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BVerwG - Entscheidung vom 26.03.2020

3 B 24.19

Normen:
UmwRG § 4 Abs. 1 Nr. 3
UmwRG § 4 Abs. 1a
UVPG a.F. § 6 Abs. 3 S. 3
UVPG § 16 Abs. 5 S. 3 Nr. 2
VwGO § 54 Abs. 1
VwGO § 86 Abs. 1
VwGO § 86 Abs. 2
VwGO § 108 Abs. 2
ZPO § 43
GG Art. 103 Abs. 1
UmwRG § 4 Abs. 1 Nr. 3
UmwRG § 4 Abs. 1a
UVPG a.F. § 6 Abs. 3 S. 3
UVPG § 16 Abs. 5 S. 3 Nr. 2
VwGO § 54 Abs. 1
VwGO § 86 Abs. 1
VwGO § 86 Abs. 2
VwGO § 108 Abs. 2
ZPO § 43
GG Art. 103 Abs. 1
UmwRG § 4 Abs. 1 Nr. 3
UmwRG § 4 Abs. 1a
UVPG a.F. § 6 Abs. 3 S. 3
UVPG § 16 Abs. 5 S. 3 Nr. 2
VwGO § 54 Abs. 1
VwGO § 86 Abs. 1
VwGO § 86 Abs. 2
VwGO § 108 Abs. 2
ZPO § 43
GG Art. 103 Abs. 1

Fundstellen:
NVwZ 2020, 1199
VRS 2020, 215

BVerwG, Beschluss vom 26.03.2020 - Aktenzeichen 3 B 24.19

DRsp Nr. 2020/8705

Klage auf Ergänzung eines eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses; Vorkehrungen zum Schutz vor Erschütterungen

Zur Reichweite der materiellen Rechtskraft eines Urteils, in dem Vorbringen auf der Grundlage einer unionsrechtswidrigen Präklusionsvorschrift ausgeschlossen und als in der Sache unbegründet zurückgewiesen wurde.

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. November 2018 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu je 1/3.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 45 000 € festgesetzt.

Normenkette:

UmwRG § 4 Abs. 1 Nr. 3; UmwRG § 4 Abs. 1a; UVPG a.F. § 6 Abs. 3 S. 3; UVPG § 16 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 ; VwGO § 54 Abs. 1 ; VwGO § 86 Abs. 1 ; VwGO § 86 Abs. 2 ; VwGO § 108 Abs. 2 ; ZPO § 43 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

I

Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 6. Mai 2004 in der Fassung des Planänderungsbeschlusses vom 26. Oktober 2015 betreffend die Neufestsetzung des Erschütterungsschutzes für den viergleisigen Ausbau der bislang zweigleisigen Eisenbahnstrecke 3900 auf dem Gebiet der Stadt F. im Zuge des Gesamtprojekts des Ausbaus zwischen Fr. und F. Die Kläger zu 1 und 3 sind Eigentümer, die Klägerin zu 2 ist Erbbauberechtigte jeweils eines selbstgenutzten Hausgrundstücks an der Eisenbahnstrecke in F., Stadtteil E.

Die Kläger zu 1 und 2 hatten bereits Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 6. Mai 2004 in der Fassung des Planänderungsbeschlusses vom 23. Juni 2009 betreffend die Anpassung der Schallschutzmaßnahmen sowie die Auflösung eines Vorbehalts zu naturschutzrechtlichen Maßnahmen erhoben. In der mündlichen Verhandlung hob die Beklagte die Nebenbestimmungen des Planfeststellungsbeschlusses zum Erschütterungsschutz auf und verpflichtete sich, nach Vorlage einer von der Beigeladenen zugesagten neuen Erschütterungstechnischen Untersuchung eine Planergänzung vorzunehmen. Die weitergehenden Klagen wies der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 17. November 2011 ab. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision gegen dieses Urteil zurück (BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 7 B 18.12 - juris).

