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BGH - Entscheidung vom 15.10.2020

I ZR 8/19

Normen:
Richtlinie 2002/92/EG Art. 2 Nr. 3 und 5
Richtlinie (EU) 2016/97 Art. 2 Abs. 1 Nr. 1
Richtlinie (EU) 2016/97 Art. 3
Richtlinie (EU) 2016/97 Art. 8
RL 2002/92/EG Art. 2 Nr. 3 und Nr. 5
RL (EU) 2016/97 Art. 2 Abs. 1 Nr. 1
RL (EU) 2016/97 Art. 3
RL (EU) 2016/97 Art. 8
GewO § 34d Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1-2
RL 2002/92/EG Art. 2 Nr. 3
RL 2002/92/EG Art. 5

Fundstellen:
GRUR 2021, 80
MDR 2021, 248
VersR 2021, 116
WRP 2021, 38

BGH, Beschluss vom 15.10.2020 - Aktenzeichen I ZR 8/19

DRsp Nr. 2020/17314

Erfordernis einer Erlaubnis für die entgeltliche Vermittlung von Mitgliedschaften in einer Gruppenversicherung an Verbraucher (hier: Auslandsreisekrankenversicherung, Auslands- und Inlands-Rückholkosten-Versicherung); Unternehmen als Versicherungsvermittler

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 2 Nr. 3 und 5 der Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über Versicherungsvermittlung (ABl. L 9 vom 15. Januar 2003, S. 3) und von Art. 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 8 der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb (Neufassung) (ABl. L 26 vom 2. Februar 2016, S. 19) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist ein Unternehmen, das als Versicherungsnehmer eine Auslandsreisekrankenversicherung sowie eine Auslands- und Inlands-Rückholkosten-Versicherung als Gruppenversicherung für seine Kunden bei einem Versicherungsunternehmen unterhält, gegenüber Verbrauchern Mitgliedschaften vertreibt, die zur Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen im Fall einer Erkrankung oder eines Unfalls im Ausland berechtigen und von den geworbenen Mitgliedern eine Vergütung für den erworbenen Versicherungsschutz erhält, Versicherungsvermittler im Sinne von Art. 2 Nr. 3 und 5 der Richtlinie 2002/92/EG und Art. 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 8 der Richtlinie (EU) 2016/97?

Tenor

I.

Das Verfahren wird ausgesetzt.

II.

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 2 Nr. 3 und 5 der Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über Versicherungsvermittlung (ABl. L 9 vom 15. Januar 2003, S. 3) und von Art. 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 8 der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb (Neufassung) (ABl. L 26 vom 2. Februar 2016, S. 19) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist ein Unternehmen, das als Versicherungsnehmer eine Auslandsreisekrankenversicherung sowie eine Auslands- und Inlands-Rückholkosten-Versicherung als Gruppenversicherung für seine Kunden bei einem Versicherungsunternehmen unterhält, gegenüber Verbrauchern Mitgliedschaften vertreibt, die zur Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen im Fall einer Erkrankung oder eines Unfalls im Ausland berechtigen und von den geworbenen Mitgliedern eine Vergütung für den erworbenen Versicherungsschutz erhält, Versicherungsvermittler im Sinne von Art. 2 Nr. 3 und 5 der Richtlinie 2002/92/EG und Art. 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 8 der Richtlinie (EU) 2016/97?

Normenkette:

GewO § 34d Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 -2; RL 2002/92/EG Art. 2 Nr. 3 ; RL 2002/92/EG Art. 5 ;

Gründe

I. Der Kläger, der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, ist in der vom Bundesamt für Justiz geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.

Die Beklagte beauftragt Werbeunternehmen, im Wege der Haustürwerbung Verbrauchern gegen Entgelt den Beitritt zu einer "T. M. A. Am. Ag. GmbH Mitgliedergemeinschaft" anzubieten. Die Mitgliedschaft berechtigt zur Inanspruchnahme verschiedener Leistungen im Fall einer Erkrankung oder eines Unfalls im Ausland. Hierzu zählen die Erstattung der Kosten für medizinisch notwendige Heilbehandlungen und Krankentransporte, die Organisation und Durchführung entsprechender Transporte sowie der Betrieb einer telefonisch erreichbaren "Alarmzentrale". Der Beitritt erfolgte im September 2017 mit den nachfolgend teilweise abgebildeten Vertragsunterlagen (Anlage K1):

