Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 28.07.2020

B 8 SO 30/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 28.07.2020 - Aktenzeichen B 8 SO 30/20 B

DRsp Nr. 2020/14987

Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege und Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 18. Februar 2020 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Im Streit ist die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege und Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen im Zeitraum vom 1.2.2015 bis 30.9.2015.

Die Klägerin, die in einem Seniorenzentrum lebt, bezog im streitigen Zeitraum eine monatliche Altersrente von 869,75 Euro und verfügt neben Vermögen aus Spareinlagen über einen Bestattungsvorsorgevertrag in Höhe von rund 3800 Euro. Ihren Antrag vom Februar 2015 auf Sozialhilfe lehnte der Beklagte unter Hinweis auf Renteneinkommen und vorhandenes Vermögen ab (Bescheid vom 6.5.2015; Widerspruchsbescheid vom 30.9.2015). Die hiergegen erhobene Klage ist nach einem von der Klägerin angenommenen Teilanerkenntnis des Beklagten (Übernahme ungedeckter Heimkosten ab Dezember 2015) erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts <SG> Dresden vom 13.8.2018; Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts <LSG> vom 18.2.2020). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, das Vermögen der Klägerin habe ausgereicht, um den Bedarf zu decken. Die Altersrente sei im Moment des Zuflusses am letzten Bankarbeitstag des jeweiligen Monats Einkommen und im Folgemonat als Vermögen zu berücksichtigen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde und macht die grundsätzliche Bedeutung der Sache geltend, wozu sie die Frage aufwirft, ob die am letzten Tag eines Monats erhaltene Rente am ersten Tag des Folgemonats - dem Tag, an dem das Geld an die Einrichtung zur Deckung der Heimkosten wieder abfließe - weiterhin als Einkommen oder als Vermögen zu behandeln sei und - soweit es als Vermögen zu behandeln sein sollte -, ob es auf den Vermögensstand am ersten Tag des Folgemonats um 0.00 Uhr oder um 23.59:59 Uhr ankomme. Gehe man mit der Klägerin davon aus, die Rente sei auch im Folgemonat als Einkommen zu behandeln, stünde ihr ein Anspruch auf Hilfe zur Pflege zu. Gehe man hingegen davon aus, das zum Monatsletzten zugeflossene Einkommen sei im Folgemonat als Vermögen zu behandeln, würde dies ebenfalls dazu führen, dass ihr der geltend gemachte Anspruch zustünde. Schließlich gehe es auch um die Frage der Angemessenheit der Bestattungsvorsorge.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) nicht in der gebotenen Weise dargelegt ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur Bundessozialgericht <BSG> vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Soweit die Klägerin die Frage aufwirft, ob die laufende Rentenzahlung im Folgemonat des Zuflusses weiterhin als Einkommen oder als Vermögen zu behandeln ist, wird ein Klärungsbedarf nicht hinreichend aufgezeigt. Sie legt nicht ausreichend dar, wieso mit Blick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur modifizierten Zuflusstheorie (vgl Bundesverwaltungsgericht <BVerwG> vom 18.2.1999 - 5 C 35/97 - BVerwGE 108, 296 = NJW 1999, 3649 ; BSG vom 19.5.2009 - B 8 SO 35/07 R - SozR 4-3500 § 82 Nr 5 RdNr 14 mwN; BSG vom 9.6.2011 - B 8 SO 20/09 R - BSGE 108, 241 = SozR 4-3500 § 82 Nr 8, RdNr 14; zum Einkommensbegriff vgl BSG vom 28.2.2013 - B 8 SO 12/11 R - BSGE 113, 86 = SozR 4-3500 § 84 Nr 1; zu laufenden Einkünften aus Altersrente BSG vom 30.6.2016 - B 8 SO 3/15 R - BSGE 121, 283 = SozR 4-3500 § 82 Nr 11, RdNr 22 f; BSG vom 25.4.2018 - B 8 SO 24/16 R - SozR 4-3500 § 82 Nr 12 RdNr 17) noch Klärungsbedarf bestehen soll. Hierzu genügt es nicht, auf die Einkommensart (Renteneinkommen) hinzuweisen, ohne normative Unterschiede aufzuzeigen, die eine von der Rechtsprechung (zum Einkommenszufluss aus Renteneinkünften auch dann, wenn das Girokonto im Soll ist vgl BSG vom 12.5.2017 - B 8 SO 23/15 R - FEVS 69, 154 = juris RdNr 33 f mwN) abweichende Bewertung von Renteneinkommen (im Vergleich etwa zu Arbeitseinkommen, das am Monatsende gezahlt wird) rechtfertigen. Ist eine Frage bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden, ist sie grundsätzlich nicht mehr klärungsbedürftig. Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann wieder klärungsbedürftig werden, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden, was im Rahmen der Beschwerdebegründung darzulegen ist (vgl nur BSG vom 19.7.2011 - B 8 SO 19/11 B - juris RdNr 7). Daran fehlt es.