Nach Vorlage der neuen Erschütterungstechnischen Untersuchung und öffentlicher Planauslegung erließ die Beklagte den Planänderungsbeschluss (PÄndB) vom 26. Oktober 2015. Für 33 Gebäude bejahte sie eine Anspruchsberechtigung auf Prüfung von erschütterungstechnischen Vorsorgemaßnahmen (PÄndB S. 12). Oberbautechnische Schutzmaßnahmen ordnete sie nicht an (PÄndB S. 13). Sie verpflichtete die Beigeladene zu Nachmessungen nach Fertigstellung des Vorhabens und zur Zahlung einer Entschädigung für alle Gebäude, bei denen eine Erhöhung der Immissionen gegenüber der Vorbelastung um mindestens 25 % bei gleichzeitiger Überschreitung der Anhaltswerte vorliegt (PÄndB S. 14). In der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2018 erklärte sich die Beigeladene bereit, im streitgegenständlichen Abschnitt E. zum Schutz vor Erschütterungen die so genannte "besohlte Schwelle" in die Fernbahngleise der Strecke 3900 einzubauen. Durch Protokollerklärung ergänzte die Beklagte den Planfeststellungsbeschluss entsprechend. Der Verwaltungsgerichtshof wies die Klagen ab. Soweit sie sich gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 6. Mai 2004 in der Fassung des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses vom 23. Juni 2009 richteten, seien sie unzulässig. Den Klagen der Kläger zu 1 und 2 stehe die Rechtskraft des klageabweisenden Urteils vom 17. November 2011 entgegen, der Klage des Klägers zu 3 die Bestandskraft der Bescheide. Der Planänderungsbeschluss sei rechtmäßig und verletze die Kläger nicht in ihren Rechten; einen Anspruch auf eine Entscheidung der Beklagten über weitere Maßnahmen zum Erschütterungsschutz hätten die Kläger nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde der Kläger.

II

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

1. Die Rechtssache hat nicht die von der Beschwerde geltend gemachte rechtsgrundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ).

1.1 Als rechtsgrundsätzlich bedeutsam bezeichnen die Kläger folgende Fragen zur Anwendung des § 4 Abs. 1 und 1a UmwRG:

"Beziehen sich Verfahrensfehler i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 3 bzw. § 4 Abs. 1a UmwRG auch auf inhaltliche (methodische) Fehler in den Planunterlagen?

Führen inhaltliche Fehler von Planunterlagen dann, wenn hierdurch der Öffentlichkeit eine Verfahrensgarantie genommen wird, zu einem Verfahrensfehler i.S.d. § 4 UmwRG?

Muss sich die gerichtliche Prüfung darauf beziehen, ob die ausgelegten Planunterlagen gem. § 6 UVPG a.F. (§ 16 UVPG n.F.) die erforderliche ordnungsgemäße Informationsgewinnung zugrunde liegt, und Feststellungen darüber treffen, ob hierdurch die Anstoßwirkung für die Öffentlichkeitsbeteiligung ausreichend ist?"