Die versprochenen Leistungen werden aus dem Vermögen der Beklagten direkt und über von der Beklagten an ihre Kunden abgetretene Ansprüche aus einer Gruppenversicherung erbracht. Die Beklagte ist mit der F. r. AG vertraglich verbunden, die mit ihrem medizinischen Personal und ihrem Fluggerät für die Beklagte einen Teil der Versicherungsleistungen sowie die Organisation der rund um die Uhr besetzten Alarmzentrale erbringt. Hierfür zahlt ihr die Beklagte eine Vergütung. Die Beklagte unterhält als Versicherungsnehmerin eine Gruppenversicherung bei der W. Versicherungs-AG, durch die für Kunden der Beklagten Versicherungsschutz im Rahmen einer Auslandsreisekrankenversicherung sowie einer Auslands- und Inlands-Rückholkosten-Versicherung gewährt wird.

Weder die Beklagte noch die von ihr beauftragten Werbeunternehmen verfügen über eine Erlaubnis zur Versicherungsvermittlung nach § 34d Abs. 1 Satz 1 GewO . Die Industrie- und Handelskammer Koblenz hat der Beklagten mit Schreiben vom 24. September 2015 mitgeteilt, es handele sich bei dem Geschäftsmodell der Beklagten nicht um eine nach § 34d GewO erlaubnispflichtige Tätigkeit. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ist der Auffassung, das Geschäftsmodell der Beklagten stelle weder die Vermittlung von Versicherungen noch den Betrieb eines Versicherungsgeschäfts dar.

Der Kläger hält die Tätigkeit der Beklagten für wettbewerbswidrig. Er ist der Ansicht, die Beklagte betreibe eine Versicherungsvermittlung, für die sie einer Erlaubnis nach § 34d GewO bedürfe. Jedenfalls erwecke die Beklagte den unzutreffenden Eindruck, selbst Erbringerin der versprochenen Versicherungsleistungen zu sein.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen Verbrauchern Verträge, wie in Anlage K1 wiedergegeben, über den Beitritt in eine Versichertengemeinschaft anzubieten bzw. anbieten zu lassen, ohne über die zur Versicherungsvermittlung erforderliche Erlaubnis zu verfügen,

hilfsweise,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen Verbrauchern Verträge, wie in Anlage K1 wiedergegeben, über den Beitritt in eine Versichertengemeinschaft anzubieten bzw. anbieten zu lassen, und hierbei den unzutreffenden Eindruck zu erwecken, selbst Erbringer der Versicherungsleistungen zu sein.

Das Landgericht hat der Klage nach dem Hauptantrag stattgegeben (LG Koblenz, BeckRS 2018, 37627). Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage in Haupt- und Hilfsantrag abgewiesen (OLG Koblenz, GRUR-RR 2019, 161 = WRP 2019, 658 ).

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

II. Für den Erfolg des mit der Klage geltend gemachten Hauptantrags kommt es darauf an, ob die Beklagte für die entgeltliche Vermittlung von Mitgliedschaften in einer Gruppenversicherung (Auslandsreisekrankenversicherung, Auslands- und Inlands-Rückholkosten-Versicherung) an Verbraucher einer Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 Satz 1 GewO bedarf. Die Beantwortung dieser Frage hängt wiederum von der Auslegung von Art. 2 Nr. 3 und 5 der Richtlinie 2002/92/EG und von Art. 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 8 der Richtlinie (EU) 2016/97 ab. Vor einer Entscheidung ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe gegen die Beklagte der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Der Anspruch ergebe sich nicht aus § 8 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 1 , § 3 Abs. 1 , § 3a UWG in Verbindung mit § 34d Abs. 1 Satz 1 GewO . Bei § 34d GewO handele es sich zwar um eine Marktverhaltensregelung. Die Beklagte sei jedoch nicht als Versicherungsvermittlerin im Sinne von § 34d GewO zu qualifizieren. Dies folge zwar nicht schon aus den entsprechenden Stellungnahmen der Behörden. Jedoch könne nur Versicherungsvermittler sein, wer selbst weder Versicherungsnehmer noch Versicherer sei. Diese Voraussetzung treffe auf die Beklagte nicht zu. Die Beklagte sei Versicherungsnehmerin der W. Versicherungs-AG, bei der sie im eigenen Namen einen Gruppenversicherungsvertrag für fremde Rechnung abgeschlossen habe. Der Beklagten könne auch nicht eine rechtsmissbräuchliche Umgehung der speziell auf Versicherungsvermittler anwendbaren gesetzlichen Regelungen vorgeworfen werden. Die Beklagte mache sich eine seitens des Gesetzgebers im Versicherungsvertragsgesetz geschaffene und gesetzgeberisch gebilligte Vertragskonstellation zunutze. Außerdem erbringe sie über die F. r. AG mit dem Bereitstellen einer Alarmzentrale und mit der Organisation und Durchführung eines Rücktransports im Krankheitsfall eigenständige, über den Leistungsumfang der Gruppenversicherung hinausgehende Leistungen.

