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BSG - Entscheidung vom 24.02.2020

B 14 AS 166/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 24.02.2020 - Aktenzeichen B 14 AS 166/19 B

DRsp Nr. 2020/5918

Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 14. März 2019 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin B. beizuordnen, wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG ).

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat, ist nicht zulässig.

Die Voraussetzungen des allein geltend gemachten Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt 160a Abs 2 Satz 3 SGG ).

Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung prüfen zu können (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 181). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 65 f). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § Nr 16). Hierfür ist eine substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen ebenso erforderlich wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben (vgl BSG vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § Nr 8). Schließlich hat ein Beschwerdeführer zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und dabei insbesondere den Schritt darzustellen, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet der Kläger die Fragen:

(1) "… inwieweit Leistungsempfänger, die von sich aus immer alle Einnahmen korrekt angeben, regelmäßig beim Jobcenter vorsprechen und allen Mitwirkungspflichten nachkommen, verpflichtet sind, darüber hinaus Anträge zu stellen, die als "Überprüfungsanträge" bezeichnet sind oder ob nicht die genannte Einreichung von Unterlagen ausreicht, das Jobcenter zu veranlassen, von sich aus erneute Prüfungen vorzunehmen" beziehungsweise "… inwieweit jegliche Hinweise eines Leistungsempfängers Beachtung finden müssen und zu einer grundsätzlichen Klärung durch das Jobcenter finden müssen".

(2) "... ob es nicht sogar im Interesse der grundgesetzlich garantierten Gebote des Sozialstaatsprinzips und des Schutzes der Familie generell geboten wäre, selbst bei fehlenden Aktivitäten der Leistungsempfänger dennoch bei einem späteren Hinweis ältere Bescheide zu korrigieren".

Soweit es sich bei (1) überhaupt um eine aus sich heraus verständliche, klar formulierte Rechtsfrage handelt, weil aufgrund der ersten Teilfrage nicht klar wird, ob der Kläger die Voraussetzungen einer Überprüfung auf Antrag (a) oder von Amts wegen (b) im sog Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X für klärungsbedürftig hält, mangelt es zu (a) an einer Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG zum weiten Antragsbegriff im Rahmen des § 44 SGB X (vgl die zusammenfassende Aufzählung von Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X RdNr 22, EL 98 März 2018), der gleichwohl voraussetzt, dass der Beteiligte kenntlich macht, er erwarte von der Behörde die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens. Zu (b) fehlt es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage, weil schon nicht mitgeteilt ist, ob verfahrensgegenständlich die Ablehnung der Abänderung zur Überprüfung gestellter Entscheidungen aufgrund eines durch den Beklagten von Amts wegen eingeleiteten Zugunstenverfahrens war.

Wegen der zu (2) formulierten Rechtsfrage hat es der Kläger versäumt, sich mit der Rechtsprechung des BVerfG auseinanderzusetzen, nach der dem GG keine allgemeine Verpflichtung der vollziehenden Gewalt zu entnehmen ist, rechtswidrig belastende Verwaltungsakte unbeschadet des Eintritts ihrer formellen Bestandskraft von Amts wegen oder auf Antrag des Adressaten aufzuheben oder abzuändern (vgl BVerfG vom 27.2.2007 - 1 BvR 1982/01 - BVerfGE 117, 302 , 315) und das Verfahrensrecht des SGB X die materiell richtige Entscheidung bereits höher bewertet als das Verfahrensrecht anderer Gebiete öffentlicher Verwaltung (vgl BVerfG vom 6.4.2011 - 1 BvR 1765/09 - RdNr 47).

PKH ist dem Kläger nicht zu bewilligen, da seine Rechtsverfolgung aus den vorstehend genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO ). Da der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH hat, ist auch sein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO ).

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183 , 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Sachsen-Anhalt, vom 14.03.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 4 AS 900/17
Vorinstanz: SG Dessau-Roßlau, vom 01.06.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 8 AS 709/14