Diese Fragen bedürfen, soweit sie einer grundsätzlichen Klärung zugänglich und entscheidungserheblich sind, nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass inhaltliche Fehler der öffentlich ausgelegten Fachgutachten keine Verfahrensfehler im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 1a UmwRG sind, sofern die Gutachten die nach § 6 Abs. 3 Satz 3 UVPG a.F. / § 16 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 UVPG n.F. erforderliche Anstoßwirkung entfalten (BVerwG, Urteil vom 28. November 2017 - 7 A 17.12 [ECLI:DE:BVerwG:2017:281117U7A17.12.0] - BVerwGE 161, 17 Rn. 28 ff., insbesondere Rn. 31). Dass einzelne Umweltauswirkungen nicht mit einer hinreichenden Tiefe ermittelt, einzelne Angaben fehlerhaft oder Bewertungen fragwürdig sind, genügt in der Regel für eine Verneinung der Anstoßwirkung nicht. Die Öffentlichkeitsbeteiligung dient gerade dazu, Fehler oder Unzulänglichkeiten der Fachgutachten aufzuzeigen, um sie beheben zu können (OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2018 - 8 B 840/17 [ECLI:DE:OVGNRW:2018: 0220.8B840.17.00] - ZUR 2018, 430 <432> und Beschluss vom 1. Februar 2019 - 7 B 1360/18 [ECLI:DE:OVGNRW:2019:0201.7B1360.18.00] - DVBl 2019, 790 <792> Rn. 12). Ob ein inhaltlicher Fehler eines Fachgutachtens dazu führt, dass Dritte nicht mehr beurteilen können, ob und in welchem Umfang sie von den Umweltauswirkungen des Vorhabens betroffen sein können, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Soweit es um die für den Planfeststellungsbeschluss vom 6. Mai 2004 in der Fassung des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses vom 23. Juni 2009 durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung geht, hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass die ihr zugrunde liegende Erschütterungstechnische Untersuchung vom 20. März 2006 unzureichend war; auch sie sei aber von Erschütterungseinwirkungen auf das Schutzgut Mensch ausgegangen und daher geeignet gewesen, die erforderliche Anstoßwirkung zu entfalten (UA S. 10). Insoweit handelt es sich um eine auf den hier vorliegenden Einzelfall bezogene Bewertung. Eine grundsätzliche Bedeutung ist weder geltend gemacht noch ersichtlich.

In Bezug auf den Planänderungsbeschluss vom 26. Oktober 2015 hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass die Beklagte nicht verpflichtet war, die im Planfeststellungsverfahren durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung durch Einbeziehung der neuen Erschütterungstechnischen Untersuchung vom 31. Oktober 2012 / 16. Oktober 2015 zu ergänzen (UA S. 14). Gründe für die Zulassung der Revision haben die Kläger in Bezug auf diese Annahme nicht dargelegt. Ausgehend hiervon wäre die Frage, ob die Verwendung der neuen ETU für eine Ergänzung der Umweltverträglichkeitsprüfung zu einem Verfahrensfehler führen würde, nicht entscheidungserheblich. Unabhängig hiervon ist der Anspruch der Kläger auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses bzw. auf Feststellung, dass er rechtswidrig und nicht vollziehbar ist, durch Urteil vom 17. November 2011 rechtskräftig abgewiesen worden. Offen ist lediglich der Anspruch auf Ergänzung des Plans um Auflagen zum Schutz vor Erschütterungen und sekundärem Luftschall. Verfahrensfehler bei einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung führen grundsätzlich nur zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit; einen Anspruch auf Entscheidung über weitergehende Schutzmaßnahmen tragen sie nicht (BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 - 9 A 24.18 [ECLI:DE:BVerwG:2019:100419U9A24.18.0] - NVwZ 2019, 1597 Rn. 19).

1.2 Die Frage,

ob den Klägern, die gegen einen Planergänzungs-/Planänderungsbeschluss klagen, die Rechtskraft des Urteils entgegengehalten werden kann, welches auf die Klage gegen den zugrunde liegenden Planfeststellungsbeschluss ergangen ist und zu einer Klageabweisung geführt hat, weil Vorbringen der Kläger aufgrund der europarechtswidrigen Präklusionsregelungen als präkludiert angesehen worden ist,