2. Der auf Wiederholungsgefahr gestützte, mit dem Hauptantrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten zum Zeitpunkt seiner Vornahme wettbewerbswidrig war und sich auch noch nach der zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz geltenden Rechtslage als wettbewerbswidrig darstellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 2018 - I ZR 64/17, GRUR 2018, 1044 Rn. 37 = WRP 2018, 1202 - Dead Island; Urteil vom 29. November 2018 - I ZR 237/16, GRUR 2019, 203 Rn. 13 = WRP 2019, 187 - Versandapotheke, jeweils mwN).

Nach der beanstandeten Verhaltensweise der Beklagten im September 2017 ist sowohl das im Streitfall maßgebliche nationale Recht als auch das Unionsrecht geändert worden. Die Vorschrift des § 34d Abs. 1 GewO hat durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb und zur Änderung weiterer Gesetze mit Wirkung vom 23. Februar 2018 (BGBl. I 2017 S. 2789 ) Änderungen erfahren. Die Richtlinie 2002/92/EG ist mit Wirkung vom 1. Oktober 2018 aufgehoben und durch die Richtlinie (EU) 2016/97 ersetzt worden.

a) Nach § 34d Abs. 1 Satz 1 GewO in der vom 2. Juli 2016 bis zum 22. Februar 2018 geltenden Fassung ( GewO aF) bedurfte derjenige der Erlaubnis der zuständigen Industrie- und Handelskammer, der gewerbsmäßig als Versicherungsmakler oder als Versicherungsvertreter den Abschluss von Versicherungsverträgen vermitteln will (Versicherungsvermittler). In der Erlaubnis war anzugeben, ob sie einem Versicherungsmakler oder einem Versicherungsvertreter erteilt wird (§ 34d Abs. 1 Satz 3 GewO aF).

Nach § 34d Abs. 1 Satz 1 GewO in der seit dem 23. Februar 2018 geltenden Fassung ( GewO nF) bedarf der Erlaubnis der zuständigen Industrie- und Handelskammer, wer gewerbsmäßig den Abschluss von Versicherungs- oder Rückversicherungsverträgen vermitteln will (Versicherungsvermittler). Versicherungsvermittler ist, wer als Versicherungsvertreter eines oder mehrerer Versicherungsunternehmen oder eines Versicherungsvertreters damit betraut ist, Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen (§ 34d Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GewO nF) oder als Versicherungsmakler für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherungsunternehmen oder einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein (§ 34d Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GewO nF).

Die Erlaubnis ist nach § 34d Abs. 2 GewO aF (§ 34d Abs. 5 GewO nF) zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebt, den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung oder einer gleichwertigen Garantie nicht erbringen kann oder nicht durch eine vor der Industrie- und Handelskammer erfolgreich abgelegte Prüfung nachweist, dass er die für die Versicherungsvermittlung oder Versicherungsberatung notwendige Sachkunde über die versicherungsfachlichen, insbesondere hinsichtlich Bedarf, Angebotsformen und Leistungsumfang, und die rechtlichen Grundlagen sowie die Kundenberatung besitzt.

Derjenige, dem eine Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO (aF und nF) erteilt worden ist, ist in das Vermittlerregister einzutragen (§ 34d Abs. 7 GewO aF, § 34d Abs. 10 GewO nF).

b) Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2002/92/EG sieht vor, dass Versicherungs- und Rückversicherungsvermittler bei der zuständigen Behörde in ihrem Herkunftsmitgliedstaat einzutragen sind. Die Eintragung ist von der Erfüllung der beruflichen Anforderungen gemäß Art. 4 der Richtlinie 2002/92/EG abhängig (vgl. Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 2002/92/EG ). Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 4 Unterabs. 4 sowie Art. 10 der Richtlinie (EU) 2016/97 enthalten entsprechende Regelungen und erweitern diese Anforderungen auf Versicherungsvermittler in Nebentätigkeit.