Die Klägerin legt nicht dar, dass der höchstrichterlichen Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird. Sie erläutert auch nicht, dass aus anderen Gründen wieder Klärungsbedarf besteht. Sie beruft sich nur auf eine Entscheidung des SG Schleswig, die dieser Rechtsprechung aber ebenfalls nicht widerspricht, sondern von der Besonderheit geprägt war, dass das Vermögen der dortigen Klägerin mit der Rentengutschrift am letzten Tag des Monats zwar über, wegen der am ersten Werktag durchgeführten Daueraufträge aber bereits am Folgetag unter dem Vermögensfreibetrag lag. Eine solche Fallgestaltung liegt hier nach dem eigenen Vortrag der Klägerin gerade nicht vor, weil ihr Vermögen im streitigen Zeitraum durchgehend über dem Vermögensfreibetrag lag.

Neben der abstrakten Klärungsbedürftigkeit ist auch die konkrete Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Fragen unzureichend dargelegt. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist ( BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § Nr 31). Über die aufgeworfene Rechtsfrage müsste das Revisionsgericht also - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsbedürftigkeit - konkret-individuell sachlich entscheiden müssen ( BSG vom 25.6.1980 - 1 BA 23/80 - SozR 1500 § 160 Nr 39 und BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § Nr 31). Dies erfordert es, dass ein Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (vgl BSG vom 16.12.2019 - B 8 SO 60/19 B - juris; BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § Nr 31). Die Behauptung der Klägerin, dass spätestens ab Juni 2015 ein Leistungsanspruch bestanden hätte, wenn die Rentenzahlung im Folgemonat als Einkommen und nicht als Vermögen berücksichtigt worden wäre, weil das Vermögen dann unter der Vermögensfreigrenze gelegen hätte, ist nicht schlüssig. Denn dann hätte die Klägerin ihre Rente, die deutlich über dem vermeintlich ungedeckten Bedarf lag, als Einkommen einsetzen müssen, sodass der Anspruch zwar nicht am Vermögen, dafür aber am einzusetzenden Einkommen scheitern würde. Dass das Vermögen um einen Betrag in Höhe der Rentenzahlung bereinigt werden muss und deshalb das einzusetzende Vermögen ab Juni 2015 unterhalb des Vermögensfreibetrags liegt, der Zahlbetrag der Rente in diesem Monat aber auch nicht (noch) als Einkommen berücksichtigt werden darf, wenn - wie das SG Schleswig in der von der Klägerin zitierten Entscheidung ausführt - "dem Monatsprinzip nicht sklavisch gefolgt werden" muss, wird nicht in nachvollziehbarer Weise dargelegt. Entsprechende Darlegungen fehlen auch bei der hilfsweise aufgeworfenen Frage.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Sachsen, vom 18.02.2020 - Vorinstanzaktenzeichen L 8 SO 70/18
Vorinstanz: SG Dresden, vom 13.08.2018 - Vorinstanzaktenzeichen S 13 SO 327/15