bedarf ebenfalls nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 12. Januar 2018 - 9 A 12.17 [ECLI:DE:BVerwG:2018:120118B9A12.17.0] - DVBl 2018, 585 <586> Rn. 12) und des Gerichtshofs der Europäischen Union ist geklärt, dass das Unionsrecht grundsätzlich nicht gebietet, von der Anwendung nationaler Vorschriften über die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung abzusehen. Das gilt auch dann, wenn dadurch ein Verstoß gegen Unionsrecht behoben werden könnte. Mangels unionsrechtlicher Bestimmungen obliegt es der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, die Modalitäten der Umsetzung des Grundsatzes der Rechtskraft festzulegen. Diese dürfen aber zum einen im Hinblick auf das Äquivalenzprinzip nicht ungünstiger sein als diejenigen, die bei ähnlichen innerstaatlichen Sachverhalten gelten. Zum anderen darf nach dem Effektivitätsprinzip die Ausübung der Rechte, die die Unionsrechtsordnung einräumt, nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden (EuGH, Urteile vom 16. März 2006 - C-234/04 [ECLI:EU:C:2006:178] - Rn. 21 f., vom 3. September 2009 - C-2/08 [ECLI:EU:C:2009:506] - Rn. 24 und vom 6. Oktober 2015 - C-69/14 [ECLI:EU:C:2015:662] - Rn. 27). Unter dem Gesichtspunkt des Effektivitätsprinzips ist jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen (EuGH, Urteile vom 3. September 2009 - C-2/08 - Rn. 27 und vom 6. Oktober 2015 - C-69/14 - Rn. 36).

Nach diesen Grundsätzen hat das Bundesverwaltungsgericht die Rechtskraft in einem Fall zurücktreten lassen, in dem das Gericht das Vorbringen in der Sache nicht geprüft, sondern allein wegen der Präklusion ausgeschlossen und der Kläger alle ihm zumutbaren Rechtsbehelfsmöglichkeiten einschließlich der Verfassungsbeschwerde ausgeschöpft hatte, um sich gegen die Präklusion zu wehren. (BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2018 - 9 A 12.17 - DVBl 2018, 585 <586> Rn. 13).

Der Verwaltungsgerichtshof hat es unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht für zulässig gehalten, die Rechtskraft des Urteils vom 17. November 2011 zu durchbrechen und die damals erfolglos gebliebenen Rügen im vorliegenden Verfahren erneut zu prüfen. Das Gericht habe im Urteil vom 17. November 2011 kein Vorbringen der Kläger allein wegen Präklusion zurückgewiesen, sondern jedes Vorbringen zusätzlich auch in der Sache geprüft (UA S. 11 f.). Diese Erwägung trägt das Festhalten an der Rechtskraft; das bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Die Prüfung in der Sache bezog sich nicht nur - wie die Kläger geltend machen - auf den damaligen Kläger zu 11, der alle Einwendungen fristgerecht erhoben hatte, sondern auch auf ihr Vorbringen. Das ergibt sich aus den vom Verwaltungsgerichtshof im angefochtenen Urteil herangezogenen Gründen des Urteils vom 17. November 2011. Dass der Eintritt der materiellen Präklusion von Amts wegen zu beachten ist und die Beklagtenseite auf den Ausschluss der Einwendung nicht verzichten kann (BVerwG, Beschluss vom 18. September 1995 - 11 VR 7.95 - Buchholz 316 § 73 VwVfG Nr. 13), hindert ein Gericht nicht, präkludiertes Vorbringen zu prüfen und selbständig tragend auch als in der Sache unbegründet zurückzuweisen. In einem solchen Fall die Rechtskraft des Urteils zu durchbrechen, käme allenfalls in Betracht, wenn die Kläger mit einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision Zulassungsgründe auch im Hinblick auf die Sachprüfung dargelegt, diese aber bereits wegen der Präklusion nicht zum Erfolg geführt hätten. Jedenfalls hätten die Kläger im vorliegenden Verfahren vortragen müssen, dass im damaligen Verfahren Gründe für die Zulassung der Revision in Bezug auf die Sachprüfung vorlagen. Beides haben sie nicht getan. Es gibt im Übrigen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die damalige Sachprüfung nicht tragfähig gewesen sein könnte. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision des damaligen Klägers zu 11, dessen Einwendungen nicht präkludiert waren, ist ebenfalls ohne Erfolg geblieben (BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 7 B 18.12 - juris); er wurde vom selben Prozessbevollmächtigten wie die jetzigen Kläger zu 1 und 2 vertreten.