Nach Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie 2002/92/EG ist "Versicherungsvermittler" jede natürliche oder juristische Person, die die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung gegen Vergütung aufnimmt oder ausübt. Art. 2 Nr. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 2002/92/EG definiert "Versicherungsvermittlung" im Sinne der Richtlinie als das Anbieten, Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall. Nach Art. 2 Nr. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2002/92/EG gelten diese Tätigkeiten nicht als Versicherungsvermittlung, wenn sie von einem Versicherungsunternehmen oder einem Angestellten eines Versicherungsunternehmens, der unter der Verantwortung des Versicherungsunternehmens tätig wird, ausgeübt wird. Die beiläufige Erteilung von Auskünften im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit, sofern diese Tätigkeit nicht zum Ziel hat, den Kunden beim Abschluss oder der Handhabung eines Versicherungsvertrags zu unterstützen, oder die berufsmäßige Verwaltung der Schadensfälle eines Versicherungsunternehmens oder die Schadensregulierung und Sachverständigenarbeit im Zusammenhang mit Schadensfällen gelten ebenfalls nicht als Versicherungsvermittlung (Art. 2 Nr. 3 Unterabs. 3 der Richtlinie 2002/92/EG ).

Nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 der Richtlinie (EU) 2016/97 ist "Versicherungsvermittler" jede natürliche oder juristische Person, die kein Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen oder ihre Angestellten und kein Versicherungsvermittler in Nebentätigkeit ist und die die Versicherungsvertriebstätigkeit gegen Vergütung aufnimmt oder ausübt. Der Versicherungsvermittler gehört nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 der Richtlinie (EU) 2016/97 neben den Versicherungsvermittlern in Nebentätigkeit oder einem Versicherungsunternehmen zu den "Versicherungsvertreibern". "Versicherungsvertrieb" im Sinne dieser Richtlinie ist die Beratung, das Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen, das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall, einschließlich der Bereitstellung von Informationen über einen oder mehrere Versicherungsverträge aufgrund von Kriterien, die ein Kunde über eine Website oder andere Medien wählt, sowie die Erstellung einer Rangliste von Versicherungsprodukten, einschließlich eines Preis- und Produktvergleichs, oder ein Rabatt auf den Preis eines Versicherungsvertrags, wenn der Kunde einen Versicherungsvertrag direkt oder indirekt über eine Website oder ein anderes Medium abschließen kann (Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie [EU] 2016/97).

3. Das Berufungsgericht hat zu Recht den Kläger als aktivlegitimiert und § 34d Abs. 1 Satz 1 GewO als Marktverhaltensregelung angesehen. Es ist außerdem ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass ein Verstoß gegen § 34d Abs. 1 Satz 1 GewO nicht schon deshalb ausscheidet, weil die Industrieund Handelskammer und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht der Ansicht sind, die Beklagte bedürfe für ihr Geschäftsmodell keiner zur Versicherungsvermittlung erforderlichen Erlaubnis.

4. Die Klage ist gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG in ihrem Hauptantrag begründet, wenn die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen § 3a UWG in Verbindung mit § 34d Abs. 1 Satz 1 GewO (aF und nF) vorliegen. Der Erfolg des mit der Klage geltend gemachten Hauptantrags hängt deshalb von der Antwort auf die unionsrechtlich klärungsbedürftige Frage ab, ob derjenige, der - wie die Beklagte - Mitgliedschaften in einer Gruppenversicherung an Verbraucher gegen Zahlung einer Vergütung vertreibt, als Versicherungsvermittler anzusehen ist.

a) Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Tätigkeit der Beklagten nicht auf den Abschluss eines Versicherungsvertrags gerichtet. Die Beklagte ist Versicherungsnehmerin. Ihre Tätigkeit zielt darauf ab, Mitgliedschaften in der von ihr abgeschlossenen Gruppenversicherung und die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Leistungen zu vermitteln, für die Versicherungsschutz besteht. Die Beklagte entrichtet die geschuldeten Beiträge an die Versicherung, die geworbenen Mitglieder entrichten an die Beklagte eine Vergütung als Gegenleistung für den erworbenen Versicherungsschutz.

b) Das Berufungsgericht hat das nationale Recht dahingehend ausgelegt, dass der Versicherungsnehmer einer Gruppenversicherung - wie die Beklagte kein Versicherungsvermittler im Rechtssinne sein könne. Für diese Auslegung sprechen der Wortlaut des § 34d Abs. 1 GewO (aF und nF) und die Gesetzgebungsgeschichte. Diese Auslegung ist im deutschen Schrifttum und in der obergerichtlichen Rechtsprechung vorherrschend. Teilweise wird jedoch die Ansicht vertreten, dass im Einzelfall in Betracht kommt, den Versicherungsnehmer einer Gruppenversicherung als Versicherungsvermittler zu behandeln.

