher ausfiel.

Am 17. Februar 2017 wurde ein von der Herstellerin entwickeltes und vom Kraftfahrtbundesamt genehmigtes Update aufgespielt. Mit Schreiben vom 30. November 2018 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung, hilfsweise den sofortigen Rücktritt und setzte eine Frist bis zum 19. Dezember 2018 zur Rückabwicklung des Kaufvertrags.

Nach erfolglosem Ablauf der gesetzten Frist hat er sowohl gegen das beklagte Autohaus als auch gegen die Herstellerin Klage erhoben. Er hat in den Tatsacheninstanzen zuletzt von beiden Beklagten gesamtschuldnerisch die vollständige Rückzahlung des Kaufpreises einschließlich der Erstattung einer Zuzahlung für Allwetterreifen und eines Finanzierungsschadens (insgesamt 15.322,21 €) nebst (Delikts-)Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, sowie den Ersatz außergerichtlicher Anwaltskosten verlangt. Daneben hat er die Feststellung des Annahmeverzugs des beklagten Autohauses begehrt.

Das Landgericht hat die gegen das Autohaus und den Hersteller gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Das Oberlandesgericht hat die Revision im Tenor seiner Entscheidung zugelassen und in seinen Entscheidungsgründen zur Begründung ausgeführt, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, denn "das OLG Hamm hat eine von der vorliegenden Entscheidung abweichende Entscheidung getroffen (Urteil vom 10. September 2019, 13 U 149/18), gegen welche Revision eingelegt worden ist."

Der Kläger hat zunächst gegen beide Beklagte Revision eingelegt, das gegen die Herstellerin gerichtete Rechtsmittel dann jedoch zurückgenommen. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Verfahren gegen das Autohaus abgetrennt und an den für das Kaufrecht zuständigen VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs abgegeben.

II.

Der Senat beabsichtigt, die allein noch anhängige Revision des Klägers gegen das beklagte Autohaus als unzulässig zu verwerfen, da die Revision insoweit vom Berufungsgericht nicht zugelassen worden und damit nicht statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ) ist.

1. Anders als die Revision meint, hat das Berufungsgericht die Zulassung der Revision wirksam auf die gegen die Herstellerin verfolgten Ansprüche beschränkt.

a) Eine Beschränkung der Revisionszulassung muss nicht im Tenor des Urteils angeordnet sein, sondern kann sich auch aus dessen Entscheidungsgründen ergeben, wenn sie sich diesen mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnehmen lässt. Dies ist anzunehmen, wenn die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Rechtsfrage nur für einen selbständig anfechtbaren Teil des Streitstoffs erheblich ist, weil dann in der Angabe dieses Zulassungsgrunds regelmäßig die eindeutige Beschränkung der Zulassung der Revision auf diesen Anspruch zu sehen ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 19. September 2018 - VIII ZR 261/17, WuM 2018, 758 Rn. 14 mwN; vom 13. Mai 2020 - VIII ZR 222/18, NJW 2020, 3258 Rn. 9 mwN; vom 29. September 2020 - VI ZR 445/19, juris Rn. 11).

b) So liegen die Dinge hier. Das Berufungsgericht hat die Revision, wie sich aus seiner hierzu gegebenen Begründung ergibt, nur deswegen zugelassen, um eine Abweichung zu dem nicht rechtskräftigen Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 10. September 2019 ( 13 U 149/18, abgedruckt in juris) zu vermeiden. Das Oberlandesgericht Hamm hatte sich aber nicht mit Ansprüchen gegen die Verkäuferin des dortigen Fahrzeugs zu befassen. Vielmehr war in jenem Verfahren nur gegen die Herstellerin eines im November 2019 gekauften VW-Fahrzeugs mit einem Motor des Typs EA 189 Klage erhoben worden. Das Oberlandesgericht Hamm hat dem dortigen Kläger einen Schadensersatzanspruch aus §§ 826 , 31 BGB zugesprochen und der Klage überwiegend stattgegeben. Dabei hat es der am 22. September 2015 erfolgten Ad-hoc-Mitteilung der Herstellerin nicht eine die Sittenwidrigkeit ihres Vorgehens ausschließende Bedeutung beigemessen.