Für den Kläger zu 3 kommt eine Durchbrechung der Rechtskraft des Urteils vom 17. November 2011 von vornherein nicht in Betracht. Er war nicht Beteiligter des damaligen Verfahrens. Eine Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 6. Mai 2004 in der Fassung des Planänderungsbeschlusses vom 23. Juni 2009 hatte er nicht erhoben.

2. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.

2.1 Als Verfahrensmangel machen die Kläger geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe in einer mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens nicht vereinbaren Weise auf eine "Klaglosstellung" der Kläger hingewirkt.

Die Rüge ist verspätet. Die Kläger machen im Gewande einer Rüge zum Grundsatz des fairen Verfahrens der Sache nach die Besorgnis der Befangenheit der Mitglieder des erkennenden Senats des Verwaltungsgerichtshofs geltend. Denn sie beziehen sich zur Begründung ihrer Rüge auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Befangenheitsvorschriften. Sie beanstanden, dass die Erfolgsaussichten ihrer Klage durch eine Planänderung gemindert worden seien, die auf unfaire Hinweise des Gerichts zurückgegangen seien. Gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 43 ZPO kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Die Kläger haben im Anschluss an die Änderung des Planfeststellungsbeschlusses durch Prozesserklärung der Beklagten, die sie zum Anlass für ihre Besorgnis der Befangenheit nehmen, unbedingte Beweisanträge gestellt. Auch das sind Anträge im Sinne des § 43 ZPO (Hoppe, in: Eyermann, VwGO , 15. Aufl. 2019, § 54 Rn. 23).

Unabhängig hiervon ergibt sich aus den Akten nicht, dass das Gericht sich einseitig zum Berater der Beklagten gemacht hat. Richterliche Hinweise und Anregungen sind Aufgabe des Richters und rechtfertigen grundsätzlich keine Befangenheitsablehnung; das gilt grundsätzlich auch dann, wenn hierdurch die Prozesschancen eines Verfahrensbeteiligten verringert werden (BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2017 - 9 A 16.16 [ECLI:DE:BVerwG:2017: 101017B9A16.16.0] - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 83 Rn. 6). Die dem Gericht dabei durch die Gebote der Verfahrensfairness gezogenen Grenzen hat der Verwaltungsgerichtshof nicht überschritten. Die Berichterstatterin hatte die Beteiligten mit Schreiben vom 5. März 2018 (GA Bl. 358) darauf hingewiesen, dass möglicherweise auch eine spürbare Verbesserung der Erschütterungssituation bauliche Schutzmaßnahmen rechtfertigen könne. Sie hatte die Beklagte und die Beigeladene gebeten, die Anzahl der Wohneinheiten zu spezifizieren, bei denen sich die Erschütterungsimmissionen - in Abhängigkeit von der baulichen Schutzvariante - spürbar verringern würden. Dies war ein rechtlicher Hinweis mit der Bitte um Ergänzung des Vortrags. In der mündlichen Verhandlung vom 20. September 2018 (GA Bl. 591) wurde die Erschütterungsproblematik - auch mit den Sachbeiständen der Kläger und der Beigeladenen - ausführlich erörtert. Mit Schriftsatz vom 19. November 2018 (GA Bl. 732 <736 R>) hat die Beigeladene mitgeteilt, sie könne sich vorstellen, durch Prozesserklärung zuzusagen, im Abschnitt E. im Bereich von Bahn-km 190,500 (EÜ A 661) bis Bahn-km 191,900 (EÜ N.) die Schutzmaßnahme gemäß Variante 4 (Einbau besohlter Schwellen ausschließlich in die Fernbahngleise) vorzusehen. In der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2018 (GA Bl. 841 <844 f.>) hat sie "auf Hinweis des Gerichts" die schriftsätzlich angekündigte Erklärung abgegeben; nach einer Sitzungsunterbrechung hat der Vertreter der Beklagten den Planfeststellungsbeschluss entsprechend geändert. Die Initiative für die Planänderung ist hiernach von der Beigeladenen ausgegangen. Dass das Gericht auf seine vorläufige Rechtsauffassung hinweist, entspricht der den Verwaltungsprozess prägenden Offenheit des Rechtsgesprächs (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2017 - 9 A 16.16 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 83 Rn. 8).