aa) Nach dem Wortlaut des § 34d Abs. 1 Satz 1 GewO (aF und nF) muss die Tätigkeit des Versicherungsvermittlers auf den Abschluss von Versicherungsverträgen abzielen. Danach kann ein Versicherungsnehmer, der einem Dritten Versicherungsschutz durch eine Mitgliedschaft in einer Gruppenversicherung verschafft, nicht Versicherungsvermittler sein.

bb) Im Gesetzgebungsverfahren, das der Umsetzung der Richtlinie 2002/92/EG in das deutsche Recht diente, wurden als Versicherungsvermittler diejenigen bezeichnet, die kraft rechtsgeschäftlicher Geschäftsbesorgungsmacht für einen anderen Versicherungsschutz ganz oder teilweise beschaffen, ausgestalten und abwickeln, ohne selbst Versicherungsnehmer oder Versicherer zu sein (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts vom 23. Juni 2006, BT-Drucks. 16/1935, S. 18). Die Bundesregierung hat in der Begründung des Regierungsentwurfs auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Bezug genommen, wonach der Oberbegriff des Versicherungsvermittlers den von der Versichererseite als Glied ihrer Außenorganisation in der Regel ständig mit der Vermittlung betrauten Versicherungsvertreter und den nicht an einen Versicherer gebundenen, den wirtschaftlich schwächeren Versicherungsnehmer herkömmlich unterstützenden Versicherungsmakler umfasst (BGH, Urteil vom 22. Mai 1985 - IVa ZR 190/83, BGHZ 94, 356 , 358 f. [juris Rn. 10]).

Der Gesetzgebungsgeschichte lässt sich entnehmen, dass Versicherungsnehmer von Gruppenversicherungen keine Versicherungsvermittler sind, wenn sie Versicherungsschutz für einen im Voraus bestimmten Personenkreis beschaffen. Die Begründung zum Gesetzentwurf geht davon aus, dass insbesondere Spediteure oder Lagerhalter regelmäßig keine Versicherungsvermittler sind, wenn sie im Rahmen ihrer Berufstätigkeit auftragsgemäß Versicherungsschutz über eine von ihnen als Versicherungsnehmer und Prämienschuldner gezeichnete Versicherung (zum Beispiel Transport-General-Police, Lagerversicherung, Fremdunternehmensversicherung) besorgen, indem sie bei Deklaration das Sacherhaltungsinteresse des versicherten Eigentümers des transportierten oder eingelagerten Gutes versichern (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts vom 23. Juni 2006, BT-Drucks. 16/1935, S. 18; Schönleiter in Landmann/Rohmer, GewO , 84. EL, Stand: Februar 2020, § 34d Rn. 39). Auch Arbeitgeber oder Vereine, die als Versicherungsnehmer Rahmenverträge schließen, denen ihre Arbeitnehmer oder Mitglieder als Versicherte beitreten können, üben danach keine Vermittlertätigkeit aus. Sie verschaffen - ebenso wie Lagerhalter und Spediteure - einem eingeschränkten und im Voraus bestimmten Personenkreis Versicherungsschutz, wobei nicht im Voraus feststeht, welche konkrete Person diesen Versicherungsschutz in Anspruch nehmen wird (vgl. Ambs/Lutz in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 231. EL, Stand: Juli 2020, § 34d GewO Rn. 6; Dörner in Prölss/Martin, VVG , 30. Aufl., § 34d GewO Rn. 5; Heitzer in Ennuschat/ Wank/Winkler, GewO , 9. Aufl., § 34d Rn. 32).

Im Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 in das deutsche Recht hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung dieser Richtlinie gebeten zu prüfen, ob die gewerbsmäßige Vermittlung einer Rechtsstellung als Begünstigter eines Versicherungsvertrages, bei der der Begünstigte wirtschaftlich betrachtet die Zahlung der Prämien übernimmt, ausdrücklich als Form der Versicherungsvermittlung im Sinne des § 34d GewO geregelt werden sollte (BR-Drucks. 74/17 [B], S. 1). Die Bundesregierung hat zwar in ihrer Gegenäußerung erklärt, sie werde dieses Anliegen des Bundesrats prüfen (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie [EU] 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb und zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, BT-Drucks. 18/11627, S. 58). Eine entsprechende Festlegung ist in § 34d GewO nF jedoch nicht erfolgt. Der Gesetzgeber hat das Anliegen des Bundesrates lediglich insoweit aufgegriffen, als er mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 vom 20. Juli 2017 (BGBl. I 2017 S. 2789 ) die Vorschrift des § 7d in das Versicherungsvertragsgesetz eingefügt hat. Danach hat der Versicherungsnehmer eines Gruppenversicherungsvertrags für Restschuldversicherungen gegenüber der versicherten Person die Beratungs- und Informationspflichten eines Versicherers und die versicherte Person die Rechte eines Versicherungsnehmers. Damit hat der Gesetzgeber den Versicherungsnehmer einer Gruppenversicherung für Restschuldversicherungen jedoch nicht den strengen Anforderungen an Versicherungsvermittler unterworfen, sondern ihm lediglich beim Vertrieb von Mitgliedschaften in dieser Versicherung die Beratungs- und Informationspflichten eines Versicherers auferlegt.

