Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 20.08.2020

B 12 P 1/20 B

Normen:
SGG § 202
ZPO § 78b Abs. 1

BSG, Beschluss vom 20.08.2020 - Aktenzeichen B 12 P 1/20 B

DRsp Nr. 2020/13932

Feststellung von Versicherungsschutz in der Pflegeversicherung Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm einen Notanwalt für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen- Bremen vom 19. Juni 2020 beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 19. Juni 2020 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 202 ; ZPO § 78b Abs. 1 ;

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit hat das SG Stade die Klage auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger Versicherungsschutz in dem Tarif PVN für die Zeit vom 1.3.2014 bis 31.12.2015 und in dem Tarif PVTB120 für die Zeit vom 1.3.2014 bis 30.4.2015 zu gewähren, mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen. Die Beklagte habe den Versicherungsschutz des Klägers in den genannten Tarifen für den streitgegenständlichen Zeitraum zu keinem Zeitpunkt bestritten. Anders als in der privaten Krankenversicherung existiere in der Pflegeversicherung kein Notlagentarif. Darüber hinaus sei das Versicherungsverhältnis seit Anfang 2016 beendet und mangels offener Ansprüche kein Interesse mehr an der begehrten Feststellung erkennbar (Urteil vom 18.9.2019). Das LSG hat die Berufung des Klägers wegen Fristversäumnis als unzulässig verworfen. Für die Berechnung der Monatsfrist sei die Zustellung des Urteils an die Rechtsanwälte am 25.9.2019 maßgeblich, sodass die erst mit Schreiben vom 5.11.2019 eingelegte Berufung verspätet sei. Die Rechtsanwälte hätten sich gegenüber dem AG Euskirchen (Mahnabteilung) und dem AG Osterholz-Scharmbeck als vom Kläger Bevollmächtigte gemeldet, den Kläger noch in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Stade am 18.9.2019 vertreten und den Klageantrag gestellt. Aus dem Schreiben des Klägers vom 19.10.2019 ergebe sich zudem, dass ihn die Anwälte zumindest über die mündliche Verhandlung informiert hätten (Beschluss vom 19.6.2020).

Der Kläger hat mit einem per Telefax eingereichten Schreiben vom 14.7.2020 "Erinnerung und Beschwerde" beim BSG gegen den Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 19.6.2020 eingelegt und beantragt, ihm einen Rechtsanwalt beizuordnen.

II

1. Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts ist abzulehnen. Nach § 202 SGG iVm § 78b Abs 1 ZPO hat das Prozessgericht, insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, einem Beteiligten auf seinen Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen, wenn er einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es nicht darauf an, dass die Staatskasse ggf aufgrund einer Deckungszusage seiner Rechtsschutzversicherung nicht mit den Rechtsanwaltskosten belastet würde. Denn die mit der Beschwerde des Klägers beabsichtigte Rechtsverfolgung ist aussichtslos. Aussichtslosigkeit besteht, wenn ein günstiges Ergebnis auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden kann (BGH Beschluss vom 29.9.2011 - V ZA 14/11 - juris = NJW-RR 2012, 84 ). Diese Einschränkung der gerichtlichen Notanwaltsbeiordnung soll einen Rechtsanwalt, der die Verantwortung für den Inhalt und die Fassung seiner Schriftsätze trägt, vor einer ihm nicht zumutbaren Vertretung in von vornherein aussichtslosen Sachen bewahren (vgl auch Althammer in Zöller, Zivilprozessordnung , 33. Aufl 2020, § 78b ZPO RdNr 5 mwN).

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl bereits BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10; BSG Beschluss vom 13.11.2019 - B 13 R 125/18 B - juris RdNr 13). Das Vorbringen des Klägers und die Durchsicht der Akten haben ergeben, dass keiner der vorgenannten Gründe in Betracht kommen kann.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt generelle Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung über den zu entscheidenden Fall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit und Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage mit über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung stellt sich vorliegend schon deshalb nicht, weil - trotz mehrfacher Nachfrage seitens des SG - nicht erkennbar ist und auch seitens der Rechtsanwälte nicht nachvollziehbar dargelegt werden konnte, welches Interesse der Kläger mit der begehrten Feststellung noch verfolgen könnte. Ist ein Interesse an der Rechtsverfolgung unter keinem Gesichtspunkt erkennbar, geht es auch um die Bewahrung eines Rechtsanwalts vor der Übernahme des aussichtslosen Mandats.

Eine Divergenz kann nur dann zur Revisionszulassung führen, wenn die mit der Beschwerde angegriffene Entscheidung auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der von einem abstrakten Rechtssatz in einer (anderen) Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Wegen der besonderen Einzelfallgestaltung ist auch hierfür nichts ersichtlich.

Durchgreifende Verfahrensfehler ergeben sich nach Durchsicht der Akten auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht.

2. Die vom Kläger selbst erhobene Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht der gesetzlichen Form entspricht. Beschwerden können wirksam nur durch einen beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt werden 73 Abs 4 SGG ). Ausnahmen hiervon sehen die gesetzlichen Regelungen nicht vor.

Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 19.06.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 15 P 45/19
Vorinstanz: SG Stade, vom 18.09.2019 - Vorinstanzaktenzeichen S 12 P 50/15