2.2 Die geltend gemachte Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO , Art. 103 Abs. 1 GG ) liegt nicht vor.

2.2.1 Der Verwaltungsgerichtshof hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht dadurch verletzt, dass er ihren Antrag, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen (GA Bl. 672), abgelehnt hat. Die Kläger hatten Gelegenheit, sich in der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2018 Gehör zu verschaffen. Das haben sie auch getan. Sie haben beantragt, ihnen Schriftsatznachlass zu der durch Prozesserklärung der Beklagten vorgenommenen Planänderung und zu dem Schriftsatz der Beigeladenen vom 19. November 2018 zu gewähren (GA Bl. 842, 845). Dass die Ablehnung dieser Anträge verfahrensfehlerhaft war, ergibt sich aus ihrem Vorbringen nicht. Ein Beschwerdeführer, der geltend macht, er habe sich zu einer bestimmten Frage nicht äußern können, muss schlüssig und substantiiert darlegen, was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2016 - 4 B 45.15 [ECLI:DE: BVerwG:2016:140616B4B45.15.0] - juris Rn. 76). Zur Prozesserklärung der Beklagten haben die Kläger lediglich geltend gemacht, die Planänderung sei zu unbestimmt. Was im Planfeststellungsbeschluss zu ihrem Schutz zusätzlich hätte angeordnet werden müssen und was sie hierzu vorgetragen hätten, haben sie nicht dargelegt. Mit Schriftsatz vom 19. November 2018 (GA Bl. 732 - 737 <doppelseitig>) hat die Beigeladene auf die Einwendungen der Kläger und ihres Sachbeistandes erwidert und eine Erschütterungstechnische Stellungnahme ihres Sachbeistandes vom 16. November 2018 (GA Bl. 738 - 822 <teilweise doppelseitig>) vorgelegt. Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung zur Erforderlichkeit weitergehenden Erschütterungsschutzes sechs unbedingte Beweisanträge gestellt (GA Bl. 878 - 883). Welche weitergehenden Anträge sie in einem nachgelassenen Schriftsatz gestellt hätten, haben sie nicht dargelegt.

2.2.2 Die Ablehnung eines unbedingten Beweisantrags verstößt nur dann gegen die Pflicht, den Sachverhalt zu erforschen (§ 86 Abs. 1 und 2 VwGO ) und dem Antragsteller Gehör zu gewähren, wenn die Ablehnung - auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Sicht des Tatsachengerichts - im Prozessrecht keine Stütze findet (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. April 2014 - 3 B 62.13 - juris Rn. 3 und vom 12. Juli 2018 - 7 B 15.17 [ECLI:DE:BVerwG:2018: 120718B7B15.17.0] - Buchholz 451.224 § 36 KrWG Nr. 1 Rn. 23). Das ist bei keinem der Beweisanträge der Fall.