cc) In der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum überwiegt deshalb die Auffassung, dass auch der Versicherungsnehmer einer Gruppenversicherung, der Mitgliedschaften in dieser Gruppenversicherung gegen Entgelt vertreibt, weder als Versicherungsvermittler anzusehen ist (OLG Frankfurt, NJW-RR 2019, 1381 ; Schönleiter in Landmann/Rohmer aaO § 34d Rn. 38; Dörner in Prölss/Martin aaO § 34d GewO Rn. 3 und 5; Beyer in Boetius/Rogler/Schäfer, Rechtshandbuch Private Krankenversicherung, 1. Aufl., § 17 Rn. 22) noch eine vermittlerähnliche Stellung innehat (Franz, VersR 2008, 1565 , 1574).

dd) Es wird jedoch auch die Ansicht vertreten, dass eine Vermittlerstellung des Versicherungsnehmers einer Gruppenversicherung (Rahmenversicherung, Kollektivversicherung) dann in Betracht kommt, wenn der Versicherungsnehmer die Gruppenversicherung nicht im Interesse der Versicherten, sondern im eigenen wirtschaftlichen Interesse abschließt (Schwintowski, VuR 2008, 286 ).

Danach sind zwar gesetzliche Krankenversicherungen, die nach § 194 Abs. 1a SGB V den Abschluss privater Zusatzversicherungsverträge zwischen ihren Versicherten und privaten Krankenversicherungsunternehmen vermitteln können, keine Versicherungsvermittler im Sinne des Gewerberechts. Dies gilt auch für Vereine, die zugunsten ihrer Mitglieder Versicherungsverträge abschließen, oder für Arbeitgeber, die für eine betriebliche Altersversorgung nach § 1 oder § 1a BetrAVG einen versicherungsförmigen Durchführungsweg wählen. Diesen Versicherungsnehmern geht es nicht um die Verwirklichung eigener wirtschaftlicher Vermittlungsinteressen, die Gruppenversicherung dient vielmehr dazu, für die Versicherten besonders günstige Konditionen auszuhandeln (Schwintowski, VuR 2008, 286 , 289 bis 290).

Anders werden aber solche Rahmenverträge beurteilt, bei denen der Versicherer dem Versicherungsnehmer für jeden einzelnen Versicherten, der dem Rahmenvertrag beitritt, eine Provision zahlt, so dass es bei dem Versicherungsnehmer ein eigenes wirtschaftliches Interesse dafür gibt, aktiv für den Beitritt zum Rahmenvertrag zu werben. Ein eigenes wirtschaftliches Interesse des Versicherungsnehmers wird bei Rahmenverträgen kreditgebender Banken für Restschuldlebensversicherungen in Erwägung gezogen, mit denen das Risiko der Rückzahlung eines Restkredits insbesondere bei Tod oder Berufsunfähigkeit des Kreditnehmers abgesichert werden soll (Schwintowski, VuR 2008, 286 , 290).

Mit einer ähnlichen Begründung wird in Betracht gezogen, Bausparkassen, die eine Restschuldversicherung als Gruppenversicherung abschließen, als Versicherungsvermittler anzusehen, weil Bausparkassen ihren Kreditnehmern durch diese Gruppenverträge nicht nur im Interesse ihrer Kunden, sondern auch im eigenen wirtschaftlichen Interesse Versicherungsschutz verschaffen (Dreyer/Hasenkamp, ZVertriebsR 2019, 92, 94 bis 96). Da Bausparkassen und von einer Bausparkasse beauftragte Vermittler nach § 34d Abs. 8 Nr. 2 GewO von der Erlaubnispflicht befreit sind, wenn sie für Bausparer Versicherungen im Rahmen eines Kollektivvertrages vermitteln, die Bestandteile der Bausparverträge sind, und die ausschließlich dazu bestimmt sind, die Rückzahlungsforderungen der Bausparkasse aus gewährten Darlehen abzusichern, stellt sich die Frage nach der Erforderlichkeit einer gewerberechtlichen Erlaubnis allerdings nur insoweit, als es um die Reichweite dieser Ausnahmeregelung geht (vgl. hierzu Dreyer/Hasenkamp, ZVertriebsR 2019, 92, 97 bis 98).