Demgegenüber hat das Berufungsgericht ein sittenwidriges Verhalten der Herstellerin im Hinblick auf die erfolgte Ad-hoc-Mitteilung verneint. Allein diese Abweichung hat das Berufungsgericht zur Zulassung der Revision veranlasst. Dieser Umstand ist nicht nur als bloßes Motiv zu werten, sondern lässt mit der gebotenen Klarheit erkennen, dass das Berufungsgericht mit seiner im Lichte der Urteilsgründe auszulegenden Entscheidungsformel (vgl. BGH, Urteile vom 13. Mai 2020 - VIII ZR 222/18, aaO; vom 29. September 2020 - VI ZR 445/19, aaO) eine auf das Prozessrechtsverhältnis zur Herstellerin beschränkte Revisionszulassung vorgenommen hat.

Soweit die Revision eine unbeschränkte Revisionszulassung daraus ableiten will, dass der Kläger auch gegen das beklagte Autohaus neben Ansprüchen aus §§ 812 , 142 , 123 BGB (Anfechtung des Kaufvertrags) und aus § 437 Nr. 2, § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 , §§ 346 ff. BGB (Rücktritt vom Kaufvertrag) auch deliktische Schadensersatzansprüche aus §§ 826 , 31 BGB und aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB geltend gemacht hat, verkennt sie, dass diese Ansprüche auf einem anderen Lebenssachverhalt als die Klage gegen die Herstellerin beruhen. Es geht gerade - anders als bei der Herstellerin nicht darum, dass ein Fahrzeugtyp mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung hergestellt und dessen Typengenehmigung beim Kraftfahrtbundesamt erreicht wurde, sondern darum, ob das Autohaus bei dem konkret abgeschlossenen Kaufvertrag den Kläger arglistig getäuscht beziehungsweise diesen sittenwidrig oder betrügerisch geschädigt hat. Dementsprechend hat das Berufungsgericht deliktische Ansprüche gegen das beklagte Autohaus einerseits und die Herstellerin anderseits mit unterschiedlichen Erwägungen abgewiesen. Dass insoweit voneinander zu trennende Sachverhalte in Frage stehen, hat der Kläger letztlich selbst erkannt, denn er hat nach Erlass des Urteils des VI. Zivilsenats vom 30. Juli 2020 ( VI ZR 5/20, NJW 2020, 2798 ), das ein sittenwidriges Verhalten der Herstellerin nach der Ad-hoc-Mitteilung verneint hat, seine Revision gegen die Herstellerin zurückgenommen, das Rechtsmittel gegen das beklagte Autohaus aber weiterverfolgt.

c) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung der Revisionszulassung ist auch wirksam. Ihm ist anerkanntermaßen die Möglichkeit eröffnet, die Revision nur hinsichtlich eines tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teils des Gesamtstreitstoffs zuzulassen, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteile vom 19. September 2018 - VIII ZR 261/17, aaO Rn. 17, vom 15. März 2017 - VIII ZR 295/15, NJW 2017, 2679 Rn. 13). Voraussetzung hierfür ist eine Selbständigkeit des von der Zulassungsbeschränkung erfassten Teils des Streitstoffs in dem Sinne, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteile vom 19. September 2018 - VIII ZR 261/17, aaO; vom 15. März 2017 - VIII ZR 295/15, aaO Rn. 14; jeweils mwN).

d) So verhält es sich hier. Die Beurteilung der sich aus dem Deliktsrecht ergebenden Ansprüche gegen die Herstellerin, bezüglich derer die Revision zugelassen worden ist, kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von den gegen das beklagte Autohaus verfolgten Ansprüchen auf Rückabwicklung des Kaufvertrags unter anfechtungs-, kauf- und deliktsrechtlichen Gesichtspunkten, hinsichtlich derer die Revision nicht zugelassen worden ist, beurteilt werden. Anknüpfungspunkt für die jeweiligen Ansprüche sind in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht voneinander zu trennende Verhaltensweisen von Herstellerin und Verkäuferin.

2. Der Kläger erhält Gelegenheit, binnen 3 Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses dazu Stellung zu nehmen, ob das Rechtsmittel trotz seiner aufgezeigten Unstatthaftigkeit aufrechterhalten bleiben soll.

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Vorinstanz: LG Bonn, vom 14.08.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 1 O 554/18
Vorinstanz: OLG Köln, vom 17.06.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 27 U 62/19