Die Beweisanträge 1 ("Ermittlung der Erschütterungsimmissionen"), 2 ("Fehlerhafte Messungen") und 3 (Typ-2-Messungen, Ausbreitungsberechnung) waren auf den Nachweis gerichtet, dass die Kläger durch das Vorhaben deutlich stärkeren Erschütterungsimmissionen ausgesetzt sein werden als in der dem Planänderungsbeschluss zugrunde liegenden ETU 2012/2015 angenommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beweisanträge abgelehnt, weil sie nicht mehr entscheidungserheblich seien, nachdem den Klägern Erschütterungsschutz durch den Einbau besohlter Schwellen gewährt werden solle (UA S. 28). Das ist auf der Grundlage der Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Verhältnismäßigkeit der Kosten für die in Betracht kommenden Schutzmaßnahmen (UA S. 21 f.) nicht zu beanstanden: Ausgehend von der erschütterungstechnischen Stellungnahme der Beigeladenen vom 17. Juli 2018 (GA Bl. 427) ergäben sich Kosten in Höhe von 10 713 € je gelöstem oder verbessertem Schutzfall (insgesamt 76), wenn - wie durch die in der mündlichen Verhandlung vorgenommene Planänderung vorgesehen - in die zwei Fernbahngleise besohlte Schwellen eingebaut würden (Variante 4). Die Maßnahme BSO (Beton-Schotteroberbau) in den beiden Fernbahngleisen (Variante 2) löse oder verbessere 44 Schutzfälle und führe zu Kosten in Höhe von 112 075 € je Schutzfall; wenn man unterstelle, dass in sämtlichen 88 prognostizierten Schutzfällen ein relevanter Schutzeffekt erzielt werden könne, ergäben sich 56 037,50 € je Schutzfall. Selbst wenn man im Hinblick auf die Kritik der Kläger an Messaufbau und Messmethoden eine doppelte Anzahl der Schutzfälle unterstellt, überstiegen die Kosten je Schutzfall mit rund 28 000 € die Kosten der gewählten Variante (10 713 €) um mehr als das Zweieinhalbfache. Warum die Annahme, dass die Kritik der Kläger an Messaufbau und Messmethoden die Zahl der Schutzfälle jedenfalls nicht mehr als verdoppeln und dass die Maßnahme BSO auch alle zusätzlichen Schutzfälle lösen werde, nicht hinreichend konservativ sein sollte, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Ausgehend von den im Ortsteil E. im Abstand von 0 - 20 m, 20 - 40 m und 40 - 60 m vorhandenen Gebäuden (27 / 67 / 52, vgl. Erschütterungstechnische Untersuchung vom 19.10.2015, Anlage 11i <BA 17 Bl. 5302 [5343]>) und dem mit zunehmendem Abstand zur Trasse stark abnehmenden Verhältnis der anspruchsberechtigten Gebäude zu den vorhandenen Gebäuden (0 - 20 m: 42 %, 21 - 40 m: 17 %, 41 - 60 m: 0 % <BA 17 Bl. 5343; vgl. auch Erschütterungstechnische Stellungnahme vom 16.11.2018, GA Bl. 738 [747]>), hätte dies näherer Darlegung bedurft. Konservativ ist im Übrigen auch die Annahme, dass der vorgesehene Einbau der besohlten Schwellen keinen der zusätzlichen Schutzfälle lösen oder erheblich verbessern würde.

Gegen die Ablehnung des Beweisantrags 4 wenden sich die Kläger nicht.

Der Beweisantrag 5 ("Schutzwirkungen verschiedener Erschütterungsmaßnahmen") war auf den Nachweis gerichtet, dass die Dämmwirkungen der "besohlten Schwellen" überschätzt und diejenigen der Maßnahme "BSO" unterschätzt worden seien. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Beweisantrag abgelehnt, weil er auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis ziele und im Hinblick auf das Ergebnis der Kosten-Nutzen-Analyse nicht entscheidungserheblich sei (UA S. 29). Dass die Verneinung der Entscheidungserheblichkeit im Prozessrecht keine Stütze findet, ergibt sich aus dem Vorbringen der Kläger nicht. Auch der Verwaltungsgerichtshof ist davon ausgegangen, dass mit der Maßnahme "BSO" im Regelfall ein besserer Schutz vor Erschütterungen erreicht werden kann als mit "besohlten Schwellen" (UA S. 19). Für die Kosten-Nutzen-Analyse hat er unterstellt, dass die Maßnahme "BSO" sämtliche prognostizierte Schutzfälle löst oder erheblich verbessert (UA S. 21 f.). Diese Annahme schließt für die Maßnahme "BSO" eine Unterschätzung der Dämmwirkungen aus. Zudem hätte die Beweisaufnahme eine Dämmwirkung der "besohlten Schwelle" ergeben müssen, die mit Blick auf die durch sie gelösten oder erheblich verbesserten Schutzfälle soviel geringer ist, dass die Kosten je Schutzfall sich denen der Maßnahme BSO nähern oder sie sogar übersteigen. Das haben die Kläger nicht dargelegt.