Hielte man diese Auffassung für zutreffend, käme in Betracht, die Beklagte als Versicherungsvermittlerin anzusehen, wenn sie ihren Kunden (auch) im eigenen wirtschaftlichen Interesse Versicherungsschutz verschafft.

ee) Teilweise wird eine Erlaubnispflicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der missbräuchlichen Umgehung in Betracht gezogen, wenn eine umfangreiche Versicherung abgeschlossen und deren Versicherungsschutz in kleinen Stückelungen an die die Prämie anteilmäßig zahlenden Endkunden vermittelt wird, nur um die Erlaubnispflicht des § 34d GewO und die zivilrechtlichen Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherungsvertragsgesetzes zu umgehen (LG Erfurt, Urteil vom 24. Oktober 2013 - 2 HK O 156/13, juris Rn. 26; Schönleiter in Landmann/Rohmer aaO § 34d Rn. 38; Adjemian u. a., GewA 2009, 137, 139; aA Jürgen Evers, VW 2014, Heft 4, 78).

c) Die Frage, ob und - wenn ja - unter welchen Voraussetzungen derjenige, der Versicherungsnehmer einer Gruppenversicherung ist, Versicherungsvermittler sein kann, lässt sich der Richtlinie 2002/92/EG und der sie ersetzenden Richtlinie (EU) 2016/97 und der hierzu bisher ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht zweifelsfrei entnehmen.

aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind die in Art. 2 Nr. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2002/92/EG genannten Tätigkeiten weit gefasst. In dieser Regelung wird der Begriff der Versicherungsvermittlung definiert als das Anbieten, Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall. Danach stellt jede der in Art. 2 Nr. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2002/92/EG genannten Tätigkeiten für sich genommen eine Tätigkeit der Versicherungsvermittlung dar (EuGH, Urteil vom 31. Mai 2018 - C-542/16, VersR 2019, 165 Rn. 37 - Länsförsäkringar Sak Försäkringsaktiebolag u. a.). Für die in Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie (EU) 2016/97 genannten Tätigkeiten gelten diese Erwägungen gleichermaßen. Der in dieser Regelung definierte Begriff des Versicherungsvertriebs erfasst unter anderem die Beratung, das Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen, das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall.

Es erscheint möglich, die Tätigkeit der Beklagten, die eine Gruppenversicherung unterhält, Verbrauchern über eine Mitgliedschaft gegen Zahlung einer Vergütung Versicherungsschutz verschafft und sie im Schadensfall (Erkrankung oder Unfall im Ausland) durch eine Abtretung von Ansprüchen gegen den Versicherer und durch Erbringung von eigenen Leistungen (Betrieb einer telefonisch erreichbaren Alarmzentrale und Organisation und Durchführung von Krankentransporten) unterstützt, für die Versicherungsschutz besteht, in diesem Sinne als Versicherungsvermittler anzusehen.

bb) Für eine weite Auslegung des Begriffs des Versicherungsvermittlers sprechen außerdem die Erwägungsgründe beider Richtlinien.

Die Richtlinie 2002/92/EG und die Richtlinie (EU) 2016/97 gehen davon aus, dass Versicherungsprodukte von verschiedenen Kategorien von Personen oder Einrichtungen vertrieben werden. Die Richtlinie 2002/92/EG nennt Versicherungsagenten, Versicherungsmakler und "Allfinanzunternehmen" (Erwägungsgrund 9), die Richtlinie (EU) 2016/97 erwähnt darüber hinaus Versicherungsunternehmen, Reisebüros und Autovermietungsfirmen (Erwägungsgrund 5). Beide Richtlinien sollen sich aus Gründen der Gleichbehandlung all dieser Akteure und des Kundenschutzes auf all diese Personen oder Einrichtungen beziehen. Der Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2016/97 ist dabei erkennbar weiter als derjenige der Richtlinie 2002/92/EG (Erwägungsgründe 7 und 8 der Richtlinie [EU] 2016/97). Die Richtlinie (EU) 2016/97 hat zum erklärten Ziel, den Verbrauchern trotz der Unterschiede zwischen den Vertriebskanälen das gleiche Schutzniveau zugutekommen zu lassen (Erwägungsgrund 6).

