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BVerfG - Entscheidung vom 08.09.2020

2 BvQ 65/20

Normen:
BVerfGG § 32 Abs. 1
GG Art. 103 Abs. 1

BVerfG, Beschluss vom 08.09.2020 - Aktenzeichen 2 BvQ 65/20

DRsp Nr. 2020/13643

Darlegen des Drohens eines schweren Nachteils i.R.e. Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (hier: Teilnahme an der Stiftungsratssitzung als stimmberechtigtes Mitglied); Erschöpfung des Rechtswegs

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Normenkette:

BVerfGG § 32 Abs. 1 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

[Gründe]

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unzulässig.

1. Soweit der Antragsteller seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf die gerügte Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG stützt, ist die - noch zu erhebende - Verfassungsbeschwerde mangels Erschöpfung des Rechtswegs unzulässig und damit auch der beantragte Erlass einer einstweiligen Anordnung insoweit gegenstandslos.

Die gerügte Verletzung rechtlichen Gehörs lässt sich nach Durchführung der mündlichen Verhandlung, die auf den Widerspruch des Antragstellers gemäß § 924 Abs. 2 Satz 2 ZPO zwingend zu erfolgen hat, heilen. Die Funktionenteilung zwischen der Fach- und Verfassungsgerichtsbarkeit betraut zunächst die Fachgerichte mit der Korrektur bereits verwirklichter Grundrechtseingriffe (vgl. BVerfGE 96, 27 <40>; 104, 220 <232 f.>). Im Besonderen - so auch hier - gilt das für die grundsätzlich mögliche Heilung von Gehörsverstößen durch nachträgliche Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. BVerfGE 5, 9 <10>; 58, 208 <222>; 62, 392 <397>; 107, 395 <410 ff.>; stRspr). Insoweit ist der Antragsteller nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG von vornherein auf den Rechtsweg zu verweisen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 6. Juni 2017 - 1 BvQ 16/17 u.a. -, Rn. 7; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 23. August 2017 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 7).

2. Soweit der Antragsteller seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf die Verletzung von Verfahrensrechten, namentlich der prozessualen Waffengleichheit stützt, ist der Antrag mangels substantiierter Darlegung eines schweren Nachteils im Sinne des § 32 BVerfGG unzulässig.

Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Zu den Zulässigkeitsanforderungen an einen Antrag nach § 32 Abs. 1 BVerfGG gehört die substantiierte Darlegung der Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. November 2006 - 1 BvQ 33/06 -, juris, Rn. 2; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. November 2015 - 2 BvQ 43/15 -, Rn. 4; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 23. August 2017 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 9). Selbst im Fall offenkundiger Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde kommt ein Einschreiten des Bundesverfassungsgerichts im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG nur in Betracht, wenn ein schwerer Nachteil im Sinne des § 32 BVerfGG dargelegt wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. Juni 2020 - 1 BvR 1378/20 -, juris, Rn. 4; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 16. Juli 2020 - 1 BvR 1617/20 -, Rn. 5).

Der Antragsteller hat nicht hinreichend dargelegt, dass ihm für den Fall, dass eine einstweilige Anordnung nicht erlassen wird, ein schwerer Nachteil droht. Allein die fortgesetzte Belastung durch einen einseitig erstrittenen Unterlassungstitel reicht hierzu nicht aus. Vielmehr müsste der Antragsteller auch in der Sache durch die Unterlassungsverpflichtung belastet sein (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 16. Juli 2020 - 1 BvR 1617/20 -, Rn. 5). Seinem Vortrag zufolge wird der Antragsteller durch die einstweilige Verfügung im Wesentlichen daran gehindert, an der Stiftungsratssitzung am 11. September 2020 als stimmberechtigtes Mitglied teilzunehmen. Dadurch könnten für die Stiftung wichtige Beschlussgegenstände nicht zur Abstimmung gebracht werden. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass diese Gegenstände nicht in einer späteren Stiftungsratssitzung nach Entscheidung über den Widerspruch des Antragstellers zur Abstimmung gebracht werden könnten. Nachteile, die nachträglich wieder beseitigt oder wirtschaftlich kompensiert werden können, muss ein Antragsteller jedoch grundsätzlich hinnehmen (BVerfGE 108, 45 <50>).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorinstanz: LG Stuttgart, vom 02.09.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 21 O 348/20