Den Beweisantrag 6 ("Lärmauswirkungen bei Einbau 'besohlter Schwellen'") hat der Verwaltungsgerichtshof abgelehnt, weil die Beweisbehauptung nicht entscheidungserheblich sei. Die maßgebliche Anlage 2 zu § 4 der 16. BImSchV sehe weder in der derzeit gültigen noch in der vorigen Fassung einen höheren Korrekturwert bei besohlten Schwellen vor (UA S. 22 f., 29). Den Vortrag der Beigeladenen, dass bei mittelsteifen Schwellenbesohlungen Lärmerhöhungen nicht zu besorgen seien, hat der Verwaltungsgerichtshof lediglich referiert, seine Entscheidung hierauf jedoch nicht gestützt. Ausgehend von der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs zur Auslegung des materiellen Rechts, hier der 16. BImSchV , ist die Verneinung der Entscheidungserheblichkeit der Beweisbehauptung nicht zu beanstanden.

2.2.3 Dass der Verwaltungsgerichtshof maßgebenden Vortrag der Kläger zu der Schwelle übergangen habe, bei deren Überschreiten eine Erhöhung der Erschütterungen wahrnehmbar ist, trifft nicht zu.

Beim Ausbau eines Schienenwegs kann Erschütterungsschutz nur verlangt werden, wenn sich die Erschütterungsbelastung durch den Ausbau in beachtlicher Weise erhöht und gerade in dieser Erhöhung eine zusätzliche, dem Betroffenen billigerweise nicht mehr zumutbare Belastung liegt (stRspr, BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 3 A 1.16 [ECLI:DE:BVerwG:2017:290617U3A1.16.0] - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 77 Rn. 98). Die Rechtsprechung hat als Wahrnehmbarkeitsschwelle eine Zusatzbelastung von 25 % der Vorbelastung anerkannt (BVerwG, Urteile vom 21. Dezember 2010 - 7 A 14.09 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 81 Rn. 30 ff. und vom 29. Juni 2017 - 3 A 1.16 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 77 Rn. 106). Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, dass diese Festlegung empirisch noch immer hinreichend abgesichert sei. Dass es neuere wissenschaftliche Erkenntnisse gebe, hätten die Kläger nur behauptet, ohne dies zu belegen (UA S. 18). Der Verwaltungsgerichtshof hat den Vortrag der Kläger mithin zur Kenntnis genommen. Dass sie die Studien, auf die sich ihr Sachbeistand berufen hat, vorgelegt hätten, ist weder geltend gemacht noch ersichtlich.

2.2.4 Schließlich verletzt auch die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Schwelle zur Eigentums- und Gesundheitsverletzung bei den Gebäuden der Kläger bei weitem nicht erreicht oder gar überschritten werde (UA S. 19), nicht den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör; der Verwaltungsgerichtshof hat auch nicht seine Aufklärungspflicht verletzt. Einen Beweisantrag haben die Kläger insoweit nicht gestellt. Warum sich dem Verwaltungsgerichtshof eine weitere Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen, legen sie nicht dar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 , § 162 Abs. 3 , § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO . Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: VGH Hessen, vom 23.11.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 2 C 2461/15
Fundstellen
NVwZ 2020, 1199
VRS 2020, 215