Diese Erwägungsgründe lassen nicht erkennen, dass die Richtlinien ausschließlich Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler als Versicherungsvermittler ansehen.

cc) Der mit den Richtlinien 2002/92/EG und (EU) 2016/97 verfolgte Zweck spricht gleichfalls dafür, denjenigen, der - wie die Beklagte - Mitgliedschaften in einer Gruppenversicherung an Verbraucher gegen Zahlung einer Vergütung vertreibt, als Versicherungsvermittler anzusehen. Die vorgesehene Eintragungspflicht hat das Ziel sicherzustellen, dass als Versicherungsvermittler nur tätig wird, wer die strengen beruflichen Anforderungen in Bezug auf Sachkompetenz, Leumund, Berufshaftpflichtschutz und finanzielle Leistungsfähigkeit erfüllt (vgl. Erwägungsgründe 14 und 16 der Richtlinie 2002/92/EG ). Damit soll zum einen ein hohes berufliches Niveau der Versicherungsvermittlung und die Harmonisierung des unionsweiten Vermittlermarkts durch die Beseitigung von Hindernissen für die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr geschaffen werden, zum anderen soll der Verbraucherschutz, das heißt der Schutz der Versicherungsnehmer, in diesem Bereich verbessert werden (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Oktober 2013 - C-555/11, r + s 2014, 428 Rn. 27 - EEAE u. a.).

Für Kunden, die vor der Wahl stehen, ein bestimmtes Risiko zu versichern, ist es im wirtschaftlichen Ergebnis ohne Bedeutung, ob sie Versicherungsschutz direkt als Versicherungsnehmer oder indirekt über ein Unternehmen als Versicherte einer Gruppenversicherung erhalten. Bei einer solchen Sachlage erscheint es nicht gerechtfertigt, an die Person, die den Kunden den Versicherungsschutz gegen Zahlung einer Vergütung verschafft, unterschiedliche Anforderungen zu stellen, je nachdem, ob der Kunde die Stellung als Versicherungsnehmer oder als Versicherter erlangt. Der mit den vorstehend genannten Richtlinien verfolgte Verbraucherschutz könnte es daher rechtfertigen, Versicherungsnehmer einer Gruppenversicherung, die wie die Beklagte im eigenen wirtschaftlichen Interesse Mitgliedschaften in einer Gruppenversicherung vertreiben, als Versicherungsvermittler anzusehen.

dd) Anders als die Richtlinie 2002/92/EG erwähnt die Richtlinie (EU) 2016/97 in Erwägungsgrund 49 Gruppenversicherungen. Für diesen Fall soll der Begriff "Kunde" den Vertreter einer Gruppe von Mitgliedern bezeichnen, der einen Versicherungsvertrag im Namen der Gruppe von Mitgliedern abschließt, bei der das einzelne Mitglied keine individuelle Entscheidung über den Beitritt treffen kann, wie etwa ein Pflichtsystem der betrieblichen Altersversorgung. Danach soll der Vertreter der Gruppe unverzüglich nach der Aufnahme des Mitglieds in die Gruppenversicherung gegebenenfalls das Informationsblatt zu Versicherungsprodukten und die Wohlverhaltensinformationen des Vertreibers vorlegen.

Aus diesem Erwägungsgrund lässt sich zwar entnehmen, dass bei Gruppenversicherungen der Versicherungsnehmer "Kunde" und nicht Versicherungsvermittler ist. Die in diesem Erwägungsgrund erwähnte Gruppenversicherung deckt jedoch nicht alle Fälle von Gruppenversicherungen ab und ist ersichtlich nicht mit derjenigen vergleichbar, um die es im Streitfall geht. Anders als bei Gruppenversicherungen, bei denen die einzelnen Mitglieder keine individuelle Entscheidung über den Beitritt treffen können, wirbt im Streitfall die Beklagte bei Verbrauchern um den Beitritt zu der von ihr unterhaltenen Gruppenversicherung, ohne dass die Verbraucher verpflichtet wären, sich für diese Mitgliedschaft zu entscheiden.

Verkündet am: 15. Oktober 2020

Vorinstanz: LG Koblenz, vom 26.06.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 2 HKO 67/17
Vorinstanz: OLG Koblenz, vom 19.12.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 9 U 805/18
Fundstellen
GRUR 2021, 80
MDR 2021, 248
VersR 2021, 116
WRP 2021, 38