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BGH - Entscheidung vom 27.02.2020

III ZR 36/19

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 27.02.2020 - Aktenzeichen III ZR 36/19

DRsp Nr. 2020/4217

Zulässigkeit einer Anhörungsrüge im Zivilprozess; Prüfung einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

Tenor

Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Senatsbeschluss vom 9. Januar 2020 wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 9. Januar 2020 hat der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers mit der an den Wortlaut von § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO angelehnten Begründung zurückgewiesen, die Rechtssache habe keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderten eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Anhörungsrüge. Er macht geltend, der Beschluss verletze ihn in seinem Recht auf rechtliches Gehör. Angesichts der "materiellen Begründungslosigkeit" des Beschlusses habe er Anlass anzunehmen, dass der Senat die in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde detailliert dargelegten Revisionszulassungsgründe nicht oder jedenfalls nicht vollständig gewürdigt habe. Diese würden deshalb vollumfänglich zum Gegenstand der Anhörungsrüge gemacht. Darüber hinaus verletze der Beschluss das Recht des Klägers auf hinreichende rechtliche Begründung der Entscheidung.

II.

1. Die nach § 321a ZPO statthafte Anhörungsrüge ist unzulässig, weil sie den gesetzlichen Darlegungsanforderungen nicht genügt.

a) Die Anhörungsrüge ist nur zulässig, wenn mit ihr eine neue und eigenständige Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch das erkennende Gericht gerügt wird. Dabei ist darzulegen, dass das Gericht den Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 321a Abs. 2 Satz 5 ZPO ). Das gilt auch dann, wenn sich die Anhörungsrüge gegen einen Beschluss richtet, durch den eine Nichtzulassungsbeschwerde ohne nähere Begründung, was § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO ausdrücklich zulässt, zurückgewiesen worden ist (BGH, Beschluss vom 30. August 2012 - V ZR 8/12, BeckRS 2012, 20998 Rn. 3 zu § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO aF).

Zwar wird es einem Beschwerdeführer durch das Fehlen einer näheren Begründung zu den Zulassungsvoraussetzungen erschwert, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs auf eine neue und eigenständige Gehörsverletzung zu überprüfen. Hierdurch wird von ihm jedoch nichts Unzumutbares verlangt (BVerfG, NJW 2011, 1497 Rn. 21). Denn der Beschwerdeführer kann sich auf die Darlegung beschränken, warum er meint, die Zurückweisung seiner Nichtzulassungsbeschwerde lasse nur den Schluss zu, dass sein Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen worden sei. Es müssen besondere Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich klar ergibt, dass das Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BGH aaO Rn. 4 unter Bezugnahme auf BVerfGE 85, 386 , 404). Ein solcher Umstand liegt vor, wenn Gründe des formellen oder materiellen Rechts, die die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde tragen könnten, nicht erkennbar sind und sich deshalb der Schluss aufdrängt, die Entscheidung beruhe darauf, dass bestimmtes Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen worden ist. Das ist in der Anhörungsrüge darzutun. Mit einer Beschwerdeerwiderung muss sich der Beschwerdeführer auseinandersetzen und darlegen, dass sich die Zurückweisung der Beschwerde auch unter Berücksichtigung der Argumente der Gegenseite nur damit erklären lässt, dass Vorbringen nicht zu Kenntnis genommen worden ist (BGH aaO Rn. 5 mwN).

b) Diesen Darlegungsanforderungen wird die Anhörungsrüge des Klägers nicht gerecht.

aa) Die Anhörungsrüge beschränkt sich auf die bloße Bezugnahme auf die "in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung vom 12. Juni 2019 detailliert begründete Rechtsauffassung zum Vorliegen der dort geltend gemachten Revisionszulassungsgründe". Mit der Beschwerdeerwiderung, die zu den vom Kläger angeführten Revisionszulassungsgründen detailliert und ablehnend Stellung genommen hat (insbesondere S. 5 ff und 12 ff), setzt sie sich nicht auseinander.

bb) Entgegen der Auffassung des Klägers genügt es zur Erfüllung der Darlegungsanforderungen auch nicht, unter Hinweis auf Art. 103 Abs. 1 GG eine unzureichende rechtliche Begründung des Senatsbeschlusses zu behaupten, die es ihm verwehre, den gesetzlich geregelten Rechtsbehelf der Anhörungsrüge gegen Gehörsverletzungen der letztinstanzlichen Gerichte effizient in Anspruch zu nehmen. Aus der Gewährleistung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG folgt kein Anspruch der Beteiligten auf eine mit Gründen versehene letztinstanzliche Entscheidung. Es ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt, dass eine mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare letztinstanzliche gerichtliche Entscheidung von Verfassungs wegen regelmäßig keiner Begründung bedarf (BVerfG, NJW 2011, 1497 Rn. 21 m. zahlr. wN). Dies gilt auch für Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, mit denen - wie hier - eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision mit einem nach § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO zulässigen formelhaften Hinweis auf die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen wird (BVerfG aaO zu § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO aF). Diese dem Bundesgerichtshof eingeräumte Arbeitserleichterung ist mit Blick auf die besonderen Aufgaben eines obersten Gerichts sachgerecht und dient der Erhaltung seiner Funktionsfähigkeit sowie der Effektivität der Rechtsverfolgung im Interesse aller Rechtsschutzsuchenden (BVerfG aaO). Soweit Ausnahmen von diesem Grundsatz anerkannt sind (z.B. Abweichung vom eindeutigen Wortlaut einer Norm, späterer Wegfall eines zunächst gegebenen Zulassungsgrundes; siehe im Einzelnen MüKoZPO/Krüger, 5. Aufl., § 544 Rn. 27), sind diese im vorliegenden Fall offensichtlich nicht einschlägig.

cc) Der Kläger kann sich zur Begründung seiner abweichenden Auffassung auch nicht auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ( EGMR ) berufen. Danach stellt es keinen Verstoß gegen das in Art. 6 Abs. 1 EMRK gewährleistete Recht auf Gehör dar, wenn ein oberstes Gericht einen Rechtsbehelf nur mit dem Hinweis auf die Vorschriften zurückweist, die ein solches Vorgehen erlauben, wenn der Fall - wie hier - keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft oder keine hinreichenden Erfolgsaussichten bietet ( EGMR NJW 2012, 3502 Rn. 46 [Prado Bugallo/Spanien]; NJOZ 2009, 1252, 1255 [Heimann/Deutschland]; Meyer-Ladewig/Harrendorf/König in Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK , 4. Aufl., Art. 6 Rn. 104). Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer selbst seine Darlegung der Revisionszulassungsgründe rechtsirrig für überzeugend hält.

2. Die Anhörungsrüge wäre - ihre Zulässigkeit unterstellt - auch unbegründet. Der Senat hat bei seiner Entscheidung das Beschwerdevorbringen des Klägers in vollem Umfang zur Kenntnis genommen und geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Wenn das Gericht eine andere Rechtsauffassung einnimmt, als der Kläger sich dies wünscht, stellt das keine Verletzung des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs dar (vgl. BVerfGE 64, 1 , 12). Von einer weitergehenden Begründung wird in entsprechender Anwendung von § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Vorinstanz: LG Koblenz, vom 19.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 1 O 301/17
Vorinstanz: OLG Koblenz, vom 14.02.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 1 U 1014/18